Ernst & Young: Deutsche Start-ups erhalten weniger Risikokapital
9,9 Milliarden Euro Risikokapital konnten deutsche Start-ups 2022 laut der Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) einsammeln. Das ist zwar noch immer der zweitbeste Wert seit Beobachtungsbeginn, aber ein Rückgang von 42 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders hart trifft es die Standorte Berlin und Bayern.
Dass bei Risikokapitalgebern der Euro für deutschen Start-ups weit weniger locker sitzt, als der Dollar bei US-Start-ups ist kein Geheimnis. 2021 erlebte die Szene dennoch einen Boom, der jedoch 2022 schon wieder einen großen Dämpfer erhielt. So lassen sich die Beobachtungen von EY zusammenfassen, die das Beratungsunternehmen jetzt vorlegte. EY beziffert das Volumen investierten Wagniskapitals in deutsche Start-ups auf 9,9 Milliarden Euro im Jahr 2022. Es ist ein Rückgang von 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr, auch wenn es der zweithöchste Wert ist, den EY jemals für die deutsche Start-up-Szene ermittelt hat. EY erhebt diese Daten seit 2015. Insgesamt registrierte EY im Jahr 2022 1008 Abschlüsse. Im Vorjahr waren es 1160. Die Zahl der Deals sank also weniger stark, als das Volumen. Folgerichtig gab es vor allem bei Investitionen in einer Größenordnung von über 50 Mio. Euro einen deutlichen Rückgang und zwar von 72 auf 37. Gestiegen ist hingegen die Zahl der Abschlüsse zwischen fünf und 50 Millionen Euro und zwar von 228 auf 246 im vergangenen Jahr.
„Es wird weiter investiert – wenn auch weniger und unter anderen Voraussetzungen. Denn was sich verändert hat, sind die Rahmenbedingungen: Angesichts steigender Kapitalkosten und sinkender Bewertungen achten Investoren mehr auf Rentabilität als auf langfristige Wachstumsversprechen. Jungunternehmen sind gefordert, sich darauf einzustellen und einen klaren Weg zur Profitabilität aufzuzeigen“, sagt Dr. Thomas Prüver, Partner bei EY.
Auch wenn sich der Gesamtrückgang durch alle Branchen und Standorte zieht ermittelt EY bei den Beobachtungen doch auch erhebliche Unterschiede. So sei Berlin mit einem Anteil von 4,9 Milliarden Euro, die eingesammelt wurden, noch immer die Start-up-Hauptstadt der Bundesrepublik, gegenüber 2021 hat sich der Wert jedoch mehr als halbiert. Auch in Bayern hat das Volumen von 4,4 Milliarden Euro 2021 auf 2,4 Milliarden Euro stark abgenommen. Die Plätze drei und vier belegen Baden-Württemberg mit 646 Millionen Euro und Hamburg mit 547 Millionen Euro. Beide konnten im Jahresvergleich sogar zulegen, sagt EY. Dass gerade in Berlin Katerstimmung herrscht, hängt indes auch mit den dort stark vertretenen Unternehmen aus den Bereichen FinTech/InsurTech sowie E-Commerce zusammen. In beiden Segmenten ging die Bereitstellung von Risikokapital überdurchschnittlich stark zurück. Bei FinTech/InsurTech registrierte EY ein Minus von 65 Prozent, bei E-Commerce sogar ein Minus von 83 Prozent. Der größte Sektor ist der Bereich Software & Analytics, zu dem auch Gamesfirmen gehören, die jedoch nicht separat ausgewiesen werden. Hier wurden 2022 insgesamt 3,2 Milliarden Euro investiert. 2021 waren es noch 3,6 Milliarden Euro.