Hoch gesteckte Ziele verfolgt Jörg Trouvain, Vertriebsleiter - Sales Director Electronic Arts, im laufenden Jahr. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Thema Category Management.

Entertainment Markt: Die Bilanz der ersten zwei Quartale Ihres Geschäftsjahrs war nicht berauschend. Wie läuft es derzeit?

Jörg Trouvain: Das erste und zweite Quartal ist deutlich hinter unseren Forecasts und Zielen zurückgeblieben. Im dritten werden wir unsere Ziele aber erreichen. Wir hatten ursprünglich damit gerechnet, dieses Quartal mit einem Plus von 25 Prozent abzuschließen. Das wird uns jedoch nicht ganz gelingen, obwohl wir ständig vier bis fünf Produkte in den Top 10 hatten. In einem Transitionsjahr ist einfach nicht mehr möglich. Diese Erfahrung hat aber auch etwas Gutes. Wir sind in den letzten sechs Jahren immer ganz oben geschwommen und hatten stets zweistellige Zuwachsraten. Aber wenn man richtig kämpfen muss, ist das grundsätzlich keine schlechte Erfahrung und ein gutes Training.

EM: Wie schätzen Sie das Jahr 2001 ein?

Trouvain: Es wird für die Branche ein weiteres schwieriges Jahr werden. Ich rechne mit einer gut einstelligen Wachstumsrate im Gamesbereich von um die neun Prozent. 2002 wird die Branche aber wieder Zuwächse um die 20 bis 25 Prozent verzeichnen können, weil die Xbox dann im Markt und die installierte Basis der PlayStation 2 größer ist.

EM: Diese Period of Transition bezieht sich gemeinhin auf den Konsolenwechsel. Sehen Sie auch eine Transition von Offline zu Online? Und welche Konsequenzen hat das für den Vertrieb?

Trouvain: Es gibt auch eine Transition im PC-Bereich, vom Offline- zum Onlinegaming. Hier erkenne ich im Markt schon Strukturen, die jedoch noch nicht ausreichend auf Akzeptanz stoßen. Der Konsument ist noch nicht soweit, dass er sagt: Ja. Das will ich, und das bringt mir auch etwas. Bis diese Akzeptanz hierzulande erreicht ist, wird noch einige Zeit vergehen. In den USA stellt sich die Situation anders dar: Dort ist EA.com, das Joint Venture von Electronic Arts und AOL, bereits live und verfügt über acht Millionen Nutzer. Aber auch in Deutschland funktioniert Onlinegaming bereits. Immerhin spielen rund 30.000 bis 40.000 Gamer diese Spiele kontinuierlich auf Servern. Und das ist erst der Anfang. In den nächsten ein, zwei Jahren werden wir hier wesentliche Veränderungen erleben.

EM: Diese Prognose begleitet die Branche schon längere Zeit. Die User scheinen aber doch fester an alten Strukturen zu hängen, als manche denken?

Trouvain:Als Vertriebsmann bin ich darüber gar nicht einmal so unglücklich. So prophezeiten andere Stimmen vor Jahren, dass wir in einigen Jahren keine Boxen und CDs mehr verkaufen. Auch in zehn Jahren werden wir noch Vertriebsorganisationen haben, die Software auf CD-ROM oder DVD verkaufen. Auch Mischformen sind denkbar, eine Mixtur aus Datenträger auf der einen Seite und Internet auf der anderen Seite etwa. Ich kann mir vorstellen, dass man eine CD, die zwei, drei Level beinhaltet, auf dem klassischen Weg preiswert verkauft. Online kann man sich dann noch weitere Mannschaften oder Trikots herunterladen. Oder das nächste Level für fünf Mark. Das sind Modelle, die Mischformen zwischen physischer und nichtphysischer Distribution darstellen. Insofern sehe ich den Handel und die Vertriebsmannschaften auch noch in weiterer Zukunft ihren Job machen.

EM: Das heißt, EAs Vertriebsstruktur bleibt erhalten? Auch auf dem bisherigen Niveau?

Trouvain: Unsere Vertriebsstruktur wird in den nächsten Jahren nicht weiter wachsen. Meine Vertriebsabteilung, inklusive Trademarketing, zählt jetzt 43 Mitarbeiter, 13 davon im Außendienst. Das ist eine respektable Größe. Das Volumen wird nicht wesentlich größer, die Komplexität der Aufgaben nicht wesentlich anders. Es gibt nach wie vor Segmente im Handel, die nur sehr schwer zu bedienen sind, wo wir auch Schwächen haben. Konkret nenne ich den Spielwaren- und Buchhandel. Diese Segmente sind einfach zu klein und atomisiert, als dass wir uns darauf effektiv fokussieren könnten. Diesen Job müssen derzeit andere Distributoren erledigen.

EM: Welche Ziele streben Sie mit dem Vertrieb an?

Trouvain: Ein entscheidendes Stichwort ist Category Management. Hier haben wir zusammen mit Karstadt ein Projekt initiiert. In diesem Zusammenhang haben wir sehr viel analysiert und die logistischen Abläufe optimiert. Der Grad unserer Onlinevernetzung ist sehr hoch, und damit eine große Transparenz gegeben. Diesen Part des Category Management haben wir umgesetzt. Wir haben Sortimentsvergleiche angestellt und sehr viel Benchmarking betrieben. Alles lief in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Handel. Wenn man diesen Ansatz konsequent umsetzen würde, mündete das in der Implementierung eines eigenen Category Captain, was Electronic Arts etwa in den USA bei Wal-Mart ist. Dieser Captain ist für die Steuerung der gesamten Unterhaltungssoftware verantwortlich. So weit will Karstadt an der Stelle jedoch noch nicht gehen. Wir können aber sagen, dass wir mit dem Projekt schon einiges erreicht haben. Außerdem ist dieses Modell auch auf andere Kunden übertragbar. ABC, unsere Tochtergesellschaft in der Schweiz, bietet bereits ein Fullservice-Racksharing an und betreut viele Kunden, für die ABC Sortimente zusammenstellt und bis zum Regal pflegt. Diese Variante sehe ich als das Zukunftsmodell für viele Verbrauchermärkte. Daran arbeiten wir, und darüber werden wir auch mit unseren Partnern sprechen. Darüber hinaus ist in Zukunft fraglich, ob sich so mancher Publisher weiterhin seine eigene Salesforce leisten kann oder auch will. EA ist offen, auch für andere diese Funktion zu erfüllen. Eine professionelle Pipeline ist da und verträgt durchaus auch noch mehr Inhalt.

EM: Wie fällt Ihre Bilanz bei dem Karstadt-Projekt aus? Trouvain: Wir haben unsere Umsätze deutlich steigern können. Was sind die Gründe dafür? Sind es die Produkte, ist es der Kunde, ist es das Category Management? Es ist ein Mix aus allen Faktoren. Fest steht aber, dass wir die Businessabläufe und Sortimentsgestaltung bei Karstadt sehr positiv beeinflusst haben. An dieser Stelle auch einmal Dank an Karstadt für die vertrauensvolle Zusammenarbeit in dieser Sache.

EM: Gibt es weitere Pläne vertrieblicher Natur?

Trouvain: Durchaus. Es gibt einen speziellen Service, den ABC in der Schweiz leistet und auch in Deutschland anbieten wird. Viele Akteure wie "Bild", RTL oder "Focus", die im Internet große Portale mit enormen Visits betreiben, haben inzwischen das Potenzial für E-Commerce erkannt. Ihr einziges Problem ist, dass sie nicht über das nötige Know-how verfügen, um beispielsweise auch Unterhaltungssoftware im E-Shop anbieten zu können. Welche Sortimente brauche ich, wie sind die Preise, wie löse ich den Backship usw? Wir haben mit ABC in der Schweiz eine Firma, die wie ein Großhändler das komplette Sortiment aller Publisher vertreibt und entsprechend über die logistischen Möglichkeiten verfügt. Die Zustellung würde auch aus der Schweiz nach Deutschland im 24-Stunden-Bereich funktionieren. ABC hat das Lager, den Server und die Produktdatenbank, die auf einem Server von RTL oder "Bild" gespiegelt werden könnte. Praktisch greift der Kunde dann auf das Produkt zu, der Auftrag läuft in der Schweiz ein, und ABC liefert im Auftrag des entsprechenden Auftraggebers das Game aus. Ein sehr interessantes Konzept, auch eine Art von Category Management, nur internet- und nicht rackbasiert. In der Schweiz ist ABC sehr erfolgreich damit, und ich bin sicher, dass man dieses Modell auch auf Deutschland übertragen kann.

EM: Gibt es in Deutschland schon Partner, mit denen Sie zusammenarbeiten?

Trouvain: Wir führen jetzt erste Gespräche mit großen Portalen, aber es gibt noch keinen konkreten Partner.

EM: Bietet ABC die ganze Palette von Unterhaltungssoftware an?

Trouvain: ABC hat das komplette Sortiment, auch Info- und Edutainment. Man könnte das Angebot auch um Musik oder Bücher erweitern, aber da gibt es andere Firmen, die hier ihre Kernkompetenz haben. Amazon zum Beispiel. Im Gamesbereich hingegen ist Amazon erst dabei, die Kompetenz aufzubauen.

EM: Wie sehen Sie die heutige Handelsstruktur?

Trouvain: Das Wachstum wird heute sehr stark über die Fachmärkte generiert. Diese Vertriebsform wird auch weiter zulegen. Das deckt sich mit unseren eigenen Umsätzen. Im Vergleich zum Vorjahr haben wir leichte Zuwächse im Warenhausbereich, einen sehr starken dagegen bei den Fachmärkten. Die Hypermarkets wie real und Marktkauf, von denen wir immer gedacht haben, dass sie Riesenschritte nach vorn machen würden, stagnieren im Moment. Den Convenience- Markt, sprich: Tankstelle und Kiosk, von dem viele sprechen, sehe ich indes weniger. In diesen Outlets funktioniert vielleicht ein Übersetzungsprogramm für 9,95 Mark. Aber der klassische High-Price-Bereich bei Games funktioniert dort noch nicht. Das PC-Spiel ist noch kein klassischer Mitnahmeartikel.

EM: Und wie ist es um den Einzel- und Großhandel bestellt?

Trouvain: Im Bereich Einzel- und Großhandel haben wir deutliche Rückgänge zu verzeichnen. Der Anteil an unserem Gesamtumsatz liegt zwar immer noch bei 15 Prozent, dieser Bereich ist aber aus unserer Sicht der größte Verlierer. Das schmerzt, zumal dieses Segment auch eine Domäne von Kingsoft gewesen ist. Der gesamte Kuchen auf Handelsseite stagniert, der Anteil des Einzel- und Großhandels wird aber immer kleiner. Dennoch halte ich diesen Kanal für sehr wichtig und würde ihn auch gern stärker unterstützen, aber unsere Möglichkeiten als Hersteller sind auch nur begrenzt.

EM: Haben Einkaufskooperationen eher die Chance, gegen die Großen zu bestehen?

Trouvain: Ich finde es sehr wichtig, dass man sich in Verbundgruppen organisiert. Gameplay, MMI oder GameIt! sind ja zum Teil schon Franchisesysteme, die auch werbetechnisch Synergien schaffen. Trotzdem wird es schwer für diese Kanäle, sich gegen die Ketten durchzusetzen.

EM: Wie entwickeln sich denn die E-Tailer wie Amazon etc?

Trouvain: Hier zeichnet sich eine sehr erstaunliche Entwicklung ab. Sicher noch auf niedrigem Niveau, aber diese Anbieter wachsen kontinuierlich. Wenn ich beispielsweise Amazon betrachte, habe ich sehr großen Respekt vor der Leistung im Gamesbereich. Die Umsätze steigen von Monat zu Monat.

EM: Auf welchem Niveau bewegt sich Amazon denn bei den Stückzahlen?

Trouvain: Amazon verkauft von einem "Command&Conquer" durchaus einige tausend Units. Hinzu kommt noch, dass Amazon sehr professionell und vor allem mit sehr engagierten Leuten arbeitet. Ich bin davon überzeugt, dass Portale vom Kaliber eines Amazon mit wachsender Kompetenz auch gute Chancen im Markt haben. Viele der reinen E-Shops, die heute versuchen, sich zu positionieren, werden es aber letztlich nicht schaffen. Die Aussichten für Click&Mortar-Anbieter, also die Verbindung aus klassischem und internetbasiertem Handel, schätze ich demgegenüber sehr positiv ein. Der traditionelle Handel geht zwar etwas langsam auf diesem Weg, was kein Fehler sein muss, aber er geht ihn.

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