Xbox hat im Weihnachtsgeschäft in Europa deutlich an Boden gewonnen. Am ersten Jahrestag des Konsolenstarts in Europa wurde der Onlineservice "Xbox Live" auf der CeBIT gestartet. GamesMarkt.de sprach mit Robert J. Bach, Senior Vice President und Chief Xbox Officer, über die Performance der Konsole, die "Xbox Live"-Ziele und -Auswirkungen auf das Konsolengaming sowie auch über Kaufgerüchte.

GamesMarkt.de: Xbox ist seit über einem Jahr auf dem Markt. Wie lautet die Bilanz?

Robbie Bach: Wir sind sehr zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen. Insgesamt haben wir knapp über acht Millionen Units verkauft, 5,4 Mio. in Nordamerika, 1,8 Mio. in Europa und rund 850.000 im asiatischen Raum und in Australien. Mit Ausnahme von Japan haben wir in jedem Markt einen Marktanteil zwischen 20 und 25 Prozent. Wir sind also die klare Nummer zwei.

GM: Und wie läuft der Verkauf der Software?

Bach: Äußerst stark. In Amerika liegt die Attach-Rate bei fünf Spielen pro Konsole. In Europa ist die Ratio etwas niedriger. Ein typisch europäisches Phänomen von dem alle Plattformen betroffen sind. Bislang hatten wir fünf Titel, die weltweit mehr als eine Mio. Mal verkauft wurden, zwei verkauften sich mehr als zwei Mio. Mal. That's pretty amazing!

GM: Ein kurzes Resümee zu "Xbox Live"...

Bach: Erst kürzlich haben wir die Grenze von 350.000 Abonnenten überschritten, das sind dreimal mehr, als wir ursprünglich erwartet hatten. Wir waren in letzter Zeit also sehr mit der Produktion von Headsets und Starter-Kits beschäftigt. Interessant ist außerdem die durchschnittliche Spieldauer pro User und Tag: Sie liegt bei 2,5 Stunden. Ich frage mich wirklich, wie viele Menschen eigentlich arbeiten...

GM: Zu welcher Tageszeit gehen die meisten Nutzer online?

Bach: Auch das ist erstaunlich: In der Primetime, also zwischen 20 und 22 Uhr in der jeweiligen Zeitzone.

GM: In den USA ist das Download-Feature sehr beliebt. Wie bringen Sie die Publisher dazu, dieses Feature zu unterstützen, obwohl dort keine Umsätze winken?

Bach: Sie haben Recht. Wir hatten für "MechAssault" ein großes Downloadpaket mit zwei neuen Mechs und mehreren Karten, das in der ersten Woche von 170.000 Usern, also der Hälfte der Installed Base, heruntergeladen wurde. Das ist fantastisch. Aus Publishersicht gibt es mehrere Gründe, das Downloadfeature zu unterstützen. Zunächst haben wir versucht, die Kosten für die Entwicklung zu senken. Wir haben den Entwicklern Codes zur Verfügung gestellt, mit denen die Integration der Downloadfunktionalität binnen eines Tages möglich ist. Auch werden wir im Lauf der Zeit mit verschiedenen Geschäftsmodellen experimentieren. "Wir sind die klare Nummer zwei" Man kann für Downloads durchaus Geld verlangen, vorausgesetzt, sie sind entsprechend umfangreich und gut. Wie wir beispielsweise an "Ghost Recon" gesehen haben, steigern die Downloadangebote auch die Verkäufe im Handel. Die onlinefähige Xbox-Version hat sich doppelt so gut wie die nicht-onlinefähige PS2-Version verkauft.

GM: Warum ist "Xbox Live" im Vergleich so erfolgreich?

Bach: Unabhängig von Faktoren wie Support oder Marketing gibt es zwei Hauptgründe: Der "Xbox Live"-Nutzer weiß, was ihn erwartet. Er kann immer seine Freunde finden, er hat immer den gleichen Usernamen, er baut sich seine Reputation etc. Der zweite, meiner Ansicht nach entscheidende Grund ist jedoch die Sprachübermittlung. Sie verändert das Spielgefühl fundamental. Man muss es selbst ausprobieren. Irgendwann vergisst man das Headset und fängt an, die Mitspieler anzuschreien... Das gehört zum Wettstreit einfach dazu.

GM: Was soll "Xbox Live" nach dem ersten Jahr kosten?

Bach: Wir haben bisher nichts angekündigt und werden dies in den nächsten Monaten auch nicht tun. Wir denken über verschiedene Geschäftsmodelle nach.

GM: Wie gehen Sie dabei vor?

Bach: Zunächst darf man nicht vergessen, dass wir Neuland betreten haben. Niemand hat bisher Erfahrungen mit einem Breitband-Abonnementservice mit 350.000 Nutzern sammeln können. Wir analysieren und forschen nach, was die User wollen und was sie dazu bewegen könnte, ihr Abonnement beizubehalten. Ich denke, es wird verschiedene Angebote geben, beispielsweise monatliche, vierteljährliche oder Jahresabonnements. Vorstellbar sind auch spezielle Angebote unserer jeweiligen ISP-Partner. Auch andere Kombinationen beim Bundling sind vorstellbar. Es gibt also viele Möglichkeiten, die wir erst noch eruieren müssen.

GM: Wie schätzen Sie das Potenzial von "Xbox Live" in Deutschland ein? Wie viel Prozent der Xbox-Besitzer werden den Dienst nutzen?

Zur Person

Als Senior Vice President der Games Division bei Microsoft und Chief Xbox Officer (CXO) leitet Robbie Bach alle Aktivitäten von Microsoft im Bereich PC- und Konsolenspiele. Von 1996 bis 1998 war Robbie Bach Vice President der Learning, Entertainment and Productivity Divison, wo er Software für die Bereiche Home Productivity, Education, Reference und den Spielebereich entwickelte und vermarktete. Zuvor arbeitete er als Vice President of Marketing für die Desktop Applications Division. Von 1992 bis 1996 leitete Bach verschiedene Marketingbereiche für Microsoft Office. Von 1990 bis 1992 arbeitete er als Business Operation Manager bei Microsoft Europa, wo er Geschäftsplanung und -strategie, Budgetierung und Sonderprojekte koordinierte und direkt an den Präsidenten von Microsoft Europa in Paris berichtete. Bach begann im August 1988 bei Microsoft als Produktmanager für Microsoft Works und war für das Small-Business-Marketing und die OEM-Programme zuständig. In seiner Zeit vor Microsoft war Bach Finanzanalyst bei Morgan Stanley & Co. Robbie Bach hat mit dem Bachelor in Volkswirtschaft an der Universität von North Carolina und dem Master in Business Administration an der Stanford University abgeschlossen.

Bach: Betrachtet man die 350.000 "Xbox Live"-US-Nutzer als Prozentsatz der 5,4 Mio. verkauften Units, ist der Anteil natürlich nicht überragend. Entscheidend ist, dass weitere, wichtige Faktoren wie die Verbreitung von Breitbandanschlüssen in die Überlegung einbezogen werden müssen. Die Breitbandpenetration ist sogar wichtiger als die Konsolenpenetration. Deutschland ist hier einer der führenden Märkte Europas. Zumal es einen großen Player mit 80 bis 90 Prozent Marktanteil gibt. Das macht vieles für die Verbraucher, aber auch für uns leichter. Der Nachteil für Deutschland bzw. für ganz Europa ist, dass "Xbox Live" nicht wie in den USA zum Weihnachtsgeschäft startet. Insgesamt rechnen wir jedoch in Europa mit mehreren 10.000 Abonnenten in den ersten Wochen.

GM: Wie sieht Ihre Marketingstrategie für den Dienst aus?

Bach: Natürlich gibt es viel Marketing. Allerdings konzentrieren wir uns auf Instoreaktionen. Eine immense Nachfrage zu generieren, ist für uns zunächst zweitrangig, denn es besteht bereits Nachfrage. Wir wollen vielmehr, dass die Hardcorespieler mit "Xbox Live" eine großartige Erfahrung machen. "Xbox Live" ist ein Service, das ist das ganze Geheimnis. Ein Service wird anhand der Qualität der Erfahrung gemessen, die man mit ihm gemacht hat. Die Kommunikation verläuft dann über Mundpropaganda. Im Grunde ist es ein Schneeballeffekt: Der Ball wird oben auf dem Berg zum Rollen gebracht. Kundenbedürfnisse analysieren Man muss dabei genau zielen, denn wenn der Ball erst rollt, dann lässt sich die Richtung nur schwer beeinflussen. Größer wird der Ball beim Rollen jedoch von allein.

GM: In Europa ist "Xbox Live" zunächst in acht Ländern gestartet. Wann werden weitere folgen?

Bach: Dies werden wir erst nach der Startphase in den acht Ländern entscheiden. Ein Start ist zwar nicht mit horrenden Kosten verbunden, dennoch ist es ein großes Investment. Neue Partner müssen gefunden und die von Land zu Land leicht unterschiedliche Infrastruktur muss berücksichtigt werden. Hinzu kommen Marketing und Support und vieles mehr. Um ehrlich zu sein: Unser Team ist derzeit so fokussiert, den "Schneeball" zu bauen und in die richtigen Bahnen zu lenken, so dass wir noch zu wenig Zeit hatten, konkrete Planungen für weitere Länder zu verabschieden.

GM: Wird Microsoft neben Games auch anderen Content über "Xbox Live" anbieten?

Bach: Konkrete Pläne gibt es nicht. Allerdings gibt es natürlich nahe liegende "Kandidaten" wie bspw. Musik. Schon heute bietet Xbox die Möglichkeit, eigene Musik auf der Festplatte zu speichern und diese als Hintergrund während des Spielens abzuspielen. Kurzfristig fokussieren wir uns jedoch auf Games, da wir mit "Xbox Live" zunächst die Hardcoregamer erreichen wollen. Erst wenn der Dienst über diese Zielgruppe hinauswächst, werden wir eventuelle Erweiterungen des Services konkretisieren.

GM: Wird Microsoft "Xbox Live" als Werbetool nutzen?

Bach: Man muss da sehr vorsichtig sein, denn ich glaube nicht, dass jemand einen Onlineservice abonniert, um Werbung zu bekommen. "Xbox Live" ist auch keine Art Website, es gibt kein Browsing. Der Platz für Werbung ist also nicht vorhanden. Ich könnte mir jedoch zwei Arten von Werbung vorstellen. Eine Form, die wir Placement Promotional Opportunities nennen, kennt man bereits aus heutigen Spielen wie "Die Sims". McDonald's hat bspw. einen Vertrag mit Electronic Arts, um in der Welt der "Sims" präsent zu sein. Diese Form der Werbung stört den Spieler nicht, da sie im Kontext des Spiels steht und den Spielfluss nicht beeinträchtigt. Die zweite Form, die ich mir vorstellen kann, sind Sponsorships bspw. von Turnieren oder Ligen.

GM: Plant Microsoft den Aufbau einer elektronischen Distribution?

Bach: Beim elektronischen Vertrieb gibt es zwei Grundsatzfragen: Erstens, gibt es überhaupt eine Nachfrage? Ich bin der Meinung, dass es gewisse Bedürfnisse für entsprechende Angebote geben wird. Die große Mehrheit der Verbraucher liebt es jedoch, im Handel einzukaufen. Sie wollen die Verpackung sehen, mit Verkäufern sprechen und sich von Bekannten beim Shopping Tipps geben lassen. Zweitens: Ist die Übertragung schnell genug? Spiele werden immer umfangreicher. Seit 15 Jahren, seitdem ich in dieser Branche bin, sind die Softwareentwicklungen im selben Maß gewachsen, wie die Übertragungsrate der Netze gestiegen ist. Ich glaube nicht, dass sich das so schnell ändern wird.

GM: Die elektronische Distribution ist also kein Thema.

Bach: Es gibt Leute in der Industrie, die hinsichtlich des elektronischen Vertriebs sehr zuversichtlich sind. Ich gehöre nicht dazu. Es wird Nischenangebote wie Leveldownloads etc. geben. Das Hauptgeschäft wird jedoch über den Handel laufen. Fragen Sie die Publisher, was deren Meinung nach das Fantastischste an Online ist. Sie werden sagen, dass sie mehr im Handel verkaufen.

GM: Thema Gerüchte. Microsoft soll ja Interesse an Sega haben...

Bach: Ich glaube, es ist jetzt das dritte oder vierte Mal, dass dieses Gerücht aufgekommt. Es gab schon immer Gerüchte, dass wir irgendwann jede Firma aufkaufen. Aber lassen wir Sega mal bei Seite, denn ich werde spezifische Gerüchte nicht kommentieren. Wenn Sie sich unsere generelle Vorgehensweise bei Akquisitionen anschauen, dann sehen Sie, dass alle unsere Unternehmungen sehr spezieller Natur waren.

Bei "Xbox Live" sehr auf Sicherheit bedacht In meinem Team gibt es niemanden, dessen Job darin besteht, potenzielle Kandidaten für eine Übernahme auszumachen. Es gibt jedoch sehr wohl Leute, die nach herausragenden Spielen Ausschau halten, um diese zu unterstützen.

GM: Und wie geht es dann weiter?

Bach: Mit der Zeit kann es passieren, dass wir an einem Punkt ankommen, an dem uns eine Übernahme sinnvoll erscheint. Ein Beispiel ist Ensamble Studios: Sie machten drei "Age"-Spiele für uns, ehe wir uns entschlossen, in diesen Brand langfristig zu investieren und ihn selbst zu managen. Ein anderes Beispiel ist Bungie: Wir sahen "Halo" und waren so begeistert, dass wir den Titel unbedingt im Xbox-Startportfolio haben wollten. Um dies sicherzustellen und das Projekt selbst vorantreiben zu können, haben wir es erworben.

GM: Bei beiden Beispielen handelt es sich um Entwickler...

Bach: Ja. Mit Ausnahme von Rare waren alle von uns übernommenen Unternehmen Entwickler und keine Publisher. Und solche Ausnahmen wie Rare sind selten. Sehen Sie, es ist auch für uns nicht gerade einfach, Publisher zu kaufen. Wir müssten viele Assets übernehmen, die wir im Grunde gar nicht benötigen. Und außerdem hat Microsoft in zahlreichen Ländern Publishingteams, wahrscheinlich mehr als jede andere Spielefirma. Erschwerend käme hinzu, dass ich gezwungen wäre, PS2-Umsätze mit aufzukaufen, die ich anschließend nicht mehr replizieren kann. Unabhängig von der Sega-Frage oder auch dem Vivendi-Universal-Gerücht - was wahrscheinlich Ihre nächste Frage gewesen wäre -, unsere Ambitionen richten sich auf bestimmte Umstände in Zusammenhang mit kleineren Firmen. Das ist unsere Philosophie, so denken wir über Akquisitionen.

GM: Lassen Sie uns weiter spekulieren. Die aktuelle Konsolengeneration geht online. Wann werden Besitzer unterschiedlicher Konsolen miteinander spielen können? In zehn Jahren?

Bach: Kurz- und mittelfristig halte ich das noch nicht für umsetzbar. Zum einen sind die Onlinestrategien der heutigen Konsolen, falls solche überhaupt vorhanden sind, sehr unterschiedlich. Zum anderen würden damit auch viele Sicherheitsfragen entstehen. Wir sind sehr darauf bedacht, "Xbox Live" so sicher wie möglich zu machen. Dies können wir auch, weil wir die Konsole und die Sicherheit auf der Konsole "kontrollieren". In dem Moment aber, in dem man zwei unterschiedliche Geräte miteinander verbindet, entsteht auch automatisch ein Sicherheitsproblem. Und ein Zeitraum von zehn Jahren ist sehr lang und bedeutet außerdem, über zwei Generationen von Hardware zu spekulieren. Bis dahin kann noch so viel passieren. Denken Sie doch einmal zehn Jahre zurück. Niemand hätte damals ernsthaft daran gedacht, dass Microsoft und Sony einmal die beiden treibenden Kräfte im Konsolengeschäft sein werden, so wie sie es sich heute darstellt. Jeder hätte damals auf Sega und Nintendo getippt.

GM: Die DVD-Fähigkeit ist bei dieser Generation ein wichtiges Feature. Was darf bei der nächsten Generation nicht fehlen?

Bach: Onlineservices könnten eine derart wichtige Rolle spielen. Wir glauben, dass "Xbox Live" bereits für diese Generation ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist. In Hinblick auf künftige Hardwaregenerationen hat Online also gute Chancen. Ein anderer Aspekt, der richtungweisend sein wird, ist die Community. Die Gemeinschaftserfahrung wird deutlich an Bedeutung gewinnen. Natürlich wird man Games auch künftig allein spielen können, Features wie Sprachübermittlung, Treffen in der Community, Contentdownload werden jedoch von den Spielern angenommen.

GM: Warum gerade Community?

Bach: Für Jugendliche zwischen zwölf und 18 Jahren ist Multitasking heute etwas Selbstverständliches. Sie telefonieren, chatten per Mail mit ihren Freunden, spielen ein Spiel und machen - zumindest in der Theorie - ihre Hausaufgaben gleichzeitig. Das ist eine fundamentale Veränderung. Ich glaube, Videogaming hängt nicht mit Fantasie, sondern mit Community zusammen.

GM: Wir bedanken uns für das Gespräch.

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