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Knackpunkt Jugendschutz

Gemeinnützigkeit droht an Definition von E-Sport zu scheitern

Die Darstellung realistischer Tötungen, glücksspielnahe Mechaniken und erkaufbare Vorteile verhindern die politisch eigentlich vereinbarte Anerkennung der Gemeinnützigkeit des E-Sports in Deutschland. Das geht aus einer Antwort des Bundesfamilienministeriums auf eine Anfrage von GamesMarkt hervor. Dort besteht man auf eine E-Sport-Definition, die dem Jugendschutz genügt, die mit dem gelebten E-Sport jedoch praktisch unvereinbar ist.

Pascal Wagner07.03.2024 09:00
Lisa Paus Groß
Das von Lisa Paus geführte Familienministerium steht der Gemeinnützigkeit mit grundsätzlich nachvollziehbaren Bedenken entgegen, die die Definition von E-Sport jedoch nachhaltig negativ beeinflüssen könnten. Laurence Chaperon

Lange war es still um die auf Bundesebene diskutierte Gemeinnützigkeit des E-Sports. Bis Ende 2023 wollten die Parteien und Ministerien eigentlich einen Kompromiss gefunden haben, dieser steht aber immer noch aus. Ende 2022 befasste sich die Diskussion noch weniger mit dem E-Sport im Speziellen und mehr mit Definitionskonflikten bei sozialen Organisationen zwischen SPD und Grünen auf der einen und FDP auf der anderen Seite bezogen war, wie GamesMarkt-Recherchen damals belegten.

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Doch jetzt stoßen die Verhandlungsparteien bei der engeren Definition des E-Sports auf einen weiteren Konflikt, wie GamesMarkt erfahren hat, denn der Jugendschutz wird zum Thema. Im Kern der Blockade steht aktuell das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) von Ministerin Lisa Paus (Die Grünen). Denn das hat Bedenken bezüglich der realistischen Darstellung von Tötungen in manchen E-Sport-relevanten Titel, zu denen Call of Duty oder Counter-Strike gehören dürften. Auch Online-Glücksspielmechaniken und der Kauf von Spielvorteilen mit echtem Geld, wie sie in den Online-Modi diverser Sportspiele wie EA Sports FC und NBA gang und gäbe sind, stoßen dem Ministerium bitter auf.

Eine Sprecherin des Familienministeriums antwortete auf GamesMarkt-Anfrage wie folgt: "Damit eine Tätigkeit als gemeinnützig anerkannt werden kann, muss sie gemäß § 52 Absatz 1 Satz 1 und 2 Abgabenordnung (AO) die Allgemeinheit fördern. Dieser Grundsatz der Förderung der Allgemeinheit hat beim E-Sport nach Einschätzung aller betroffenen Ressorts einschränkende Wirkung. Das bedeutet zum Beispiel, dass Spiele, bei denen das Töten von Menschen realitätsnah simuliert wird, mit dem Grundsatz der Förderung der Allgemeinheit nicht vereinbar sind. Ebenso wenig ist das Spielen von Online-Glücksspiel mit diesem Grundsatz vereinbar. Weiterhin ist es mit dem Grundsatz der Förderung der Allgemeinheit beispielsweise nicht vereinbar, wenn in einem Spiel der Einsatz von Geld über den Erwerb des Spiels hinaus wettbewerbsrelevante Vorteile verschafft. Für die Frage der Förderung der Allgemeinheit sind insbesondere die Vorgaben des Jugendschutzgesetzes, insb. § 10a und § 10b JuSchG, relevant."

Einfluss auf die Sichtweise des Bundesfamilienministeriums hat auch das im Dezember 2023 veröffentlichte Gutachten der Kommission für Jugendmedienschutz genommen, das ein besonderes Licht auf Dark Patterns, Lootboxen, Online-Zwang in Live-Service-Games und andere Mechaniken wirft, die potenziell schädliche Bindungen an Games fördern. "Vor diesem Hintergrund prüft die Bundesregierung derzeit, welche Fallgestaltungen erfasst werden sollen und können, und mögliche Steuerungswirkungen. Auch das aktuelle Gutachten "Förderung von exzessivem Nutzungsverhalten bei Games" für die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zu manipulativen Spieldesigns vom 11.12.2023 zeigt die Bandbreite und Komplexität der hierbei zu berücksichtigenden Fragen. Den rechtsanwendenden Finanzbehörden müssen klare, rechtssichere und handhabbare Kriterien für die Beurteilung der Gemeinnützigkeit an die Hand gegeben werden."

Effektiv würden die Bedenken eine Definition von förderwürdigem E-Sport bedeuten, die viele von den Communitys und der Industrie als E-Sport bezeichneten Games ausschließt – lest dazu den aktuellen Kommentar von Stephan Steininger. Der Vorstoß des Familienministeriums zeigt stattdessen in eine Richtung, die sich an der E-Sport-Definition des International Olympic Comitee orientiert. Das IOC nutzt eigens entwickelte Gamesumsetzungen von echten Sportarten und will seinen E-Sport von etablierten Games und Ligen abgrenzen, die es als "E-Gaming" bezeichnet. Dafür war das Komitee in der Vergangenheit auf Kritik aus der Branche gestoßen.

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