Mit der Umfirmierung von Kögl & Partner (Discreet Monsters) in die 3-DD Digital Media AGwurde der erste Schritt zum Börsengang vollzogen. Entertainment Markt sprach mit Sven Meyer, Vorstand von 3-DD Digital Media, über die Vision des Unternehmens, die Entwicklung und medienübergreifende Vermarktung von Themenwelten.

Entertainment Markt: Was haben Sie gemacht, seit Sie Psygnosis verlassen haben?

Sven Meyer: Ich hatte seinerzeit von der Walt Disney Company bzw. Walt Disney Television ein Angebot bekommen, den Bereich TV Sales als eigenständige Division mit aufzubauen. Disneys Ziel war es, den Rechtehandel als eigenständige Vertriebsstruktur aus dem Bereich Buena Vista Productions und vor allem zu dem Bereich Broadcasting, sprich: Disney Channel, abzugrenzen. Das schien mir eine sehr interessante Aufgabe, da es von Beginn an mein Bestreben war, die verschiedenen Sektoren der Unterhaltungsbranche in interessanten Positionen kennen zu lernen. Ich hatte mit Musik bei BMG angefangen und bin von dort über BMG Interactive zu Psygnosis in die Games- und Multimediabranche gekommen. TV und Film hielt ich dann für eine spannende Ergänzung.

EM: Warum haben Sie den Disney-Konzern verlassen?

Meyer: Die anderthalb Jahre bei Disney waren eine extrem spannende Zeit. Was mir aber letztlich gefehlt hat, war die unternehmerische Attitüde. Disney ist ein sehr zentralistischer Konzern, der sich derzeit auch in einer Phase der Umstrukturierung befindet. Dies war aber nicht ausschlaggebend für mich, den Konzern zu verlassen. Ich habe meiner Chefin Sally Davis gesagt: Es ist weniger etwas, was mich von Disney wegtreibt, als etwas, das mich hier anzieht. Und zwar, selbst unternehmerisch tätig zu werden. Das hatte ich schon seit längerem vor.

EM: Nun sind Sie Partner von Siggi Kögl?

Meyer: Die Firma Kögl & Partner wurde in eine AG umgewandelt und firmiert jetzt unter 3-DD Digital Media AG. Nach Eintragung der AG wurde ich in den Vorstand berufen und werde auch eine kleine Beteiligung an der AG halten. Damit besteht der Vorstand der AG aus Siggi Kögl und mir. Darüber hinaus ist noch geplant, in den nächsten Wochen einen CFO in den Vorstand zu berufen, um damit unser Team zu komplettieren.

EM: Wann genau ist der Börsengang geplant?

Meyer: Unser Plan sieht den Börsengang für das 4. Quartal 2000 oder das 1. Quartal 2001 vor. Wir bereiten die Firma bis dahin auf den Börsengang vor. Der genaue Termin wird aber von verschiedenen Faktoren abhängen, die nur bedingt unserem Einfluß unterliegen: die aktuelle Markt- und allgemeine Börsensituation oder etwa, dass sich die Firma gerade in einer Phase befindet, in der ein Börsengang nicht opportun scheint. Sowohl wir als auch unsere Gesellschafter sind bereit, den Börsengang zu verschieben, falls uns dies zum gegebenen Zeitpunkt sinnvoll erscheint.

EM: Wieso sind Sie gerade zu 3-DD Digital Media gegangen?

Meyer: Entscheidend für mich war, daß Siggi Kögl von Beginn an das Unternehmen weitsichtig geplant hat. Bestünde die Firma nur aus "Discreet Monsters" wäre sie für mich nicht attraktiv. Selbst ein guter Gamedeveloper, der nur Gamedeveloper sein will, entspricht nicht dem, was ich mir unter einer unternehmerischen Tätigkeit vorstelle. Meine Interessen gehen nicht zuletzt wegen meines beruflichen Hintergrunds, meiner Ideen und Pläne dahin, in allen Medienbereichen tätig zu sein. Das Gamedevelopment wird bei 3-DD Digital Media nicht in den Hintergrund, aber mit Sicherheit in eine andere Position gehen.

EM: Was wird 3-DD dann konkret machen?

Meyer: Ich werde versuchen, dies in wenigen Worten zu umschreiben. Nach unserem Verständnis ist ein Entertainmentprodukt nicht ein Spiel, ein Film oder ein Album. Ein Entertainmentprodukt ist eine Erlebniswelt. "The Real Neverending Story" wird für uns nur das erste Entertainmentprodukt sein. Weitere werden folgen.

EM: Sie haben also nicht nur das Spiel in der Schublade?

Meyer: Wir entwickeln sukzessive die Themenwelt "The Real Neverending Story", die nicht mehr so viel mit der "Unendlichen Geschichte" zu tun hat, wie viele Leute vielleicht glauben. Es wird beispielsweise einen Soundtrack geben, der von virtuellen Figuren und nicht von einer Band performt wird. Die Figuren entstammen dem etwa 900 Seiten starkem Buch "The Real Neverending Story", das wir entwickelt haben und das quasi die Keimzelle der Themenwelt sein wird. Im Januar werden wir zudem erste Gespräche für die Koproduktion eines Films führen, der in Richtung 3D-Animationsfilm bzw. Mischtechnik aus 3D-Animation und Realfilm gehen wird. Auch über Merchandising wird nachgedacht.

EM: Und was kommt danach?

Meyer: Wir werden in den nächsten Monaten und auch Jahren Nachfolgeprodukte entwickeln. Diese werden in erster Linie komplette Eigenproduktionen statt gekaufter Lizenzen sein. Unser Ziel ist, in allen Bereichen in der Pole Position zu sein. Das heißt, wir wollen die Rechte an den Themenwelten soweit möglich allein kontrollieren. Dies bedeutet aber nicht, dass wir alles allein machen. Wir können beispielsweise keinen ganzen Film allein stemmen. Ich denke, es werden vor allem Koproduktionen sein, in die wir Know-how und Rechte einbringen und Figuren und Characters designen. Wir haben beispielsweise bereits Kontakt zu einem potenziellen Partner für eine TV-Serie, sogar eine interaktive TV-Serie. Auch dort wird es im Januar zu weiteren Gesprächen kommen.

EM: Werden Sie also in Zukunft vor allem als Lizenzgeber auftreten?

Meyer: Ja und nein. Es ist kein eindimensionales Modell. Sie haben eine ständige Abschätzung von Risk und Reward. Können wir etwas produzieren? Haben wir die dafür notwendige Kompetenz, oder können wir diese gegebenenfalls aufbauen? Oder ist eine Risikoverteilung oder das Outsourcing logisch? Wir werden uns von Fall zu Fall gut überlegen, was wir machen. Der Hintergrund ist, daß wir im Produktionsbereich sehr viele Synergien sehen. Die Software für die Erstellung einer 3D-Animation für ein Spiel oder für einen Feature-Film ist zu einem sehr hohen Anteil identisch. Wir gehen von einer Konvergenz im Produktionsbereich aus. Und diese Konvergenz wollen wir in unserem Sinne nutzen. Deshalb investieren wir auch viel in Technologie.

EM: In welche Art von Technologie investieren Sie?

Meyer: Wir haben bereits sehr gute Technologie für das Spiel entwickelt. Zudem treiben wir die Entwicklung weiter voran. Das ist Technologie, die natürlich auch für andere Unternehmen und in anderen Bereichen einsetzbar ist. Rein für den Spielebereich wollen wir einen fast schon industriellen Produktionszyklus entwickeln. Konkret bedeutet dies die ständige Weiterentwicklung und Vereinfachung unserer Tools, sodass ein leistungsstarkes und intuitiv zu bedienendes Autorensystem entsteht. Wir sind unserem Ziel schon heute sehr nahe, wollen das System aber noch weiter perfektionieren. Als Beispiel kann ich hier "The Real Neverending Story" nennen. Aus Zeitgründen kann nicht alles in ein Spiel gepackt werden, was bei uns noch in Planung ist. "The Real Neverending Story" ist auch deshalb als Trilogie geplant. Der Fertigstellungsprozess wird deshalb von der technologischen Weiterentwicklung abgekoppelt. Wir haben also eine kontinuierliche Softwareentwicklung, der die Produkte folgen.

EM: Werden Sie im Spielebereich bei einem Genre bleiben?

Meyer: Nein, wir werden dort vielfältige Bereiche angehen. Wir denken beispielsweise sehr ernst über Sport nach, und unsere Überlegungen werden sich hoffentlich ebenfalls in den nächsten Wochen konkretisieren. Auch über die sehr junge Zielgruppe wird nachgedacht. Konkrete Pläne kann ich Ihnen auch hier nicht offenlegen, da diese noch voll im Fluss sind. Ziel ist letztendlich, verschiedene Bereiche und Genres abzudecken. Wobei das im Einzelnen nicht spieleorientiert, sondern inhalteorientiert stattfinden wird. Wir werden bewusst Inhalte suchen und erarbeiten, mit denen ein breites Spektrum an Medienprodukten generiert werden kann.

EM: 3-DD wird also seine "Wurzeln", die Spieleentwicklung, mehr oder minder verlassen?

Meyer: Sicher, wenn es ökonomisch sinnvoll ist. Ich schränke dies bewusst ein, da unserer Meinung nach eins der wichtigsten Medieninterfaces der Zukunft eine interaktive 3D-Welt ist. Und die ist heute im Volksmund als Spiel bekannt. Eine interaktive 3D-Welt hat deutliche Vorteile gegenüber linearen Medien, die es beispielsweise als Werbeträger hoch interessant machen. Die Verweildauer ist groß, der Aufmerksamkeitsgrad hoch. Das sind Eigenschaften, an denen andere Medien, und insbesondere das Fernsehen, kranken. Interaktives Produkt ist und bleibt auch mittel- bis langfristig ein zentraler Bestandteil unserer Firmenplanung. Wir sehen dabei auch viele verschiedene Anwendungen mit unterschiedlichen Interaktionsgraden. Die Idee einer interaktiven TV-Soap, die durch digitales Fernsehen möglich wird, ist höchst interessant. Für die nahe Zukunft ist es aber denkbar, dass wir auch ein Thema entwickeln, das sich grandios als Film, Comic oder Merchandisingprodukt eignet, das aber beim besten Willen kein Spiel hergibt.

EM: Welche Rolle spielt für Sie das Internet?

Meyer: Das Internet hat für uns natürlich eine sehr große Bedeutung. Im Moment sieht es zwar noch nicht so aus, aber wir werden auch hier sehr viel Zeit, Arbeit und Forschung investieren. Das Internet kann Funktionen erfüllen, die derzeit noch von anderen Firmen wahrgenommen werden. Wie beispielsweise beim Vertrieb. Wir werden die Internetvermarktung unserer Produkte in jedem Fall von Beginn an selbst kontrollieren. Generell muss man die heutigen und die künftigen Möglichkeiten des Internets sehen und entsprechend agieren. Stichwort Online-Gaming. Online-Gaming spielt bereits eine Rolle, seine Bedeutung wird aber noch deutlich zunehmen. Noch existieren technische Beschränkungen, die uns nicht erlauben, unseren Standard online rüberzubringen. Das Engagement muss sich demnach mit den wachsenden Möglichkeiten und Zielgruppen verstärken. Wir werden uns je nach Situation den Märkten anpassen. Die Konzeption und die Technologien haben wir aber bereits vorbereitet.

EM: Wie wollen Sie die doch komplexe Vision von 3-DD Digital Media zum Börsengang den Analysten, der Presse und den Anlegern näherbringen?

Meyer: Unsere Vision ist tatsächlich schwer zu transportieren. Aber wir werden Mittel und Wege finden, um unseren Firmenansatz, der sich nicht in einem Satz zusammenfassen lässt, der gesamten Presse, den Analysten und den Anlegern zu verdeutlichen. Dabei möchte ich z. B. auf den Vortrag von Siggi Kögl bei der letzten Systems verweisen. Das beste ist natürlich, die Ideen umzusetzen und erlebbar zu machen. Für mich ist beispielsweise Sony einer der zentralen Vorreiter, der das längst verstanden hat und die Konvergenz ökonomisch sinnvoll lebt und umsetzt. Ich weiß auch, dass bei der Kirch-Gruppe entsprechend gute Ansätze existieren. Das sind Kooperationspartner, mit denen wir uns vorstellen könnten, Transparenz in die Thematik zu bringen.

EM: Derzeit bereiten sich eine Reihe von deutschen Gamespublishern für einen Börsengang vor. Könnte ein eventuelles Scheitern dieser Firmen sich negativ auf Ihren Börsengang auswirken?

Meyer: Keiner kann Seifenblasen an der Börse voraussehen. Ebenso kann keiner mögliche Auswirkungen auf andere Firmen ausmachen. Sollte es Seifenblasen geben, stellt sich für uns die Frage, wie wir uns und unser Konzept davon abgrenzen. Ich glaube, jeder muss an der Börse sein eigenes Schicksal dokumentieren. Persönlich bin ich der Meinung, dass es auf die Substanz, auf die Vision und auf die Success-Story ankommt. Es kann keine Vision sein, nur ein Spiel zu machen oder in einem beschränkten Publishingmarkt aktiv zu sein. Man muss Entertainment-Content als Wertschöpfungsketten sehen. Ich sagte vorhin, wir wollen in der Pole Position sein. Damit meinte ich auch, dass wir die ersten Rechteinhaber sind, die Vermarktungsrechte verteilen können. Ein Publisher weiter hinten in dieser Kette muss seine Produkte in einem Developermarkt einkaufen, der sehr begrenzt ist. Seine Marge errechnet sich aus den Kosten für den Einkauf und dem Umsatz des Verkaufs. Bei den steigenden Produktionskosten für alle Entertainmentprodukte besteht die Gefahr, als Publisher immer kleiner zu werden, wenn ich keine Kontrolle über das Produkt habe.

EM: Sie sprechen von einer Wertschöpfungskette, zu der natürlich auch die internationale Vermarktung gehört. Welche Pläne haben Sie fürs internationale Geschäft?

Meyer: Internationalisierung ist ein wichtiges Stichwort, das wir auch so schnell wie möglich aufgreifen werden. Wie und in welcher Form, wird von möglichen Kooperationspartnern abhängen, mit denen wir, wie gesagt, ab Januar erste Gespräche führen werden. Kooperationspartner im Ausland oder die Entwicklung eigener Offices sind nur zwei Möglichkeiten. Ebenfalls im Januar haben wir ein Gespräch mit einem deutschen Unternehmen, das ähnliche Pläne hat. Dabei wäre auch ein Joint Venture möglich. Generell suchen wir Partner aus den verschiedensten Bereichen und sprechen sowohl mit kleinen Unternehmen als auch mit Konzernen. Wir werden sehen, was für uns letztlich sinnvoll ist.

EM: Wie beurteilen Sie den deutschen Markt als Produktionsstandort?

Meyer: Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass der deutsche Markt in allen Entertainmentsegmenten der zweit- oder drittgrößte Markt der Welt ist. Entgegen aller Unkenrufe, dass es hier keine Kreativität gibt, sind wir davon überzeugt, dass in Deutschland auch als Produktionsstandort Möglichkeiten stecken, die weitgehend ungenutzt sind.

EM: Könnten Förderungen dem Produktionsstandort Deutschland helfen?

Meyer: Auch wenn wir für die eine oder andere Förderung dankbar wären - ich bin überzeugt, dass alles, was beispielsweise unter dem Stichwort Filmförderung zusammengefasst werden kann, uns behindert. Dadurch wird das ökonomische Denken ein bisschen vernebelt. Und es geht schließlich darum, sich ökonomisch mit dem Markt auseinanderzusetzen, marktkonforme und vor allem vermarktbare Produkte zu produzieren. Ich glaube, wir können beweisen, dass Games von internationalem Standard made in Germany machbar sind. Im Musikbusiness ist es auch schon mehrfach gelungen. Doch es geht eigentlich nicht nur um Deutschland. Ich glaube an das Potential des europäischen Markts. In Frankreich und gerade in Großbritannien existieren noch bessere Ansätze als in Deutschland. In puncto Gameentwicklung überlegen wir, vielleicht sehr schnell nach England zu expandieren.

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Game Studies Watchlist #48
Rudolf Thomas Inderst; Professor for Game Studies & Game Design (HNU); Founder & Host of the Podcast Channel "Game Studies" (New Books Network); Section Head "Digitalspielkultur" (TITEL kulturmagazin); Expert Advisory Board "Digitale Spiele" (DFJV) © Inderst

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By Team Gamesmarkt 3 min read
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Rudolf Thomas Inderst; Professor for Game Studies & Game Design (HNU); Founder & Host of the Podcast Channel "Game Studies" (New Books Network); Section Head "Digitalspielkultur" (TITEL kulturmagazin); Expert Advisory Board "Digitale Spiele" (DFJV) © Inderst

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