Nokia setzt auf Gameshandel
Im Vorfeld des N-Gage-Launch kam es zu einigen Irritationen in der Handelskommunikation. Insbesondere die Independenthändler zeigten sich darufhin gegenüber der neuen Plattform sehr reserviert. Im Interview mit games.markt schafft Stefan Lampinen, Director Games Europe & Africa Nokia, Klarheit und verspricht dem Gameshandel rosige Aussichten.
Nokias N-Gage ist seit 7. Oktober weltweit auf dem Markt. Die großen Handelsunternehmen versprechen sich von dem ersten tragbaren Spieleterminal eine Belebung des Gamesmarkts. Die mittelständischen Händler bzw. die Kleinstflächen stehen N-Gage dagegen eher abwartend bis skeptisch gegenüber. Moniert wird unter anderem, dass es kein Retourenrecht auf die Software gebe und keinen Lagerwertausgleich im Falle von Preissenkungen, in deren Genuss nur Vertragshändler von Mobilfunkanbietern kommen würden. Was antworten Sie diesen Händlern?
Zunächst einmal lassen Sie mich festhalten, dass die Markteinführung des N-Gage der erste weltweite Launch einer Plattform in der Geschichte der Gamesindustrie ist. Allein diese Tatsache ist als ein unmissverständliches Statement von Nokia an die Adresse der Branche zu verstehen. Es unterstreicht die Ernsthaftigkeit unserer Ambitionen und wird den Handheldmarkt neu beleben. Und zum Thema Distribution: Es war zu keinem Zeitpunkt unser Ziel, während der ersten Monate nach Launch des N-Gage eine volle Distributionsbreite zu erreichen. Tatsächlich arbeiten wir in der Startphase mit einer geringeren Abdeckung, als es möglich wäre. Diese wird aber bis Weihnachten systematisch ausgebaut werden.
Warum beschränkt sich Nokia in der Startphase bei der Coverage?
Zur Person
Stefan Lampinen ist seit Mitte des Jahres Director Games Europe & Africa Region bei Nokia Mobile Phones. Er verantwortet das N-Gage-Geschäft in Europa und Afrika und erfüllt vorrangig strategische Aufgaben, wie die Weiterentwicklung der Vertriebsstrukturen. Vor seinem Wechsel zu Nokia war Lampinen in leitenden Positionen für Electronic Arts tätig, unter anderem als Managing Director der Regionen Nordic und Central Europe sowie als Vice President European Sales.
Weil hinter N-Gage ein völlig neues Businessmodell steht, mit dem wir u.a. zum ersten Mal die Operators, also die Mobilfunknetzbetreiber, ins Spiel bringen. Außerdem betreten der Telekommunikations- und der Games-Channel mit N-Gage ein absolutes Neuland, das beide Kanäle erst nach und nach kennenlernen werden. Deshalb setzen wir anfangs auch verstärkt auf den Kanal, den Nokia und der Nokia seit Jahren kennt, um dort die Hardware zu verkaufen. Wenn die Hardwarebasis dann in einem ausreichenden Maße vorhanden ist, erwarten wir, dass auch der Gameshandel erfolgreich N-Gage-Spiele verkaufen wird. Das dürfte bereits in diesem Weihnachtsgeschäft der Fall sein. Bis dahin wissen wir auch mehr darüber, wie das Produkt vom Endverbraucher angenommen wird, und können gegebenenfalls unsererseits ein Feintuning vornehmen. Ausdrücklich an die Adresse des Independenthandels sei jedoch gesagt, dass wir zum Start des N-Gage bewusst keine breite Distribution im Independent-Gameshandel angestrebt haben. Der Grund ist simpel. Im Unterschied zu existierenden Hardwareplattformen folgt das Pricing in diesem Segment anderen Gesetzen. So müssen auch wir abwarten, wie die Operators mit der N-Gage-Hardware umgehen, welchen Preispunkt sie dafür setzen. Diese Entscheidung liegt ausschließlich bei den Operators, Nokia hat darauf keinen Einfluss. Deshalb haben wir uns beim Gameschannel auch stärker auf die Gamingsoftware fokussiert. Denn die Margenstrukturen bei der Software sind durchaus vergleichbar mit der üblichen Spielesoftware.
Moniert wurden seitens des Independenthandels insbesondere die allgemeinen Rahmenbedingungen: das Retourenrecht, Kompensationen bei eventuellen Preissenkungen etc.
Ich räume ein, dass es in der Kommunikation mit einem Distributor gewisse Missverständnisse gab. Die sind aber inzwischen geklärt. Unser Businessmodell sieht vor, dass wir unsere Games über den Distributor an den Handel verkaufen. Alle weiteren Aufgaben obliegen unseren Distributionspartnern NBG und Brightpoint:vom individuellen Feintuning bis zum Aushandeln der Konditionen. Selbstverständlich werden auch wir unseren Distributor unterstützen, wenn sich beispielsweise ein Game anders als erwartet nicht marktweit verkaufen sollte. Und zur Kompensation: Wir sind nicht so naiv, zu glauben, dass wir mit unserem Produkt die gesamte Spielebranche verändern werden. Es gibt in der Gamesindustrie eine Tradition, die besagt, dass in dem Fall, wenn Spiele im Vertriebskanal sind und der Publisher den Preis senkt, der Channel eine Kompensation erhält. So und nicht anders werden auch wir verfahren. Kurzum: Ich gehe davon aus, dass spätestens Ende Oktober, Anfang November auch die letzten Unklarheiten beseitigt sein werden und jeder bestens über die Rahmenbedingungen informiert ist und weiß, woran er ist.
Nun wenden die Independent-Gameshändler ein, dass Software überwiegend da gekauft wird, wo es die Hardware gibt. Sie fürchten also, dass das N-Gage-Geschäft komplett an ihnen vorbeilaufen könnte.
Ich kenne diesen Einwand sehr wohl. Nun, die Handyshops verstehen sich sehr gut darauf, Nokia-Produkte und Mobiltelefone zu verkaufen, aber sie haben nicht annähernd die Kompetenz, auch Games zu verkaufen. Deshalb nehmen die Telekommunikationsshops europaweit auch sehr viel N-Gage-Hardware ins Sortiment auf, bei der Gamingsoftware halten sie sich dagegen eher zurück. Vielmehr findet das Softwaregeschäft überwiegend über den Spielehandel statt. Ich denke, dass der Gameshandel, einschließlich der Independents, bereits nach wenigen Wochen oder Monaten gelernt hat, mit der Gamingsoftware fürs N-Gage umzugehen, und schon die eine oder andere Kooperation mit einem vor Ort ansässigen Handyshopbetreiber eingegangen sein wird. Hier gibt es durchaus sehr interessante Ansätze, von denen beide Channels profitieren könnten.
Der Preis für die N-Gage-Spiele bewegt sich zwischen 39 und 49 Euro. Damit liegt er in etwa auf dem Niveau der GBA-Software. Es gibt Stimmen, die diesen Preis für zu hoch halten.
Während wir den Preispunkt für die Hardware nicht bestimmen können, weil er komplett in Händen der Operators liegt, verfügt die Software über ein stabiles Preisgefüge. Als wir den aktuellen Retailpreis definiert haben, hatten wir das jeweilige Spiel und seine Qualität vor Augen. Mehr noch: Im Unterschied zu den Wettbewerberprodukten werden unsere Spiele in Zukunft Extrafeatures wie Minigames innerhalb eines Spiels oder diverse Onlinesheets bieten, die einzigartig sind. Oder denken Sie an die Bluetooth-Option und welche weiteren Möglichkeiten das N-Gage dem User noch bietet. Nein, die Erfahrungen unserer Branche zeigen, dass der Consumer immer dann bereit ist, für Content zu zahlen, wenn dieser sehr gut ist. "Anno" ist ein klassisches Beispiel für ein sehr teures Produkt, das sich aufgrund seines ausgezeichneten Inhalts sehr gut verkauft hat. Und die N-Gage-Software ist hervorragend. Deshalb würde ich mir über den Preispunkt und das Verkaufspotenzial der Software keine all zu großen Gedanken oder Sorgen machen.
Der Erfolg oder Misserfolg einer neuen Plattform steht und fällt mit der Unterstützung der Third-Party-Publisher. Zum N-Gage-Start liegt ja ein ganz ordentliches Line-up vor. Den Support von der Ubisoft-Tochter Gameloft, von Electronic Arts, Atari, Eidos, Activision, THQ und Avalon Interactive hat Nokia bereits. Wie sieht es mit weiteren Playern aus?
Wir führen derzeit Gespräche mit weiteren potenziellen Partnern und gehen davon aus, dass wir bis Weihnachten 16 N-Gage-Titel anbieten können. Auf jeden Fall werden wir noch viele sehr interessante und innovative Produkte veröffentlichen. Im November werden wir mehr zu unserer langfristigen Produktstrategie sagen können.
Eine typologische Frage zum Schluss: Bezeichnen Sie N-Gage eher als Handy oder als Handheld?
N-Gage ist eine Game-Machine.