Nachschlag: BIU & G.A.M.E. - Zwei sind deutlich weniger als einer!
GamesMarkt-Chefredakteur fragt sich, ob wir mittlerweile in Deutschland mit BIU und G.A.M.E. noch zwei Verbände für die Spielebranche brauchen. Wäre weniger hier nicht mehr?
Nicht nur in Deutschland, auch international beobachten wir gegenwärtig gravierende Veränderungen. Der digitale Shift erschüttert die Grundfesten der analogen Welt und stellt alle gewachsenen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen vor teils riesige Herausforderungen. Die mitunter sehr kontrovers geführten Debatten um den Daten- und Verbraucherschutz, um das Urheberrecht oder auch das Anti-Counterfeiting Trade Agreement, kurz ACTA, um nur einige zu nennen, sind lediglich Ausdruck eines sich vollziehenden Paradigmenwechsels, dessen Stoßrichtung unumkehrbar ist und in sehr vielen Belangen nach Modernisierung schreit.
Derlei komplexe Veränderungsprozesse rufen zuvorderst die Regulierer auf den Plan, denen die Lobbyisten erfahrungsgemäß auf dem Fuße folgen. Schließlich wollen Interessen gewahrt und kompetent vertreten sein. Hier rücken nun BIU - Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware und G.A.M.E. ins Blickfeld, die beiden ersten Adressen, wenn es um die Belange der gesamten deutschen Gamesindustrie und das Erreichen ihrer Ziele geht. Angesichts der beschriebenen Lage stellt sich mir allerdings die Frage: Wieso brauchen wir eigentlich noch zwei Verbände?
So ungewöhnlich ist dieses Verbandsdoppel nun nicht, wenn man mal in die Welt schaut. In vielen anderen Ländern und Märkten finden wir bis heute eine vergleichbare Struktur, was letztendlich in der Historie dieses Zweigs der Kreativwirtschaft begründet liegt. Zu unterschiedlich waren die Interessen von Entwicklern und Publishern ursprünglich, als dass sie in einem Verband hätten gebündelt und sinnvoll vertreten werden können. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Welt, in der wir leben und die Branche ihr Business betreibt, ist eine digitale. Sie stellt es jedem Entwickler theoretisch frei, seine Werke selbst zu publishen und zu vermarkten. Die über Jahre gewachsene strikte Trennung zwischen Kreation und Verwertung ist inzwischen obsolet. Und auch auf Verbandsseite gestaltet sich das Agenda-Setting weitgehend identisch; vor allem bei den Regulierungsthemen ist das evident. Spätestens an diesem Punkt müssen sich BIU und G.A.M.E. die kritische Frage stellen lassen, inwieweit es überhaupt noch sinnvoll ist, sich länger in dieser Doppelhelix zu bewegen.
Zwei in der Sache kooperierende Verbände sind auf dem politischen Parkett- in nationaler und europäischer Perspektive - zwar stark, aber ein Spitzenverband, der mit einer Stimme für die gesamte Industrie spricht, hat ein wesentlich größeres Gewicht. Alle maßgeblichen Weichen werden in naher Zukunft gestellt - hierzulande, in Brüssel oder anderswo! BIU und G.A.M.E. haben es selbst in der Hand, ihren Einfluss maßgeblich zu erhöhen. Frau Roth, Herr Dr. Schenk, werte BIU- und G.A.M.E.-Vorstände und Mitglieder - die Zeit ist reif! Handeln Sie!
Harald Hesse Chefredakteur GamesMarkt