Früher war nix besser!
Games Convention, Messebabes und echte Kerle im Stripclub - andernorts weint man den alten Leipziger Tagen auf schmerzhaft rückständige Art nach. Das ist keine Nostalgie, das ist peinlicher Anachronismus! Früher war nix besser, findet GamesMarkt-Redakteur Daniel Raumer.
Über die gute alte Zeit der Games Convention in Leipzig zu schwärmen, ist ja mittlerweile feste Branchenfolklore geworden, und die wird auch in diesen Tagen während der gamescom in Köln sicherlich wieder ausgiebig praktiziert. Nun spricht auch absolut nichts dagegen, die Leipziger Tage in guter Erinnerung zu halten und den Verdienst der Organisatoren zu würdigen, die eine Messe von Weltrang in Deutschland aufbauten.
Aber es sollte nicht vergessen werden, dass der Messestandort in der Sachsen-Metropole zuletzt auch merkliche Probleme brachte: Fachpublikum musste oft auf Hotels in umliegenden Städten wie Halle oder Naumburg ausweichen. Zufahrtsstraßen waren schon frühmorgens hoffnungslos verstopft und die Trambahn näherte sich stellenweise nur im Schritttempo dem Messegelände. Dass Köln als Standort zweifelsohne besser für den Ansturm der Massen gerüstet ist, lässt sich auch durch die dicke Nostalgiebrille nicht leugnen. Aber darum geht's manchen gar nicht.
In anderen Publikationen liest man zuweilen Kolumnen, dass die Games Convention auch durch ihre unangepasste Art gefiel: Branchenumtrunke endeten bisweilen schon im Stripclub, Horden von knapp bekleideten Messebabes bezirzten die Standbesucher und die Qualität von Spielen wurden noch an der Größe der Oberweite ihrer Protagonistinnen bemessen. Sie lesen richtig, solch archaisches Geseier wird mancherorts völlig ironiefrei für schreibenswert und - viel schlimmer - für druckenswert erachtet.
Der Tatsache, dass Gamesmessen keine Manifestation eines feuchten Pubertierendentraums mehr sind, wird nachgetrauert. Nebendran präsentiert man(n) sich noch mit einem Erotiksternchen auf einem Foto und hält das ernsthaft für seriöses Geschäftsgebaren. Insgeheim, so der Subtext, wünscht man sich auch in der Industrie die "guten alten" Machozeiten zurück, als Männer sich auf der Games Convention noch wie entfesselte Halbstarke aufführen durften. Nur zugeben traue sich das angeblich öffentlich keiner.
Ich für meinen Teil bin froh, dass sich die Zeiten ändern. Dass die gamescom längst keine Messe mehr für ein mehrheitlich männliches Publikum ist - weder für Fachpublikum, noch für Konsumenten. Jedermann kann sich hier willkommen fühlen; das gilt auch für weibliche Branchenmitglieder, deren Anteil Gott sei Dank beständig wächst und die sich nicht mehr einem alteingesessenen Old-Boys-Club gegenüber sieht, der die großen Deals feucht-fröhlich im Stripclub einfädelt. Eine Entwicklung, die für andere wie ein tragischer Verlust erscheint, den es zu beweinen gilt. Ich hingegen betrachte sie als Zeichen von Professionalisierung und Progression. "Früher war alles besser" muss nur sagen, wer heute nix mehr zu melden hat.
In diesem Sinne: Behalten Sie die Games Convention in guter Erinnerung, und tauschen Sie gerne alte Geschichten aus, aber wenden Sie den Blick nach vorne. Ich wünschen Ihnen im Namen der GamesMarkt-Redaktion viel Spaß in Köln und eine erfolgreiche Messe!
Daniel Raumer