Jahrelang hat Dr. Malte Behrmann verbandspolitisch für die deutsche und europäische Gamesindustrie gekämpft. Jetzt will er sich auf seine Anwaltstätigkeit und die neue Aufgabe als Professor an der Berliner bbw Hochschule konzentrieren. Im Interview mit GamesMarkt zieht er das Fazit seines politischen Engagements für G.A.M.E. und EGDF. Darin äußert er sich auch zur aktuellen Fusionsdebatte - in gewohnt deutlicher Manier.

Herr Behrmann, oder muss ich jetzt Herr Professor Behrmann sagen? Das können Sie gerne. In der Tat bin ich seit dem 1. Oktober dieses Jahres Professor. Die bbw Hochschule ist seit sieben Jahren eine private FH. Dort habe ich eine halbe Stelle im Bereich "Entrepreneurship" angetreten. Ich unterrichte zur Zeit Medienwirtschaft und internationale Wirtschaftskommunikation.

Aber Sie sind doch Jurist? In der Tat werde ich auch Jura-Kurse geben. Aber da ich auch einen französischen Management-Abschluss habe, bin ich dort breiter aufgestellt worden. Ich unterrichte ja seit vielen Jahren die Producer in der Games Academy und auch in Frankreich an einer Universität. Ich habe über die Jahre viele Talente gesehen, und es macht mir große Freude Ihren Parcours weiter zu verfolgen. Der eine oder andere hat einige meiner Hinweise beherzigt und ist sehr erfolgreich geworden.

Und die Politik? Bleibt dafür noch Zeit? Ich habe als Konsequenz meiner neuen Aufgabe in der Tat die Position der Geschäftführung des EGDF nach Finnland abgegeben, denn meiner Anwaltstätigkeit gehe ich ja auch noch nach. Aber ich werde dem EGDF - in einem zeitlich begrenzten Umfang - weiterhin zur Verfügung stehen. Das geht auch gar nicht anders, denn Politik in Europa geht ja viel langsamer vor sich. Da braucht man Jahre, um überhaupt die Kontakte aufzubauen. Aber für mich ist diese Arbeit immer eine auf Zeit gewesen. Ich habe meinen Nachfolger Jari-Pekka Kaleva jahrelang eingearbeitet. Übrigens sind die Finnen Zurzeit auch einfach am erfolgreichsten. Das hat auch mit einer sehr guten nationalen Verbandspolitik zu tun. So was wie den BIU gibt es z.B. in Finnland gar nicht mehr, dessen Mitglieder werden jetzt aus Schweden betreut.

Spielten denn keinerlei politische Gründe bei Ihrer Entscheidung eine Rolle, Herr Behrmann? Sagen wir mal so, es ist der richtige Zeitpunkt. In 2013 waren wir mit dem EGDF in Europa so erfolgreich wie nie zuvor. Das wirkt sich allerdings erst verspätet aus. Uns ist es jetzt gelungen, wieder stand-alone Prototypen-Förderung beim MEDIA Programm durchzusetzen, und bei der Technologie-Förderung werden wir in Horizon 2020 erstmals ein ganzes Kapitel zu "games techologies und gamification" bekommen. Im Bereich Regulierung haben wir große Fortschritte im Bereich Umsatzbesteuerung machen können und werden dies nun im Bereich Payment fortsetzen. Wir haben uns auch für Netz-Neutralität engagiert, und das hat auch etwas ausgemacht, denn wenn es den Netzbetreibern gelingen würde, im Netz Inhalte priorisieren zu dürfen, werden die europäischen Entwickler draufzahlen. Jetzt gibt es dazu einen Kommissions-Entwurf. Es ist uns gelungen, auf breiter Front die Awareness für Games und ihre Hersteller in Europa zu heben, dabei hat uns auch unser Forschungsprojekt www.mobilegamearch.eu sehr geholfen. Digitale Spiele werden heute in der EU Kommission unbestritten als ein wichtiger Motor einer innovativeren, von Gründern und Start-ups geprägten Innovationkultur gesehen - das ist fraglos unser Verdienst. Die Umstrukturierung innerhalb der Kommission hat erstmals Themen wie Creativity, Net-Innovation Web-Entrepreneurship in den Mittelpunkt gestellt. Wir haben, glaube ich, auch den Engländern bei der Genehmigung ihres Tax-Credits helfen können, wobei das noch nicht entschieden ist. Dieser ganze Bereich Beihilfekontrolle bei Gamesförderung ist sehr wichtig. Der Publisherverband ISFE ist eigentlich nur im Jugendschutz aktiv, unsere Themen haben wir relativ alleine bearbeitet.

Das hört sich nicht unbedingt so an, als ob sie Gründe hätten, ihr Engagement zurückzufahren? Im Frühjahr wird das Europa-Parlament neu gewählt. Bis nach der Sommerpause wird es brauchen, bis die neue Kommission aktiv wird. Das heißt im nächsten Jahr ist ohnehin nicht so viel zu tun. In den letzten Jahren bin ich im Schnitt zweimal in der Woche irgendwohin geflogen. Das ist anstrengend. Aber zu Ihrer Frage: Wie Sie aber auch wissen, beschäftigen sich die Verbände der Spieleindustrie immer gerne miteinander, und da gibt es sicherlich auch einige Ursachen für meine Entscheidung, mich auf die Lobbythemen zu konzentrieren und das interne Monitoring anderen zu überlassen. Es ist sicherlich nicht unbekannt, dass die deutsche Fusionsdiskussion auch in anderen europäischen Ländern geführt wird, und meine Position zu diesem Thema ist ja hinlänglich bekannt. Niemand weiß genau, wie und auf welche Weise eine denkbare Fusion in Deutschland letztendlich Auswirkungen auf die anderen Länder haben könnte. Aber ich möchte - als Deutscher - diesen Prozess nicht gestalten müssen, weil ich ihn grundsätzlich für falsch halte. Allerdings habe ich sehr viel Respekt für demokratische Prozesse der von uns geschaffenen Strukturen und den handelnden Personen in den Vorständen - insbesondere wenn es Unternehmer sind. Ich bin doch keiner, der eine Struktur beschädigt, nur weil ich mit meiner Position keine Mehrheit finde, nach dem Motto, "wenn ihr mir nicht folgt, dann mache ich alles kaputt".

Das ehrt Sie. Sie suggerieren damit aber auch, dass es durchaus solche Fälle gibt. Das kann schon passieren, insbesondere wenn man nicht in den Vorstand gewählt wird. Leitende Angestellte von Unternehmen haben es aber immer schwer, in einem Unternehmerverband Anerkennung zu finden. Was mich betrifft, habe ich einen großen Respekt vor Gründern und wegen denen machen wir das ja alles. Das sind Leute, die echt hohes Risiko fahren. Wer bin ich, dass ich da irgendetwas besser wissen möchte.

Und Ihre Mit-Gründer, mit denen Sie den G.A.M.E. seinerzeit aufgebaut haben? Für mich ist immer Authentizität und Integrität wichtig; ich habe keine Angst vor der offenen Debatte und dem schriftlichen Bericht an alle; aber ich bin gegen das Hinterzimmer und die Manipulation von Mitgliederlisten und Protokollen. Mit mir und Stephan an der Spitze sind jeden Monat ein oder zwei neue Mitglieder eingetreten. Als Birgit Roth die Geschäftsführung letztes Jahr abgab, sind innerhalb von wenigen Monaten fast ein Viertel der G.A.M.E.-Mitglieder ausgetreten - Vertrauensverlust. Von diesem Schock hat sich G.A.M.E. nie richtig erholt. Politisch trennte mich von Claas Oehler die Einstellung zum BIU. Ich habe ihm seinerzeit immer vorgeworfen, er verhalte sich wie die Ost-CDU zur SED, er fand mich wohl einfach nur größenwahnsinnig. In der letzten Versammlung hat er dann von Rücktritt gesprochen; ich hatte den Eindruck, dass er eigentlich keine Lust mehr hat.

Das sind starke Geschütze, die Sie da auffahren. Hat denn nicht vielmehr die Fusionsdebatte eine gewisse Rolle gespielt? Allen ist klar, dass die Fusion nicht aufzuhalten ist. Dem BIU geht es heute nicht mehr darum, ob oder wann sie stattfindet. Ihm ging es ja nur darum, G.A.M.E. politisch zu schwächen, und dafür reicht es, dass G.A.M.E. einer Fusion irgendwann zustimmen wird. Die Fusionsdebatte allein genügte vollkommen, um die besonderen politischen Lorbeeren des G.A.M.E. bei der Regierung als dem "Verband der deutschen Spieleindustrie" gegenüber dem BIU als "Verband der Importeure" abzuräumen. Insofern hat der BIU diese Auseinandersetzung ohnehin gewonnen; zugleich ist die deutsche Spieleindustrie ja in Wahrheit 2012/2013 zurückgefallen, und niemand redet mehr davon, dass wir unsere dominante Position, die wir dank der Browsergames für kurze Zeit hatten, auf Dauer ausbauen. Dann ist es auch nicht mehr so schlimm, zu fusionieren. Allerdings macht es durchaus einen Unterschied, ob ein Unternehmerverband mit echten Entwicklern und Gründern diese Fusion macht oder leitende Angestellte, die nichts zu verlieren haben (und die auch mal elegant in ein anderes Unternehmen wechseln können). Insofern sollten wir aus einer Position der Stärke in diese Fusion gehen. In Europa gibt es übrigens überall solche Debatten; in England ist eine derartige Fusion übrigens sehr unwahrscheinlich geworden. Aber es gibt andere Länder, wo das ganz schnell gehen wird. Und es ist sicherlich auch so, dass sich die Zeiten geändert haben. Heute hat EA nur noch 20 Prozent Marktanteil, als ich anfing waren es über 50 Prozent.

Das hat aber doch nichts mit Ihrer Arbeit zu tun! (lacht) Da mögen Sie recht haben. Aber die Beobachtung, dass es neue Vertriebswege gibt und dass die Online- und Mobile-Games unabhängigen Entwicklern mit eigenem Publishing in Europa sehr genutzt und die Rollen-Trennung zwischen Entwicklern und Publishern aufgeweicht haben, ist ja goldrichtig. Auch hat sich der BIU mittlerweile für Games als Kulturgut ausgesprochen und befürwortet ein Entwicklungs-Förderprogramm. Ich fand es beachtlich, wie sich Klemens Kundratitz bei den so genannten Kamingesprächen der Diskussion gestellt hat. Er ist auch ein echter Unternehmer, der sehr viel geleistet hat. Mich beeindruckt so etwas schon. Alles in allem hat sich der BIU schon bewegt, und als Olaf Wolters neulich im GamesMarkt gegen Gamesförderung gewettert hat (vgl. GamesMarkt-Ausgabe 21/2013), war der BIU mucksmäuschenstill. Insofern war unsere jahrelange Arbeit sicherlich nicht umsonst. Es gibt allerdings auch andere Bereiche, da wird sich die BIU-Seite leider nie bewegen - die Abgründe des Jugendschutzes oder der Bereich "exzessives Spielen" zum Beispiel; aber mich persönlich hat dieser Bereich ohnehin nie besonders interessiert, zu viel Symbolik und zu verlogen für meinen Geschmack. Ich war immer dankbar, dass die Kollegen das gemacht haben. Eines habe ich aber im Laufe der Jahre gelernt, beim Jugendschutz geht es nicht um Jugend oder um Schutz, sondern um Macht und Zensur, da sollte man sich nichts vormachen. Deswegen bin ich nach wie vor sehr stolz darauf, dass es uns damals gelungen ist, dass wir ein Drittel der USK bekommen haben.

Sind Sie nun ein Befürworter oder Gegner der Fusion? Es kommt wie so oft im Leben auch hier auf das Kleingedruckte an. Eine Fusion, die G.A.M.E. viele Dinge lässt, ist sicherlich erträglicher. Aber vom Prinzip her bin ich nach wie vor dagegen. Ich glaube, dass zwei Verbände tatsächlich politisch mehr erreichen können als ein großer Verband. Und ich bin überzeugt, dass wir als G.A.M.E. politisch viel mehr ausrichten können, wenn wir nicht die BIU-Mitglieder im selben Verband dabei haben.

Wie meinen Sie das? Können Sie das bitte einmal etwas näher erläutern. Ein Beispiel: Als damals die Killerspiele-Debatte mit dem Bundesratsantrag aus Bayern konkret wurde. Ich weiß noch genau, wie wir in einer G.A.M.E.-Vorstandssitzung saßen und festgestellt haben, dass es der BIU ohne uns nicht packen wird. Da sind wir ausgerückt wie die Feuerwehr, die in einen Nachbarort gerufen wird, weil es die dortige Feuerwehr nicht schafft, den Brand alleine zu löschen. Claas Oehler, Thomas Dlugaiczyk (als zuständiger Vorstand) und ich haben einen Plan geschmiedet, und ich habe dann vielleicht 20 MdBs besucht. Danach war das Thema vom Tisch. Trotz all seines Geldes hätte der BIU niemals das Thema allein unter Kontrolle gebracht, davon bin ich rückblickend überzeugt.

Weil? Weil es kaum ein MdB wegen irgendwelcher "japanischen" Spiele (bitte nicht falsch verstehen) einen Konflikt in seiner Fraktion riskiert. Aber wegen junger deutscher Mittelständler eben doch; und das ist wahrscheinlich in Japan umgekehrt genauso. Hendrik Lesser hat übrigens in dieser Zeit von Bayern heraus einen sehr guten Job gemacht, und viele wissen das gar nicht. Gleichwohl nehme ich zur Kenntnis, dass ich mit meiner Meinung nicht unbedingt die überwiegende Mehrheit repräsentiere. Und wer bin ich denn, dass ich den G.A.M.E.-Mitgliedern - in der Regel gestandene Unternehmer mit großem Sachverstand - vorschreiben möchte, wie ihr Verband auszusehen hat. Aber, ich lasse mich eben auch nicht verbiegen. Ich stehe für bestimmte Ideale ein, und wenn die gerade nicht en vogue sind, dann werde ich eben mehr Zeit haben, meine Studenten zu unterrichten und Mandanten zu vertreten. Vielleicht dreht sich der Wind ja mal wieder.

Das heißt, die Tür für eine Rückkehr ist nicht vollends geschlossen? Als Experte stehe ich immer zur Verfügung. Umgekehrt sollte man sich aber auch nicht sinnlos in irgendwelchen Straßenkämpfen verzetteln. Da werden große Chancen vertan. Und die nächste Debatte zum Thema "Free-2-Play" und "Sucht" steht schon vor der Tür. Dazu brauchen wir schlagkräftige Strukturen.

Herr Professor Behrmann, vielen Dank für das offene Gespräch.

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