GamesMarkt bat den Finanzexperten Bernie Stampfer und den Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Jörg Müller-Lietzkow um eine Einschätzung der aktuellen Lage der Spieleindustrie. In ihren Analysen kommen die beiden zu durchaus unterschiedlichen Aussagen. Folgend der Beitrag von Bernie Stampfer.

2013 war eines der bewegtesten Jahre in der Spielegeschichte - niemals zuvor erlebte die Branche mit der Konsolidierung im Free2Play-Markt, dem Aufstieg und Fall einer Vielzahl von Unternehmen und der rasanten Entwicklung neuer Geschäftsmodelle einen derart tief greifenden Wandel. Das Jahr war auch von diversen Battle-Fields gezeichnet und hat einmal mehr gezeigt, dass die Spieleindustrie kein' feste Burg ist, sondern ein hochvolatiles Konglomerat aus sich fortlaufend verändernden Technologien, Konsumentenverhalten und Geschäftsmodellen. Stichworte: Brit-Publisher King eröffnet Studio in Berlin und sucht dringend Mitartbeiter ... Travian Games verkündet einen Einstellungsstopp und wollte bis zu 60 Mitarbeiter entlassen ... Goodgame hat den Umsatz nach eigenen Angaben versechsfacht. Umsatz und Ebit steigen deutlich schneller als "unsere" Mitarbeiterzahl. Bis Ende Januar will das Unternehmen die Anzahl seiner Mitarbeiter mehr als verdoppeln ... Aktuell beschäftigt InnoGames rund 230 Mitarbeiter, bis zum Ende des Jahres sollen es etwa 280 sein.

Valve hat mit der Onlinedistributionsplattform Steam im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 50 Prozent mehr Umsatz im Vergleich zum Vorjahr gemacht. Fishlabs meldet Insolvenz an. Flaregames: Für dieses Jahr erwartet Klaas Kersting, 1000 Prozent mehr erwirtschaften zu können als noch im Vorjahr. Aeria Games hat die Fläche verdreifacht und seinen Mitarbeiterstab von 55 auf über 120 ausgebaut. Es gibt (wohl eher: gab) Gespräche zwischen ProSiebenSat.1 und Bigpoint. Dabei geht es um ein Joint Venture oder möglicherweise auch um eine Übernahme von Bigpoint. Honi soit qui mal y pense! Und so könnten wir die Schlagzeilen noch weiter aneinanderreihen. Rock it! Und mittendrin natürlich die unvermeidliche "mobile" Diskussion. Kommt ja nicht schmerzfrei. Kommt ja nicht kostenlos. First Mover? Second Mover? Wie hoch ist das Risiko? Und wer wirft seine Euros und Dollars und auch die Renmimbis in den Topf?

Die Chancen sind gewaltig - und so auch die Risiken Die Chancen sind gewaltig - und so auch die Risiken: Was feststeht, ist, dass hier eine neue Auseinandersetzung stattfindet: Die Tablet- Hardware-Jungs können ohne die Games-Content-Jungs nicht mehr, weil das Schlüsselprodukt auf "mobile-devices" eben Spiele sind. Und bleiben werden. Punkt. Und dann schaue ich mir die Prognosen an, wie viele von diesen "devices" in den kommenden Jahren verkauft werden. Und dann weiß ich doch auch, warum Apple, Samsung & Co. so nach Mobile-Spielen gieren.

Wo Gewinner sind, gibt es auch Opfer Und dann kommen wir logischerweise zur nächsten Auseinandersetzung. Wenn die Mobile-Fraktion so nach oben schnellt, muss es ja irgendwo auch Opfer geben. Und mir scheint, dass trotz allem Weihnachtshurra der Konsolengiganten selbige genau dort auszumachen sind: Tablets sind einfach sexier, sind mobiler, sind letztendlich sogar billiger, und technische Innovationen kommen monatsweise und eben nicht alle Schaltjahre. Und eigentlich gibt's ja gar keine Frage, dass sie mit extrem schneller Weiterentwicklung den Dinos namens Xbox & Co. die Wurst vom Teller schnappen. Ohne dass die Dinos vom Aussterben bedroht wären. Die werden nicht verschwinden, ebensowenig wie der Fernsehapparat aus der Wohnstube. Aber: Die Tablets können wir überall mit rumschleppen. Konsolen und Fernsehapparate nicht. Think airplanes.

Mobile, what's new? Haben wir doch alles schon durchdiskutiert. Die Prognosen sind ja wunderbar: Quasiverdoppelung des Umsatzes bis 2015 von 13 Milliarden Dollar auf 22 Milliarden. Na ja, immerhin nur die Hälfte dessen, was die Konsolen-Jungs erwarten. Aber Vorsicht! Der eine wächst, der andere schrumpft. Nicht vergessen, ganz im Gegenteil: Der PC(Digital-)Markt wächst mit. Da gibt es nicht die ganz großen Ausschläge, aber schöne, sichere, nachhaltige Kurven nach oben. Wohl dem, der sich da gut positioniert hat. Mit Grüßen von Steam und deren Wachstumsprognosen. Und irgendwann kommt natürlich auch das Thema Daten. DATEN. Google schleicht sich in die Wohnzimmer über Heizungsregulierer und Klaas Kersting über Bankkonten. Recht hat er ja, wie denn sonst? Er freut sich einfach, dass die Kunden ihre Kontodaten hinterlegen und immer schneller und zügelloser klicken. Soll ja recht sein, wenn der Kunde mit der gelieferten Ware auch zufrieden ist. Was krieg' ich denn schon von der NSA als Gegenleistung? Nada.

Und Kersting sagt auch: "Jeder, der im Mobile-Markt mitspielen will, muss Games für Mobile und Tablets wirklich von Grund auf neu entwickeln und nicht mal eben portieren." Ich denke, dass er da in der Branche keinerlei Widerspruch erntet. Und wir wissen auch, was die Investitionsrisiken sind. Ein paar Worte zu Crowd-Funding. Ich bin ein bekennender Fan. Und jeder, der die Kickstarter-Zahlen kennt, kommt nicht umhin, sich massiv zu hinterfragen, warum er/sie nicht eine vollständige Abteilung einrichtet, um diesen Finanzierungsweg professionell zu besetzen. Es stellt sich mir auch die Frage, warum es die "gamescrowd.de" noch nicht gibt. Mit oder ohne BIU und/oder G.A.M.E. Oder in irgendeiner, in naher oder ferner Zukunft wie auch immer agierenden Veranstaltung, die die bereits existierenden Erfolgsmodelle ganz genau anschaut und auf den eigenen Markt projiziert. Ist es denn so abwegig, sich vorzustellen, dass sich die deutschen Publisher und Studios zusammentun, und ein gemeinsames Label gründen, mit dem sie sich als Crowd-Plattform präsentieren? Games made in Germany? Wie Porsche, Mercedes Benz, BMW oder Lufthansa? Where's the problem? Go, Go,Go!

Der DGFF als Kampfthema Und nochmals zum Thema DGFF, dem Deutschen Games Förder Fonds. Hat unser Stephan Reichart ja mal wirklich sinnvoll formuliert. Da komm ich ja immer wieder drauf zurück, dass es in meinen Kopf einfach nicht rein will, dass meine lieben Filmkollegen pro Jahr 60 Millionen Euro an sogenannten "Rabatten" pro ausgegebenem Euro erhalten und die "Gamer" nichts, aber auch gar nichts in der Art. Ich skandiere "SKANDAL" und rufe auch auf, den Deutschen Filmpreis mit dem Deutschen Games Preis zu vergleichen. A new government - a new chance? Der DGFF muss doch absolute Priorität haben als Kampfthema, oder wollen wir unsere Augen weiterhin verklärt gen Kanada richten? Happy New Year! Bernie Stampfer

Den , der in seiner Analyse der aktuellen Lage der Spieleindustrie zu durchaus anderen Aussagen kommt, veröffentlichten wir am 5. Februar 2014. Beide Texte erschienen zuerst in der Printausgabe von GamesMarkt am 22. Januar 2014.

Der Autor: Bernhard Stampfer studierte Jura, Soziologie und Politikwissenschaft. Diplom an der HFF München. 1980 Gründung einer Filmproduktion. 1988 Übersiedlung nach London, Spezialisierung auf Filmfinanzierung, ab 1994 beim European Script Fund. Ab 2000 Leiter Expert Team TMT der Deutschen Bank AG. Seit 2011 ist er in der BSA Media Finance Advisory als Finanzierungsberater in der Film- und Gamesbranche tätig.

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