MTG-CEO Redin: Nur wer relevant ist, spielt mit
Mit Ernennung von Maria Redin begann die Modern Times Group (MTG) sich - wieder einmal - neu zu erfinden. Das Interview mit der CEO von der InnoGames-Mutter erschien im Oktober in Ausgabe 11/2022 von GamesMarkt und wird anlässlich des MTG Game Maker Day online veröffentlicht.
Zum MTG Game Makers Day veröffentlicht GamesMarkt das exklusive Interview mit CEO Maria Redin, das im Oktober in GamesMarkt Ausgabe 11/2022 erschien, nun öffentlich online.
GamesMarkt: Als deutsches Magazin müssen wir noch einmal auf ESL Gaming zu sprechen kommen. Wie blicken Sie im Rückblick auf die ESL und den Verkauf?
Maria Redin: Wir waren seit 2015 Partner der ESL, einer ganz hervorragenden Firma mit herausragenden Gründern. Es war eine fantastische Reise, sowohl in guten Zeiten, wie auch in den herausfordernden Zeiten während der Corona-Pandemie. In der Tat ist die ESL ein gutes Beispiel dafür, was es bedeutet, ein Business gemeinsam aufzubauen, denn letztlich geht es um Wachstum. Beim Verkauf ging es deshalb auch nicht darum, die ESL zu verkaufen, sondern das Geschäft der ESL auf das nächste Level zu hieven.
GM: Wie ist das zu verstehen?
Redin: Die ESL ist ein führendes Unternehmen im E-Sport und besonders stark im B2B-Bereich. Unser Ziel war deshalb die Expansion im B2C-Sektor, um über unsere Events noch mehr Menschen zu erreichen und auf die Plattform zu holen. Dieser Plan führte zu Gesprächen mit Faceit über eine mögliche Fusion. Der Verkauf an Savvy Games war am Ende der notwendige Startschuss für genau diese Fusion.
GM: Der Verkauf war aber nicht ohne Nutzen für MTG...
Redin: Primär ging es darum, den globalen Marktführer im kompetitiven Gaming zu schaffen. Das entspricht auch ziemlich genau der Vision, die sich die ESL von Anfang an im E-Sport gesetzt hatte. Für die ESL bedeutete der Verkauf zudem eine neue Eigentümerin, die langfristig engagiert ist und ausreichend tiefe Taschen hat, was die Weiterentwicklung der Firma sichert. Für MTG und unsere Investoren bedeutete der Verkauf natürlich einen großartigen Return of Invest. Zugleich hat sich jedoch unsere Equity Story vereinfacht, was zukünftig Vorteile bei der Zusammenarbeit mit Investoren haben wird. Bis zu dem Verkauf bestand unsere Equity Story aus zwei mitunter sehr unterschiedlichen Kapiteln, Gaming und E-Sports, mit jeweils anderen Herausforderungen und Geschäftsmodellen.
GM: Haben Sie mit dem Verkauf nicht auch eine hervorragende Position im E-Sport aufgegeben, was für das Gaming durchaus wichtig ist?
Redin: Das ist richtig. Wir haben das natürlich vorher intensiv diskutiert. Wir sind nach wie überzeugt, dass im E-Sport großes Potenzial steckt. Doch um dieses Potenzial zu heben, sind Investitionen notwendig. Auf der anderen Seite wollen wir nachhaltig im Gaming agieren und glauben, dass Synergien möglich sind, wenn wir weitere Studios in unser "Gaming Village" aufnehmen. Nachdem wir die Aufgaben und Herausforderungen im E-Sport und beim Gaming für uns abgewogen hatten, gelangten wir zu der Überzeugung, dass wir nicht über das Kapital verfügen, um beides gleichzeitig in dem Maß umzusetzen, wie wir es für notwendig erachten. Also haben wir eine Entscheidung getroffen. Wir haben eine bessere Eigentümerin für unser E-Sport-Geschäft gefunden. Das wiederum ermöglicht uns, eine bessere Eigentümerin für unser Gaming-Business zu sein.
GM: Der neue Konzernfokus liegt also auf dem Kauf und den Aufbau von Studios und Produkten. Haben Sie sich Beschränkungen auferlegt oder visieren Sie potenziell alle Arten von Games und Firmen an?
Redin: Wir bleiben weiter im Free-to-Play-Sektor, weil wir uns nicht nur als Kapitalgeber verstehen. Wir haben vor kurzem unsere Flow-Plattform vorgestellt, über die unsere Studios Zugriff auf gemeinsame Tools und Systeme erhalten, die ihnen bei ihren Geschäften helfen. Wie wir alle wissen, besteht Gaming zu einem Teil aus einzigartiger Kreativität, die von Spiel zu Spiel, von Studio zu Studio variiert. Der andere Teil besteht jedoch darin, wie ein Spiel monetarisiert wird, die User Experience optimiert wird und welche KPIs entscheidend sind. Diese Faktoren sind bei allen Free-to-Play-Spielen nahezu standardisiert und somit ähnlich bis gleich. Ich bin überzeugt, dass wir tolle Inhalte schaffen können, indem wir weitere Studios in unser Ökosystem aufnehmen und dadurch gleichzeitig unsere Gesamtreichweite erhöhen. Das macht die Flow-Plattform so wichtig, weil jede Firma ihre jeweils eigenen Kompetenzen beiträgt und zugleich von der gemeinsamen Plattform profitiert.
GM: Wie wichtig ist Ihnen, dass die Studios von MTG ihre eigene Identität bewahren?
Redin: Jede Firma hat ihre eigene, einzigartige DNA, die ihr Herz und ihre Seele darstellt. Wir haben InnoGames gekauft, weil es InnoGames ist, wir haben Hutch gekauft, weil es Hutch ist und Playsimple weil es Playsimple ist. Es sind fantastische Unternehmen mit starken Führungspersönlichkeiten. Genau das ist der Grund, weshalb Mitarbeiter:innen an den jeweiligen Firmen hängen. Um es ganz deutlich sagen: Das einzigartige Kapital einer Firma sind die Mitarbeiter:innen, die Teil von ihr sind, und das wollen wir bewahren.Mit unserem "Gaming Village" bieten wir ihnen darüber hinaus noch etwas Größeres an: ein für sie relevantes Ökosystem mit einer gemeinsamen Firmenkultur und gemeinsamen Werten. Die Mitarbeiter:innen sind also zugleich Teil von InnoGames und Teil von MTG. Das ist wichtig und das ist auch der Grund, weshalb wir bei M&A-Gesprächen sehr selektiv agieren. Es gab in den vergangenen drei Jahren drei Zukäufe (Playsimple, Ninja Kiwi und Gamaga; Anm. d. Redaktion). Für einige im Markt ist das wenig, für uns war es ideal.
GM: Man muss also keine Embracer Group sein?
Redin: Nein. Es gibt verschiedene Strategien und das ist unsere.
GM: Wobei derzeit vor allem Firmen aus der Region Nordic im M&A-Bereich aktiv sind. Das kann kein Zufall sein, oder?
Redin: In den Nordics waren Investor:innen frühzeitig bereit, in Gaming zu investieren. Entsprechend viel Kapital ist verfügbar. Darüber hinaus haben Erfolgsstorys wie die der Embracer Group sicher zu Spin-off-Effekten und einer weiteren Investitionsbereitschaft geführt. Unsere eigene Story begann ebenfalls sehr früh, in etwa zur gleichen Zeit wie die von Embracer, nur dass wir eine andere Strategie verfolgen, die wir in den vergangenen zwei Jahren auch weiter geschärft haben.
GM: Apropos Strategie: Die Fokussierung auf den Bereich Gaming ist nicht das erste Mal, dass sich MTG neu erfunden hat. Einst war MTG ein klassisches Medienunternehmen mit TV-Sendern...
Redin: ... das ist richtig und ich war und bin selbst Teil dieses Wandels. Ich bin seit 18 Jahren bei MTG und es war eine tolle Reise, bei der immer eines im Fokus stand: relevant im Markt zu bleiben. Das schafft man aber nur, wenn man sich stets an die sich verändernde Umgebung anpasst. Welche Trends gibt es im Markt? Wohin blickt der Markt? Als ich bei MTG startete, war TV die relevanteste Form der Unterhaltung. Heute sind es Games. Streaming-TV ist natürlich nach wie vor eine sehr relevante Form des Entertainments. Wenn Sie aber Netflix nach dem größten Wettbewerber fragen, werden sie wahrscheinlich eher Games als Antwort bekommen, als den Namen einer anderen Streamingplattform. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb sich Netflix selbst im Gaming engagiert.
GM: Alles dreht sich also um den viel beschriebenen Wettbewerb um das Entertainment-Zeitbudget der Verbraucher:innen...
Redin: Exakt. Die Verbraucher:innen wollen unterhalten werden. Das hat sich in all den Jahren nicht verändert. Mit Technologie und Devices verändert sich jedoch, wie Entertainment konsumiert wird und was konsumiert wird. Die Verbraucher:innen haben heute mehr Auswahl denn je. Das ist einerseits fantastisch. Andererseits bedeutet es, dass wir als Firma auch relevanter denn je sein müssen, wenn wir unser Entertainment erfolgreich anbieten wollen.
GM: Erlauben Sie uns abschließend eine persönliche Frage? Sie sind eine von ganz wenigen Frauen auf C-Level bei einem international agierenden Gamesunternehmen. Wie sehen Sie das Thema Diversität in der Gamesbranche und was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben wollen?
Redin: Natürlich würde ich gerne mehr Diversität sehen. Wahrscheinlich bin ich selbst ein geeignetes Beispiel dafür, dass es möglich ist, als Frau in unterschiedlichen Positionen in der Gamesbranche erfolgreich zu sein. Bei meiner Karriere war ich stets darauf bedacht, verschiedene Dinge auszuprobieren und Neues zu lernen. Ich persönlich habe die Gamesbranche als offen und inklusiv erlebt. Die Liebe und Passion, welche die Menschen für das Produkt haben, ist außergewöhnlich. Sie ist ein Grund, weshalb es so viel Spaß macht, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Andernfalls wäre ich wohl auch nicht schon so lange dabei. Ich selbst würde mich nicht als Gamerin definieren, aber ich habe definitiv eine Leidenschaft für diese Branche und kann deshalb alle Frauen nur ermutigen, sie einmal kennenzulernen.