Unity hat mit der Ankündigung einer neuen Fee auf Installs die globale Spieleentwickerszene vor den Kopf gestoßen. Schließlich bricht das Unternehmen auf der Suche nach Umsatz mit eigenen Prinzipien und gemachten Versprechen. Das Vertrauen ist weg. Ist das der Anfang vom Ende Unitys?

Die Ankündigung von Unity zum 1. Januar 2024 eine vollkommen neue Gebühr auf Installs erheben zu wollen, bringt Spieleentwickler:innen weltweit auf die Barrikaden. Denn so beiläufig die Ankündigung in Form eines kurzen Blogbeitrags erfolgte, so folgenreich ist sie für die globale Community an Spieleentwickler:innen. Die sozialen Medien füllen sich mit wütenden Kommentaren, die erahnen lassen, dass Unity hier offenbar ziemlich unabgesprochen einen tiefgreifenden Eingriff in das Geschäft seiner Kunden vornimmt, deren Konsequenzen man offenbar nicht oder nicht genug durchdacht hat.

Kritik hagelt es aus verschiedenen Gründen und sie haben alle ihre Berechtigung. Da wäre zum einen die Höhe der Gebühr selbst. Sie bewegt sich in einer erstaunlichen Bandbreite von 0,5 US-Cent bis 20 US-Cent pro installiertem Spiel. Der Preis ist abhängig vom Abonnement, das ein Team nutzt, und von der Anzahl bestehenden Installs. Unity zieht zwar eine Mindestgrenze an Umsatz und Installs, bis zu der überhaupt keine Gebühren fällig werden, und verkauft diese als Maßnahme, durch die nur ein geringer Teil der Studios überhaupt zur Kasse gebeten werde, doch das ist mehr Wunschdenken als Realität.

Wie weit Unity hier mit seiner Idee am Markt vorbei agiert, zeigt die Bandbreite an Fragen, die Entwickler:innen in den sozialen Medien und vor allem im Forum von Unity selbst posteten. So wurde gefragt, ob die Gebühr auch bei Installs von Demos fällig wäre, bei Rabattaktionen und Bundles oder im Rahmen von Abonnements. Demos wären auf einen Schlag zu teuer, die Teilnahme an Aktionen wie Steam Sales oder dem Humble Bundle würden sich nicht mehr lohnen, ebenso wenig eine Vermarktung im Rahmen von Abonnmenets wie dem Microsoft Game Pass oder Netflix. Unity ruderte zwar in einigen Punkten zurück, trotzdem sind seit der Ankündigung mehr Fragen offen, als geklärt, und mit jeder Antwort kommen gefühlt zwei neue Fragen hinzu.

Dabei geht es hier zum Teil um die Existenz ganzer Genres: Hyper Casual Games beispielsweise, die auf Aber-Millionen-Installs abziehen, weil nur ein marginaler Bruchteil der Spieler:innen Geld ausgibt, könnten zum Verlustgeschäft werden. Kleine und mittelgroße Teams, welche sich nur die günstigen Abonnements von Unity leisten können, sind hingegen mit den höchsten Gebühren konfrontiert, weil Unity das neue Pricing ganz offensichtlich zum Upselling seiner Produkte einsetzt.

Ein weiterer Punkt, den Unity nicht bedacht hat: durch die Erhebung von Gebühren pro Install könnte jedes Studio eines Free-to-play-Unity-Games absichtlich in den Ruin getrieben werden, indem User:innen selbst oder über Bots Versionen herunterladen, installieren, löschen und wieder von vorne anfangen. Es wäre die Steigerung des sogenannten Review-Bombings. Das ist schon heute Alltag und zwar nicht nur aus vermeintlich selbst verschuldeten Gründen, wenn es sich ein Studio durch Gameplay- oder Monetarisierungsentscheidungen mit der eigenen Community verscherzt. Gerade rechte Gaming-Gruppierungen gehen auf diese Weise auch gegen Teams vor, die sich für Frauen, marginalisierte Gruppen oder andere Themen engagieren, die sie für "woke" erachten.

Unity war zwar auch in diesem Punkt bemüht, schnell zurückzurudern und versprach, in solchen Fällen keine Gebühren erheben zu wollen, doch wie genau das funktionieren soll, weiß niemand. Ohnehin steht die ganz große Frage im Raum, wie Unity datenschutzkonform feststellen will, wie viele Einheiten von einem Spiel installiert wurden, wie viele neue Installs Erstinstallationen sind und was passiert, wenn ein User sein Spiel auf einem zweiten oder dritten Gerät installiert. Andere Fragen zielen in die Richtung, ob Netto- oder Brutto-Umsätze zur Feststellung der Mindestgrenze bewertet werden, ob es um Umsätze vor oder nach Abzug der Store-Gebühren geht, ob mit Distributionspartner der Publisher oder der Plattformpartner gemeint ist, und und und.

Die Liste der Fragen ist schier endlos. Und sie unterstreicht, dass Unity das Pricing nicht bis zum Ende durchdacht hat. Zumal der wichtigste Kritikpunkt noch gar nicht angesprochen ist. Das Pricing soll auch für Spiele gelten, die schon vor Einführung auf dem Markt waren. Der niederländische Indie Rami Ismail bringt die Kritik auf X (vormals Twitter) sehr treffend auf den Punkt: "Unity sollte nicht in der Lage sein, Terms & Conditions nachträglich zu ändern für Produkte und Verkäufe, die schon gemacht bzw. erzielt wurden".

Das Studio Massive Monster twitterte deshalb, dass man das preisgekrönte Spiel "Cult of the Lamb" doch am besten jetzt kaufen und spielen soll, weil man es am 1. Januar löschen werde. Und Publisher Devolver Digital rät Entwickler:innen dazu, bei künftigen Pitches mit anzugeben, welche Engine sie für die Entwicklung verwenden. Das sei eine wichtige Information.

Solche Kommentare, mögen sie auch nicht ganz ernst gemeint sein, zeigen Unitys vermutlich größtes Problem: Der Blogpost mit dem neuen Pricing hat zu einem massiven Vertrauensverlust bei Entwickler:innen weltweit geführt. Tatsächlich trat Unity einst mit der Vision an, die Spieleentwicklung zu demokratisieren. Unity war stets bemüht, sich als Partner, Pate und Botschafter gerade auch der kleineren Studios und insbesondere im Mobile-Bereich zu positionieren. Diese Wurzeln des Konzerns hat Unity mit der jüngsten Aktion endgültig hinter sich gelassen.

Nicht wenige Teams denken offen darüber nach, ob man bei künftigen Projekten Unity als Engine noch einsetzen soll. Denn selbst wenn der Konzern zurückrudert und die "Runtime Fee" massiv anpasst, der Einsatz von Unity ist finanziell unzuverlässig und damit unplanbar geworden. Und das ist Gift für Finanzierungspläne.

So gesehen ist es durchaus möglich, dass Unity mit der geplanten Einführung der "Runtime Fees" zu einer massiven Abwanderung der Dev-Community zu anderen Engines oder zum Bau eigener Engines animiert hat und am Ende statt nach einer Goldader sein eigenes Grab gegraben hat.

Doch für diesen Schluss ist es wahrlich zu früh. Denn wie wir aus Gesprächen mit deutschen Studios erfahren haben, haben diese von Unity bislang noch nichts Belastbares bekommen, was ihre vertraglichen Beziehungen angeht. Und selbst wenn in den nächsten Tagen entsprechende Vertragsänderungen kommen, bleibt immer noch abzuwarten, ob diese einer juristischen Prüfung standhalten, die es mit ziemlicher Sicherheit geben wird. Im Moment ist der Blogpost für Unity vor allem eines: ein PR-Debakel.

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Stephan Steininger
Stephan is Editor in Chief
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