In Deutschland braucht es ein Verständnis, was eSports überhaupt ist. Der ESBD fungiert hier als Sprachrohr. Hans Jagnow spricht über die Entwicklung, Anerkennung und das problematische Verhalten des DOSB gegenüber dem eSport.

GamesMarkt: Den ESBD gibt es dieses Jahr im November seit zwei Jahren. Was konnte der Bund in diesem Zeitraum für den eSport tun?

Hans Jagnow: Mit der Gründung des ESBD haben wir dem eSport in Deutschland eine einheitliche Stimme gegeben. Die wachsenden Mitgliedszahlen belegen das Interesse, den eSport in Deutschland aktiv mitzugestalten.

Der ESBD dient auch als Plattform für die gemeinsame Weiterentwicklung des eSport. Mit unserer Trainerausbildung setzen wir wichtige Standards und steigern das Niveau im eSport wissenschaftlich fundiert und von Experten durchgeführt. Damit tragen wir der zunehmenden Professionalisierung des eSport in Deutschland Rechnung und berücksichtigen insbesondere Aspekte wie Vermittlungs- und Sozialkompetenz sowie Jugendschutz und Spielzeiteinteilung. Unser gesellschaftliches Engagement spiegelt sich in unseren Verbandsstrukturen wider: So haben wir den Ausschuss "Frauen im eSport" im ESBD ins Leben gerufen. Auf internationaler Ebene streben wir die Gründung eines europäischen Dachverbandes an. Dabei wollen wir eSportlerinnen und eSportler auf internationaler Ebene vereinigen und Synergien schaffen.

Was hat die Politik im Allgemeinen bisher geleistet für den eSport?

Wir nehmen ein ungebrochenes Interesse und eine erhöhte Diskussionsbereitschaft für den eSport sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene wahr. Viele politische Akteure stehen aber unter großem Druck des Widerstands von Funktionären anderer Sportverbände. Das läuft zum Teil jenseits aller Sachlichkeit, aber wird längst von den Entwicklungen in der Praxis überholt. Der ESBD wird sich weiterhin mit progressiven Akteuren aus Sport und Politik vernetzen, um Vereinen, Teams und Veranstaltern Handlungssicherheit zu ermöglichen. Die Gemeinnützigkeit für die Vereine über den Weg der Jugendhilfe zu gehen, wie jüngst in Hamburg, schafft dringend benötige Freiräume. Klar ist aber, dass bundesweite Lösungen gebraucht werden. Darum setzt sich der ESBD für die vollständige Anerkennung des eSport als eigene Sportart ein so wie es die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Die Anerkennung von eSport als sportliche Darbietung für Kurzzeiteinreisen und Turnieraufenthalte im Visa-Recht ist ein erster Schritt. Damit ist es aber noch lange nicht getan: Wir fordern die vollständige Umsetzung der rechtlichen Gleichstellung des eSport zu traditionellen Sportarten. An ihren Zusagen im Koalitionsvertrag muss sich die Bundesregierung messen lassen.

Wie sehen Sie die aktuelle politische Diskussion und das Vorgehen im Hinblick auf die Entwicklung des eSports?

Die entsprechende Passage im Koalitionsvertrag empfanden wir als ein wichtiges Bekenntnis zum eSport. Umso größer war die Ernüchterung, als das Versprechen zur Anerkennung des eSport nur minimal vorangebracht wurde. Wir sehen allerdings nach wie vor ein parteiübergreifendes Interesse am eSport. Aus der Bundespolitik braucht es jetzt dringend Maßnahmen, um den eSport in Deutschland zu fördern. Dabei geht es vor allem um die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit von eSport-Angeboten in Vereinen. Durch eine solche konkrete Erleichterung und insbesondere die in Ihnen engagierten Personen - denn die steuerliche Privilegierung umfasst vor allem über den Spendenabsatz und die Übungsleiter- und Ehrenamtspauschalen die Ehrenamtler selbst - schaffen wir eine gesunde und aktive Breitensportstruktur im eSport, die für Begegnung, Betreuung, Kompetenz und Nachwuchsförderung steht.

Der DOSB rückte bisher nicht von seiner Meinung ab, eSport als Sport zu bezeichnen, da er das Wort Sport in diesem Kontext als "irreführend" ansieht und nennt es lieber eGaming. Was bedeutet das für den eSport in Deutschland?

eSport ist nach gängigen Merkmalen und im Vergleich zu anderen etablierten Sportarten ohne Weiteres in den Sportkanon aufzunehmen. Selbst große Mitgliedsverbände wie der DFB spielen inzwischen Nationalspiele im fußballbezogenen eSport aus. Da spricht niemand von eGaming und das hat auch nicht viel mit Jugendarbeit zu tun. eSport wird zur sportlichen Realität, das ändern auch konstruierte Begriffe nicht. Der DOSB vertritt ein Bauchgefühl, dass keiner wissenschaftlichen oder praktischen Überprüfung standhält. Viel problematischer ist allerdings, dass er seinen eigenen Vereinen dabei Steine in den Weg legt und sie blockiert. Damit stellen sich Teile des Sports auf Bundesebene selbst an die Seitenlinie und rufen unqualifizierte Kommentare aufs Spielfeld.

Warum ist es so wichtig einen einheitlichen Begriff zu finden?

Der Begriff eSport spiegelt das Selbstverständnis und den Anspruch der Menschen wider, die sich privat, beruflich, im Amateur- oder Profibereich damit befassen. Wir reden von einer Bewegung, die allein in Deutschland drei bis vier Millionen Menschen umfasst und die sich selbst unter dem Begriff eSport identifizieren. Jeder Versuch der Umdeutung stärkt diese Identifikation der Community nur noch weiter. So nahe waren sich Spielerinnen und Spieler schon lange nicht mehr. Und auch auf fachlicher Ebene und in der Wissenschaft ist eSport schon seit über einem Jahrzehnt gesetzt. Gerade in der Wissenschaft ist es wichtig, mit normierenden Begriffen zu arbeiten, um die Vergleichbarkeit der Erkenntnisse zu garantieren.

Besteht für Deutschland die Möglichkeit, in Zukunft auch auf internationalem Niveau mitzuhalten?

Wir haben hervorragende Spielerinnen und Spieler, herausragende Trainer und Coaches. Und wir haben sehr viel Potential in Deutschland, viele Menschen spielen inzwischen Videospiele. Die Frage ist doch: Wie können wir die Potentiale aktivieren und nachhaltig fördern? Unsere Nachbarn Dänemark und Polen sind uns da weit voraus, ganz zu schweigen von den USA oder Südkorea. Wenn wir da mithalten wollen und unsere Chancen nutzen, dann muss nach vorne und nicht nach hinten geschaut werden. Wir möchten deutschen Athletinnen und Athleten auch im eSport die Weltspitze ermöglichen. Dafür brauchen wir sachgerechte und kluge Rahmenbedingungen.

Was fehlt Deutschland, um zu einem guten eSport-Standort zu werden?

Wir brauchen eine abgestimmte Strategie und einen nachhaltigen Austausch über alle Ebenen hinweg. Dänemark macht es gerade vor: Dort wird eine nationale eSport-Strategie mit allen Akteuren zusammen erarbeitet. Dafür sollten wir uns auch in Deutschland stark machen, um Themen wie Gemeinnützigkeit sachgerecht und kompetent umzusetzen und korrespondiere Maßnahmen zu erarbeiten. Dafür braucht es aber auch in der Bundesregierung eine klare Verantwortung für den gesamten eSport.

Könnte die eSport-Branche nicht auch ein potenzieller Arbeitsmarkt sein?

Das ist sie schon längst. Wir haben stark wachsende Unternehmen im eSport. Inzwischen haben auch einige Teams eine beeindruckende Anzahl an Mitarbeitern, die ihre Spieler unterstützen. Die Vermischung aus den Feldern Games, Sport und Medien macht den eSport und das ihn umgebende Ökosystem hochspannend. Nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Gründer. Start-Ups und wachsende Unternehmen sollten da im Fokus von Förderungen stehen - insbesondere auch, weil es hier oft nicht um klassische Technologieförderung geht. Wenn man die Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützen will, sollten sich die Standorte darum verstärkt bemühen.

Nadine Seibold

Share this post

Written by

Astragon Launched Seafarer: The Ship Sim in Early Access
The name says it all: Seafarer: The Ship Sim © astragon Entertainment

Astragon Launched Seafarer: The Ship Sim in Early Access

By Marcel Kleffmann 2 min read