Es ist nicht alles BIU-Gold, was glänzt
Spätestens der kleine Lapsus bei den BIU Sales Awards im April offenbarte, dass dieser Preis durch veränderte Marktrealitäten an systemimmanenten Problemen laboriert. Die Modifikationen der Vergabekriterien im letzten Herbst waren eher Verschlimmbesserungen, findet GamesMarkt-Redakteur Daniel Raumer.
Einmal im Monat vergibt der BIU seinen Sales Award. Das macht er , und eigentlich ist das Prozedere denkbar einfach: Für 100.000 verkaufte Exemplare eines Spiels im deutschen Markt auf einer Plattform wird der BIU Gold Award ausgelobt, ab 200.000 verkauften Einheiten gibt es den BIU Platin Award. Die höchste Auszeichnung stellt der BIU Sonderpreis dar, der vergeben wird, wenn mindestens 500.000 Exemplare für ein System abgesetzt wurden. Die Berechnung basiert laut Reglement auf den aus dem Einzelhandel an die GfK gemeldeten Absatzzahlen.
Doppelpreis für "GTA V"?
Die Abläufe des BIU Sales Award sind routiniert, bieten daher normalerweise wenig Anlass zu erhöhter Wachsamkeit; nicht anders, als die Pressemeldung über die einging. Neben ein paar Gold- und Platintrophäen gab's diesmal auch einen Sonderpreis für die PlayStation-4-Version von "Grand Theft Auto V". Eigentlich keine große Überraschung, oder? Und ob! Denn exakt die gleiche Trophäe hatte das Open-World-Spiel für der PS4-Ausgabe bereits erhalten. Weder ein Abgleich der alten Pressemeldungen, noch ein Anruf bei der Pressestelle des BIU bringen zunächst Licht ins Dunkel, warum das Spiel denn nun erneut ausgezeichnet werden sollte.
Des Rätsels Lösung verbirgt sich im unscheinbaren Zusatz "inkl. Digitalverkäufe", mit dem der BIU den ersten Sonderpreis für "GTA V" wenige Monate zuvor versehen hatte. Weil aber ausschließlich physisch vertriebene Datenträgerware schon längst nicht mehr der Marktrealität entspricht, insbesondere seit Einführung der Xbox One und PlayStation 4, bezieht der Verband - aufgepasst! - in manchen Fällen auch Digitalverkäufe in seine Berechnung mit ein. Im Februar-Fall bedurfte es für "GTA V" also noch der PSN-Downloads, um den Titel über die 500.000er Verkaufsmarke zu hieven. Gut drei Monate später waren dann ausreichend Silberscheiben verkauft, dass es auch so für den Sonderpreis reichte.
Es ist reichlich inkonsequent vom BIU, den gleichen Sales-Award für dasselbe Produkt einfach ein zweites Mal zu verleihen, als ob nichts geschehen sei. Entweder zählen Downloads immer zu den Verkaufszahlen - oder eben nicht. Doch genau da liegt der Hase im Pfeffer! Die Digitalverkäufe werden gar nicht von neutraler Stelle erhoben, sondern dürfen vom Publisher selbst gemeldet werden. Kontrollieren kann das niemand. Keiner der Plattformhalter nennt Verkaufszahlen für seine Digitalstores, Steam schweigt diesbezüglich ebenfalls wie ein Grab.
Tür und Tor für Manipulationen geöffnet
Natürlich will ich hier niemanden Unredlichkeit unterstellen, aber kleinen Manipulationen öffnet dieses Gebahren Tür und Tor. Und wenn man als Publisher eben nur ein paar 10.000 Downloads an den BIU meldet, um sein Produkt einen Monat früher über die relevante Sales-Marke zu schubsen. Nun ist ein BIU-Award keine kriegsentscheidende Auszeichnung für ein Spiel beim Konsumenten, sondern eher ein netter Blickfang im Meeting-Raum der deutschen Publisher-Niederlassung oder für die grenzüberschreitende interne Kommunikation. Trotzdem steht ein auf diese Weise intransparenter Preis einem seriösen Branchenverband nicht gut zu Gesicht. Und von alleine wird sich das Problem auch nicht verflüchtigen, im Gegenteil, der Anteil digitaler Distribution wird mit Sicherheit zunehmen. Spätestens dann stellt sich jedoch die Frage, ob ein Award, der salopp gesprochen, ohne jegliche Möglichkeit der Überprüfung beim Verband "bestellt" werden kann, überhaupt noch eine Daseinsberechtigung hat.
Die bemerkenswerte Doppelverleihung für "GTA V" könnte jetzt der Anlass für den BIU sein, auf Microsoft und Sony - beides wohlgemerkt BIU-Mitglieder - einzuwirken, um für mehr Transparenz und am Ende mehr Glaubwürdigkeit der Branche auch in Berlin zu sorgen. Natürlich freute sich auch die Fach- und Wirtschaftspresse über verlässliche Marktdaten - gänzlich uneigennützig, aber das versteht sich ja von selbst.