Mit Christian Baur als Director gamescom aufseiten des game ist die Messe gut, wenn nicht sogar gestärkt durch die Pandemie gekommen. Vor seinem Abschied beim game blickt er auf Highlights und Herausforderungen der letzten gamescom-Jahre zurück.

GamesMarkt: Die gamescom 2023 wird die letzte sein, die unter Deiner Verantwortung stattfand. Abseitsaller Zahlen und anderer Metrics, wie zufrieden bist Du mit dieser Abschiedsvorstellung?
Christian Baur: Ich bin auch persönlich mit der gamescom 2023 sehr zufrieden. Mit diesen starken Zahlen schließt sich ein wenig der Kreis zu meiner Anfangszeit: Als ich 2019 die Aufgabe übernahm, war die gamescom nach Jahren des konstanten Wachstums vor Ort bei vielen Kennzahlen ganz oben angekommen. Doch die Umstände änderten sich wenige Monate später, als die Corona-Pandemie vielerorts das Leben lahmlegte und wir 2020 eine gamescom ausschließlich online veranstalten konnten. Hier wurde aber auch schnell deutlich, was wir bei dem großartigen Wachstum vor Ort in Köln ein wenig übersehen hatten: Es gab einige Hausaufgaben, die wir dringend angehen mussten, vor allem beim Online-Auftritt und damit auch bei der internationalen Reichweite. In dieser Hinsicht boten die Pandemie-Jahre 2020 und 2021 auch eine Chance, genau hieran fokussiert zu arbeiten. Mit der gamescom 2023 haben wir nun wieder Top-Werte erreicht — dieses Mal aber nicht nur vor Ort, sondern auch online und weltweit. Auch fernab klassischer Event-Metriken hat sich einiges getan: So ist die gamescom heute deutlich nachhaltiger und ein Safe Space für alle Besuchenden. Daher kann ich sehr zufrieden auf meine Zeit als Director gamescom beim game zurückschauen.

Wie wurde und seit wann ist Dir klar geworden, dass es für Dich Zeit ist, das Zepter weiterzureichen?
Es gab nicht diesen einen Moment. Es war ein Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum hingezogen hat und bei dem sowohl Berufliches als auch insbesondere Privates eine Rolle gespielt haben.

Welche Aufgaben sind aus Deiner Sicht die drängendsten, denen sich Dein:e Nachfolger:in widmen muss?
Ich denke, dass mein:e Nachfolger:in gemeinsam mit dem gamescom-Team bei der Koelnmesse, dem game-Team, den Ausstellenden und der Community erkennen wird, welche Schwerpunkte sie oder er setzen möchte. Klar ist aber eins: Die Gamesbranche entwickelt sich in atemberaubendem Tempo weiter. Diese Entwicklungen muss ein Event wie die gamescom, das ja allen Aspekten von Games gerecht werden will, abbilden. Es gibt also mehr als genug Chancen, die ergriffen werden können.

Blicken wir zurück. Was hast Du damals im April 2019 gedacht, was hast Du erwartet, als Du als Leiter gamescom & events zum game gestoßen bist und haben sich diese Erwartungen in den vergangenen Jahren erfüllt?
Ich hatte vor allem einen riesigen Respekt vor der Aufgabe. Ich kannte die gamescom ja schon sehr lange aus anderen Perspektiven, etwa als Fachbesucher und auch als Stand-Verantwortlicher. Ich hatte daher eine grobe Vorstellung davon, wie groß und komplex die gamescom als Event ist. Da ich aber nur wenige Monate vor der gamescom 2019 anfing, blieb mir kaum Zeit, darüber zu grübeln. Es ging direkt in die Vorbereitungen. Meine Erwartungen haben sich dann in dieser Hinsicht auch erfüllt: Die Bandbreite und Menge an Einzelprojekten rund um eine gamescom ist einfach riesig.

Die Gamesbranche entwickelt sich in einem atemberaubenden Tempo weiter

Anfang 2020, nach Deiner ersten gamescom, legte die Pandemie alle Formen von On-Site-Events lahm. Wie hast Du diese erste Phase der Pandemie erlebt?
Bereits früh im Jahr 2020 haben wir uns zu den ersten Meldungen in den Medien zusammen mit der Koelnmesse ausgetauscht. Auch aus Sicht eines Event-Veranstalters war die sich entwickelnde Pandemie ein großer Schock: Wie kann es weitergehen? Gemeinsam mit den Ausstellenden wurde uns schnell klar: Wir wollen die gamescom auf keinen Fall einfach ausfallen lassen. Wenn sie nicht vor Ort stattfinden kann, dann wollen wir zur gewohnten Zeit Ende August wenigstens online etwas auf die Beine stellen, auf das sich die Community freuen kann. Ich denke, dass uns das gemeinsam mit unseren Partnern und der Koelnmesse auch wirklich gelungen ist. Das erfolgreiche Comeback der gamescom 2022 vor Ort in Köln hat dabei gezeigt, wie wichtig es war, weiter am Ball zu bleiben. Am Ende würde ich sogar sagen, dass die gamescom gestärkt aus den Pandemie-Jahren hervorgekommen ist, weil wir digital und international noch nie so gut dastanden wie aktuell.

Warum haben game und Koelnmesse, anders als viele andere Veranstalter:innen, ein digitales Format nicht nur als Not- oder Übergangs-lösung betrachtet, sondern entsprechend viel Engagement investiert?
Wir haben schnell erkannt, dass die gamescom digital enormes Potenzial hat, das bis zum Start der Pandemie nur in Ansätzen genutzt wurde. Auf die erfolgreichen Premieren von games-com: Opening Night Live und den anderen digitalen Show-Formaten, die 2019 erstmals das gamescom-Programm erweitert haben, konnten wir hervorragend aufbauen und un-sere Strategie ging einfach auf. Zum einen war für uns immer klar, dass wir nur in Formate investieren wollen, die auch komplementär zu einer „normalen“ gamescom funktionieren. Zum anderen wollten wir an den Orten im Netz, wo sich Gamerinnen und Gamer tummeln, die gamescom ebenfalls stattfinden werden lassen. Das funktionierte über Plattform-Sales, Sonderaktionen mit Creatorn, umfangreiche Co-Streaming-Kooperationen und vieles mehr. Mit Neuheiten wie dem Content-Hub gamescom now und den digitalen Quests von gamescom EPIX in den Folge-jahren konnten wir das dann erweitern und gezielt Schwächen kompensieren. Wir konnten damit Formate schaffen, die Dank des großartigen Engagements unserer Partner und der unfassbaren Leidenschaften der Community schnell mit Leben gefüllt wurden.

Wie wichtig war aus Deiner heutigen Sicht dieses Digitalengagement, um auch als On-Site-Event erfolgreich zurückkehren zu können?
Der Ausbau der digitalen Angebote war enorm wichtig und wir hätten 2023 nicht eine so erfolgreiche gamescom erlebt, wenn wir diese Schritte nicht gegangen wären. So wichtig das digitale Angebot auch für die Zeit nach der Pandemie war, so wichtig ist aber auch weiterhin das Erlebnis vor Ort. Wie stark dieses 2020 und 2021 gefehlt hat, wurde bei dem Restart der gamescom 2022 vor Ort in Köln deutlich: Alle, die vor Ort waren, hatten ein großes Lächeln im Gesicht. Endlich konnte man sich auch wieder im echten Leben treffen. Daher bin ich auch hinsichtlich der These skeptisch, dass die Zukunft der Games-Präsentationen allein in Online-Streams liegen soll. Alle, die schon mal das einzigartige gamescom-Festival-Feeling selbst erlebt haben, wissen, dass Games einfach ein soziales Medium sind. Eine Weltpremiere im Livestream sehen ist schön, richtig Spaß macht es aber erst mit Tausenden anderen zusammen. Am wichtigsten war aus meiner Sicht allerdings, dass wir 2022, allen Unkenrufen zum Trotz, bereits ein beeindruckendes Comeback feiern durften.

Wir haben schnell erkannt, dass die gamescom digital enormes Potenzial hat, das bis zum Start der Pandemie nur in Ansätzen genutzt wurde.

Blickt man heute auf die Anfangsjahre der gamescom zurück, also auch vor Deiner Zeit, hat sich das Angebot grundlegend geändert bzw. erweitert. Doch auch bei den Gamespublishern gab es einen Wandel hin zu weniger US-Firmen und mehr Publishern aus Asien. Wie wichtig sind die Themen Diversifizierung und Anpassung der Erfolgsfaktoren der Messe?
Die Gamesbranche ist immer im Wandel und Games haben längst auch andere Lebensbereiche erobert. Das hat die gamescom 2022 mit ihrem Leitthema „Games: Herz der Popkultur“ ganz gut auf den Punkt gebracht. Dementsprechend muss sich auch die gamescom wandeln: Neben die klassischen Entwickler- und Publisher-Stände treten eben auch Streaming-Dienste und Brettspiel-Anbieter. Games sind heute einfach omnipräsent und das wird auch auf der gamescom deutlich. Diese Entwicklung wird sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Ähnlich sieht es bei den Ausstellern aus: Immer mehr Gamesunternehmen beispielsweise aus Südkorea und China machen sich auf den Weg, um den Weltmarkt zu erobern. Die gamescom bietet hierfür aufgrund der großen internationalen Reichweite die perfekte Bühne.

Nicht nur andere Branchen, auch andere Messegesellschaften blicken mitunter neidisch auf die gamescom, von ausländischen Events ganz zu schweigen. Wie schwierig ist es, die Messe kontinuierlich weiterzuentwickeln, wenn man weiß, dass man nicht nur von der eigenen Branche, sondern auch vom Mitbewerb genau beobachtet wird?
Die Weiterentwicklung der gamescom ist Teamarbeit. Eine ganz wichtige Rolle spielen hierbei die Aussteller selbst, mit denen wir unter anderem im gamescom-Beirat im ständigen Austausch stehen, um bestmöglich auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Der Austausch mit ihnen, aber vor allem ihr Engagement zur und auf der gamescom sind für den Erfolg mitentscheidend. Gleiches gilt auch für die Community: Was wäre eine gamescom schon ohne Cosplayerinnen und Cosplayer oder die retro area? Ob und inwieweit sich da auch andere Events und Branchen an der gamescom orientieren, spielt bei der Weiterentwicklung für uns keine zentrale Rolle.

Was war Dein ganz persönliches-gamescom Highlight in all den Jahren? Und auf welchen Moment hättest Du vielleicht doch gerne verzichtet?
Die gamescom an sich ist ja ein absolutes Highlight, ich hätte allerdings sehr gut auf die Stage-Crasher in diesem Jahr verzichten können. Am meisten Freude haben mir die Zusammenarbeit mit den Ausstellern und der Austausch mit den Community-Mods auf Discord bereitet.

Debüt 2019: Chris Baur hier mit Robin Hartmann am Bayern-Stand

Weißt Du schon, was nach Deiner Zeit beim game kommt, und darfst Du uns das schon verraten?
Erstmal mache ich Urlaub und verbringe viel Zeit mit der Familie. Es waren sehr intensive Jahre und zu gegebener Zeit gebe ich dann bekannt, was mein nächster Schritt ist.

Was willst Du Deinen zukünftigen Ex-Kolleg:innen beim game und Deinen Partner:innen bei der Koelnmesse sagen bzw. was wünschst Du ihnen für die Zukunft?
Zunächst möchte ich mich auf jeden Fall bedanken. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen bei der Koelnmesse war großartig. Man merkt einfach immer wieder, wie stark dort für die gamescom und ihren Erfolg gebrannt und gearbeitet wird. Das hat jede Menge Spaß gemacht. Ähnliches gilt auch für das game-Team. Ich habe selten einen so starken Teamspirit irgendwo erlebt. Das war wirklich grandios. Insgesamt wünsche ich beiden Teams, dass sie weiterhin so partnerschaftlich, hilfsbereit und innovativ arbeiten wie zuletzt. Also: Nur das Allerbeste und weiterhin viel Erfolg mit der gamescom!

Abschied 2023 Wir trafen Baur am letzten Businesstag zufällig bei Ubisoft mit Carsten Jahn (l.) und Ralf Wirsing (r.)

Und was willst Du Deiner Nachfolgerin bzw. Deinem Nachfolger noch mitgeben?
Es wird eine aufregende Reise und unterwegs gibt es ganz viele groß-artige Menschen zu treffen und kennenzulernen. Wir reden oft über KPIs, Fläche, Tickets und vieles an-dere. Am Ende geht‘s bei der gamescom aber um Menschen, großartige Menschen. Viel Spaß und genieße die vielen einzigartigen gamescom-Momente! Es warten anspruchsvolle Aufgaben. Dabei darf man auch nie aus den Augen verlieren, wie cool es am Ende doch ist, an einem Mega-Event wie der gamescom arbeiten zu können. Ich bin auf jeden Fall sehr froh, damals zugesagt zu haben und wirklich einzigartige Erlebnisse in den vergangenen Jahren gesammelt zu haben.

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Stephan Steininger
Stephan is Editor in Chief
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