Der Entertainment Media Verlag hat Leopold Stiefel, Geschäftsführender Gesellschafter der Media Saturn Holding GmbH, Ende Oktober den Trade Award für seine besonderen Verdienste um die DVD verliehen. Anlass genug für ein Interview, in dem er nicht nur die spannende Erfolgsstory von Media Markt-Saturn, seine Pläne und Visionen schildert, sondern in dem auch der Mensch Leopold Stiefel sichtbar wird.

GamesMarkt: 1979 haben Sie den ersten Media Markt gegründet; heute beschäftigen Sie europaweit über 30.000 Mitarbeiter bei einem hochgerechneten Jahresumsatz für 2002 von knapp zehn Milliarden Euro. Wird Ihnen nicht schwindelig angesichts dieser rasanten Entwicklung?

Leopold Stiefel: Wenn man mit einer Idee wächst und dabei immer den Mut hat, etwas Neues zu tun, dann wird einem nicht schwindelig. Das wäre nur dann der Fall, wenn man Angst vor der eigenen Courage hätte. Aber, ehrlich gesagt, wenn ich die gigantische Entwicklung Revue passieren lasse, dann muss ich zugeben, dass ich die Erfolgsstory anfangs nicht für möglich gehalten habe. Andererseits sieht man an dieser Story, welches Potenzial in einer guten Idee steckt, wenn man sie nur konsequent umsetzt. Eine gute Idee braucht auch den richtigen Zeitpunkt für eine erfolgreiche Umsetzung. Und wir haben das Konzept konsequent und zum richtigen Zeitpunkt umgesetzt. Auch gegen alle Widerstände.

GM: Welche Widerstände waren das?

Stiefel: Unser erstes Problem war, an die notwendige Ware zu kommen. So ein kleines Elektrofachgeschäft, das die FEG damals war (FEG war ein klassischer Fachhändler für Fernseh- und Elektrogeschäfte mit fünf Filialen, mit dessen Eigentümer Erich Kellerhals zusammen Leopold Stiefel das Konzept für den ersten Media Markt entwickelte und realisierte; Anm. d. Red.), hatte nicht die Liquidität, um die von uns geplanten großen Verkaufsflächen zu bestücken.

GM: Sie müssen Ihre Lieferanten mit dem Konzept schwer beeindruckt haben, sonst hätten sie Ihnen nicht die Chance gegeben, das Konzept umzusetzen...

Stiefel: Irgendwie müssen wir schon überzeugend gewesen sein. Als Erste an uns geglaubt haben damals der Philips-Chef für die Braune Ware und der Bosch-Chef für die Weiße Ware. Nachdem beide schließlich Feuer gefangen und ihre Unterstützung zugesagt hatten und sich dann auch schnell erste Erfolge einstellten, sprangen immer mehr Lieferanten auf den Zug auf.

GM: Was war die zündende Idee für dieses Konzept? Was war der Auslöser des Quantensprungs vom klassischen Elektrofachhändler zum Discount-Konzept von Media Markt?

Stiefel: Sie müssen sich den klassischen Elektroeinzelhandel vorstellen, wie er damals war: viele, vor allem kleine Geschäfte, mit kleinen Sortimenten, hohen Preisen, wenig Werbung, meist auch noch sehr autoritär geführt. Die Idee lag nun auf der Hand: einfach überall besser zu sein, also große Sortimente zu günstigen Preisen, mehr Werbung und Mitarbeiterorientierung. Ein großflächiges Geschäft aufzubauen, das dem Kunden eine Produktmesse, einen Showroom mit einem großen Sortiment bieten sollte. Der Kunde sollte sich nicht, wie damals üblich, zwischen zwei oder fünf Fernsehern entscheiden, er sollte seine Auswahl aus 50 oder 100 Geräten treffen können und dafür auch keine Apothekenpreise bezahlen müssen. Das war der erste Gedanke, unsere einfache Sichtweise von Kundenorientierung. Die zweite Idee war, Arbeitsplätze zu schaffen, die Mitarbeiter motivieren. Ich weiß, wovon ich rede. Schließlich war ich früher selbst Verkäufer. Und ich kann mich noch gut an diese Zeit erinnern. Das war kein leichtes Leben. Sie wurden von den Inhabern von morgens bis abends - auf gut Bayrisch - drangsaliert. Wir wollten dagegen die Mitarbeiter stärker an Entscheidungen beteiligen und dadurch in das Unternehmen integrieren. Deshalb haben wir ein Beteiligungssystem für die Geschäftsführer kreiert, die bis heute und europaweit zehn Prozent an ihrem Media Markt halten. Die Geschäftsführer sind nicht nur Mitgesellschafter, sondern auch Mitunternehmer. Die Freiheit, die wir dem jeweiligen Geschäftsführer geben, muss er in seinem Haus kreativ umsetzen. Das heißt, er muß eine motivierte Mannschaft aufbauen. Denn eins ist doch klar: Man kann kein erfolgreiches Handelsunternehmen aufbauen, wenn das Wichtigste, der Mensch, der Verkäufer, nicht gut ist. Also war der zweite Gedanke, die Mitarbeiter in den Vordergrund zu rücken. Die zündende Idee war also, erstens, größere Sortimente zu günstigeren Preisen, und zweitens, die Mitarbeiterorientierung. Es bringt natürlich nichts, wenn der Kunde davon nichts weiß. Also musste dies nun adäquat werblich verkauft werden. Das sind die drei Säulen, auf denen das Konzept bis heute fußt. Ich habe mich dabei immer an bestimmten Leitsätzen orientiert, die auch unsere Mitarbeiter kennen. Der erste: "Versuche immer die Ziele und Wünsche deiner Mitarbeiter zu berücksichtigen und möglichst umzusetzen." Der zweite: "Versuche stets die Ziele und Wünsche deiner Lieferanten zu berücksichtigen...

GM:...da werden einige Lieferanten laut lachen, wenn sie das hören...

Stiefel: Nein. Das ist bis heute bei uns Gesetz. Das bedeutet nicht, dass wir allen Wünschen der Lieferanten gerecht werden können. Wir versuchen das zwar. Natürlich müssen wir immer hart verhandeln, aber eben dabei fair bleiben. Fair heißt, dass wir in unseren Zusagen immer ein zuverlässiger und verbindlicher Partner sind. Klar, heute verhandelt es sich aufgrund unserer Marktbedeutung leichter. Damals blieb uns nur, unsere Lieferanten mit allen Mitteln zu überzeugen. Der dritte Leitsatz lautet: "Versuche stets die Ziele und Wünsche deiner Partner zu berücksichtigen" und, last but not least: "Behandle Menschen immer so, wie du selber behandelt werden möchtest." Wer das alles umsetzt, kann den Erfolg gar nicht verhindern. Wer dann noch die vier Grundbedürfnisse des Kunden - günstigste Preise, größte Auswahl, beste Qualität, optimale Beratung und Service - berücksichtigt, hat gewonnen. Wenn man diese Punkte in einem Konzept zusammenfasst, haben Sie den Media Markt.

GM. Der erste Media Markt stand in München...

Stiefel: Ja, im Industriepark. Walter Gunz war damals der erste Vor-Ort-Geschäftführer eines Media Markts. Das war 1979. 1981 folgte dann der zweite und dritte Media Markt in Landshut und Ingolstadt. Als dann der vierte Markt in Rosenheim eröffnet wurde, gründeten wir zusammen mit Walter Gunz die Media Markt Holding (Solventa). Ab diesem Zeitpunkt übernahm Herr Gunz dann auch als Mitgesellschafter und Geschäftsführer die Gesamtleitung für den Bereich Marketing und war somit maßgeblich an der Entwicklung des Media Markt-Konzepts beteiligt.

GM: Wie kam Saturn zu Ihrem Unternehmen?

Stiefel: Media Markt haben wir gegründet und aufgebaut. Später dann, 1988, haben wir für eine weitere Expansion unseres Unternehmens eine Finanzbeteiligung an Media Markt an die Kaufhof Holding AG verkauft. Zuvor hatte sich Kaufhof mit ca. 24 Prozent in das Kölner Haus von Saturn eingekauft, hatte dabei zugleich das Recht erworben, mit Saturn zu 100 Prozent zu expandieren. Während die Saturn-Märkte in der Folgezeit Verluste schrieben, realisierten die Media Märkte Gewinne. In dieser Situation bot Kaufhof uns die Saturn-Häuser an, weil wir das Geschäft offensichtlich besser beherrschten als sie. Schließlich haben wir Saturn mit Media Markt-Anteilen gekauft und in die damalige Solventa-Holding, die jetzige Media-Saturn-Holding, integriert. Im ersten Jahr haben wir Saturn aus der Verlustzone geführt, im zweiten Jahren konnten wir bereits einen stattlichen Gewinn erwirtschaften.

GM: Die Existenz der beiden Marken, Media Markt und Saturn, hat also rein historische Ursachen?

Stiefel: Ja, wir kamen quasi zu Saturn wie die Jungfrau zum Kinde.

"Ziele und Wünsche der Lieferanten berücksichtigen"

GM: Haben Sie diesen Zuwachs von Anfang an positiv bewertet?

Stiefel: Offen gesagt, war ich zunächst nicht sehr froh über diesen Zuwachs. Zwei Label im Markt zu führen, ist ganz und gar nicht üblich. Deshalb haben wir anfangs mit dem Gedanken gespielt, Saturn komplett zu schließen oder als Media Markt weiterzuführen. Wir haben uns dann aber doch entschieden, beide Marken nebeneinander zu positionieren, und zwar Media Markt als die Nummer eins und Saturn als Nummer zwei. Noch mehr: Wir haben mit Saturn bewusst einen strategischen Kontrapunkt zu Media Markt gesetzt. Mit allen Konsequenzen: mit zwei verschiedenen Einkaufsabteilungen, zwei Marketingabteilungen und mit zwei Europachefs in der Holding, einen für Saturn und einen für Media Markt. Beide Linien fahren eine unterschiedliche Preisgestaltungs-, Sortiments- und Werbepolitik. Sie bewerben sich heute teils stärker als alle anderen im Markt. Sie bekämpfen sich geradezu. Ich denke, es gibt im internationalen Vergleich keine Unternehmensstory, die es geschafft hat, eine Nummer eins und eine Nummer zwei im Markt zu positionieren. Wir haben es geschafft.

GM: Eine schöne Position. Birgt sie nicht auch Gefahren?

Stiefel: Sie ist nur insofern gefährlich, dass wir uns manchmal gegenseitig die Spanne kaputtmachen, und zwar stärker, als es der Wettbewerber tut. Auf der anderen Seite ist die Position auch wieder nicht gefährlich, weil die Konkurrenz zwischen den beiden Marken zugleich die Motivation, den Horizont und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter fördert. Durch den Erfolg einer Media Markt- oder Saturn-Aktion spornen sich die jeweiligen Mitarbeiter gegenseitig stärker an als durch eine Wettbewerber-Werbung. Kurzum: Die Leistung steigt durch internen Wettbewerb.

GM: Wo wollen Sie in fünf Jahren stehen?

Stiefel: Dann möchte ich bei 15 Milliarden Euro Umsatz sein.

GM: In wie vielen Ländern sind Sie heute aktiv?

Stiefel: Wir beginnen gerade mit dem zehnten Land in Europa. Deutschland ist nach wie vor der stärkste Markt. Marktführer sind wir in Österreich, Italien, in der Schweiz, in Polen. In Spanien und den Niederlanden sind wir auf dem Weg zur Marktführerschaft. In Ungarn, denke ich, werden wir in den nächsten beiden Jahren so weit sein. Jetzt steigen wir gerade in Belgien ein.

GM: Bleibt Ihre Expansion auf Europa beschränkt?Stiefel: Mein Motto lautet: Greife mit den Händen nach den Sternen und bleibe mit den Füßen auf dem Boden. Oder anders ausgedrückt: Warum sollen wir nicht irgendwann nach China gehen? Aktuell ist es zwar nicht geplant. Aber wir setzen uns selbst keine Grenzen. Ziel ist stets eine qualifizierte Expansion, also Umsatzsteigerung mit Ergebnis. Insofern haben wir noch viel zu tun.

"Lieber 70 Prozent tun als 100 Prozent wollen"

GM: Welche Rolle spielte denn das Segment Entertainment, also Musik, Video, später dann Games und Software, im Media Markt-Konzept?

Stiefel: Entertainment hat am Anfang keine Rolle gespielt. Im Ursprungskonzept waren Tonträger, die damalige Schallplatte, und Foto nicht im Programm enthalten. Als die CD jedoch in den Markt eingeführt wurde, habe ich entschieden, dass wir dieses Segment und Foto aufnehmen werden. Unser Motto lautete dann: Jede CD, die veröffentlicht wird, ist bei Media Markt erhältlich. Als die ersten 5000 CD-Titel lieferbar waren, galten wir bereits als größter Anbieter von Tonträgern. So ist die CD-Abteilung entstanden. Über die CD sind wir später in das Kaufvideo-, mittlerweile DVD-Geschäft eingestiegen. Aber ausschlaggebend war die Aufnahme der CD ins Sortiment, die wir zunächst zur Profilierung nutzten, später dann als Profitabteilung führten. Dann kam der Bereich IT auf, den wir sofort und nachhaltig aufgebaut haben, weil mir sehr schnell klar war, dass Computer das Geschäft der Zukunft werden würden. Zielvorgabe war, Marktführer in diesem Segment zu werden, was wir innerhalb von zwei Jahren erreicht haben. Und über die Hardware fanden schließlich auch die komplette Software und das Zubehör Eingang in unser Haus. Heute sind wir im Entertainmentbereich Vollsortimenter und Marktführer.

GM: Womit verdienen Sie Geld? Mit DVDs sicher nicht?

Stiefel: Man darf das nicht isoliert betrachten. Wir verdienen auch mit DVDs Geld, wenn man alles, Backprogramm etc., zugrunde legt. Es gibt Jahre, da verdienen wir, isoliert betrachtet, mit CDs Geld, dann verlieren wir wieder was. Jedes Jahr gibt es andere Schwerpunkte. Wir müssen immer den gesamten Media Markt im Auge behalten. Manchmal müssen wir eben in den einen Bereich mehr investieren, um das Gesamtbild Media Markt als interessanten Marktplatz für den Kunden zu stärken. Nur dann verdienen wir Geld.

GM: Der Tonträgermarkt durchläuft gerade eine sehr schwierige Phase. Spüren Sie das auch?

Stiefel: Na klar. Obwohl wir noch erheblich besser als der Markt abschneiden. Im letzten Jahr haben wir noch Zuwächse verzeichnet. Sollte es hier gravierende Veränderungen geben, werden wir reagieren. Der Markt verändert sich immer. Der Handel ist Wandel. Wir machen heute ca. 70 Prozent unseres Umsatzes mit Warengruppen, die wir vor zehn Jahren nicht im Programm hatten bzw. die wir noch gar nicht kannten. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Es kommt nur darauf an, den richtigen Riecher für neue Trends zu haben.

GM: Droht dem Handel ein webbasierter Kollaps?

Stiefel: Wenn Kopierschutz oder ähnliche Schutzmechanismen ausbleiben, wird es möglicherweise zum Kollaps kommen. Allerdings sind wir als Media Markt breiter aufgestellt und von einzelnen Segmenten nicht abhängig. Wenn wir uns bestimmten Entwicklungen nicht entziehen können, gar darunter leiden, müssen wir Alternativen schaffen und neue Produkte ins Programm aufnehmen.

GM: Sind Sie im E-Commerce aktiv?

Stiefel: Ja, aber nicht mit höchster Priorität. Internetaffine Produkte stellen ein relativ schmales Segment dar. Wir sind davon überzeugt, dass sich auch in Zukunft 90 Prozent der Kunden für den stationären Handel entscheiden werden. Wenn überhaupt, dann wird E-Commerce hauptsächlich auf Kosten des Versandhandels und bei Warengruppen, wie z. B. Computern und Software, Marktanteile gewinnen.

GM: Wenn man Ihre Vita betrachtet, war Ihnen dieser Erfolg nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Sie stammen aus sehr einfachen Verhältnissen. Was hat Sie dahin gebracht, wo Sie heute stehen?

Stiefel: Vielleicht war gerade meine einfache Herkunft, ich stamme aus einer armen Flüchtlingsfamilie aus Jugoslawien, der Grund meines Erfolgs. Ich bin 1945 auf dem Weg von Jugoslawien nach Deutschland in Österreich geboren. Auf dem Weg verloren, wie ich immer sage. Das waren sehr schwere Jahre, als Flüchtling mit noch fünf Geschwistern in Deutschland. Ich bin mit fast 15 Jahren daheim ausgezogen, habe in einem kleinen Zimmer in Ingolstadt gelebt und begonnen, mein eigenes Leben zu gestalten. Dieses war geprägt durch Kampf und die Erfahrung, dass man ein Ziel, das man erreichen will, mit aller Konsequenz verfolgen muss.

GM: Sie sind dann zunächst bei Dreyer & Schnetzer in Ingolstadt in die Lehre gegangen, später als Verkäufer zu Fröschl. Wann war Ihnen klar, dass Fröschl für Sie zu klein war?

Stiefel: Ich wollte weiterkommen und mich entwickeln. Unter dem Filialleiter bei Fröschl war das nicht möglich. Also musste ich in ein Unternehmen wechseln, in dem ich direkt unter dem Chef arbeiten und von ihm bewertet werden würde. Diese Möglichkeit bot sich mir bei der Firma FEG, dessen Inhaber Erich Kellerhals war. Hier habe ich mich vom Verkäufer zum beteiligten Gesellschafter hochgearbeitet. Mit ihm zusammen habe ich später das Media Markt-Konzept entwickelt.

GM: Erich Kellerhals war offensichtlich ein Mann, der Ihre Entwicklung in besonderer Weise gefördert hat...

Stiefel: Ja, er hatte eine besondere Eigenschaft. Er hat seine Mitarbeiter einfach machen lassen und sich nicht ums Detail gekümmert. Er hat stets gesagt, mach mal, dann werden wir schon sehen, was dabei herauskommt. Er hat also zugelassen, dass sich Potenziale, die in einem Menschen steckten, entwickeln konnten. Das finden Sie bis heute in dem System von Media-Saturn. Mein Motto lautet immer: Lieber 70 Prozent tun als 100 Prozent wollen. Wenn ich 100 Prozent will, kommt nichts mehr dabei raus, es wird nichts ausprobiert. Alle, insbesondere große Unternehmen versuchen heute, Konzepte zu entwickeln, an denen ganze Stäbe arbeiten, die alles bis zu 100 Prozent durchdenken und umzusetzen versuchen. Ein Macher arbeitet anders. Der fängt an, überlegt kurz, und wenn er meint, dass es zu 70 Prozent funktionieren könnte, dann macht er es. Sobald er dann auf der Strecke merkt, dass es hie und da nicht so läuft, nimmt er entsprechende Korrekturen vor. Irgendwann hat er dann die Qualität von 90 Prozent erreicht, und dann flutscht der Laden. Genau so ist Media Markt entstanden.

GM: Würden Sie sich auch heute noch, angesichts der Größe Ihres Unternehmens, als Macher bezeichnen? Ist da nicht eine andere Art von Management gefordert?

Stiefel: Jein. In einem Unternehmen unserer Größe sind natürlich viele Menschen neben und unter mir am Werk, die ihrerseits wieder Macherqualitäten haben. Ich muss sozusagen nur noch die Initialzündung geben bzw. die Grundidee haben. Diesen Menschen werden dann die gleichen Freiräume gewährt, die ich seinerseits bei der Firma FEG hatte. Richtig ist aber, dass ein Macher wie ich in einem zentral gesteuerten Konzern, wie z. B. der Metro, Kaufhof oder Karstadt, nicht so erfolgreich sein könnte, weil ich meine Ideen nicht durchsteuern könnte, weil ich dort nicht über die Menschen verfügte, die meiner Denkstruktur entsprächen.

GM: Die Metro lässt Sie demnach also machen?

Stiefel: Die hätten gar keine andere Chance. Wenn die mich nicht hätten machen lassen, säße ich heute nicht hier.

GM: Halten Sie noch Anteile an der Media-Saturn-Holding?

Stiefel: Ja, aber die sind nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass ich zusammen mit den Stimmen von Erich Kellerhals im Unternehmen das Sagen habe.

GM: Die Geschichte von Media-Saturn ist eine echte Erfolgsstory. Wenn Sie die Jahre einmal Revue passieren lassen, gab es da nicht auch Phasen, in denen Sie am liebsten das Handtuch geschmissen hätten?

Stiefel: Sicher, es gab immer mal wieder Situationen, in denen ich gedacht habe, sollen sich doch andere damit herumärgern. Warum tust du dir das an? Aber das waren ganz wenige Momente. Unterm Strich überwiegen die positiven Erfahrungen weit, weit die negativen.

GM: Wenn alles so gut lief, warum haben Sie 1988 Kaufhof reingeholt?

Stiefel: Das haben wir nicht getan, weil wir nicht rentabel gewesen wären oder weil wir Kasse machen wollten. Wir haben Kaufhof aus einem einzigen Grund reingeholt: die Absicherung des Unternehmens. Mit Kaufhof im Rücken hatten wir kein Problem mehr, weder mit den Versicherungen noch mit den Warenlieferungen. Somit konnten wir unsere geplante Expansion ohne Sorgen fortführen.

GM: Wovor haben Sie heute am meisten Angst?

Stiefel: Außer davor, alt und gebrechlich zu werden, habe ich eigentlich keine Angst.

GM: Wird eines Ihrer Kinder in Ihre Fußstapfen treten?

Stiefel: Nein, das glaube ich nicht. Wenn sie es wollen, müssen sie es sich erarbeiten. Bei Media-Saturn wird man nicht per Geburt, sondern auf Grund der Leistung Nachfolger. Zudem gibt es eine ganze Reihe von hoch qualifizierten Mitarbeitern, die seit Jahren im Unternehmen tätig sind. Die werden das Unternehmen führen. Einer davon wird irgendwann Vorsitzender werden.

GMÜber welches Erfolgserlebnis können Sie sich am meisten freuen?

Stiefel: Ich freue mich am meisten darüber, wenn mir Mitarbeiter vermitteln, dass sie gern mit mir arbeiten. Und wenn es uns gelungen ist, eine Stelle zu schaffen, auf der sie sich wohl fühlen. Wenn man zu mir sagt: Mensch, bleib uns möglichst noch 20 Jahre erhalten, dann freut mich das.

GM: Wie muss man sich Ihr privates Wohnzimmer vorstellen? Perfekt ausgestattet mit Entertainmentprodukten, die Sie im Media Markt führen?

Stiefel: Ich mag Elektronik. Es ist ein fantastisches Produkt, das wir verkaufen. Aber wenn Sie mich nach dem neuesten Gerätetypus fragen, muss ich passen. Ich bin kein Freak. Daheim steht noch eine 15 Jahre alte HiFi-Anlage von Braun, und mein Loewe-Fernseher ist auch schon zehn Jahre alt. Ich habe auch keine vernetzte Welt. Muss ich auch nicht haben. Für mein Ego schon gar nicht.

GM: Wann haben Sie denn zum letzten Mal eine DVD eingelegt?

Stiefel: Ich glaube, nur einmal in meinem Leben. Wenn ich DVD sehen will, dann legt meine Frau sie ein. Die beherrscht nämlich im Gegensatz zu mir alle unsere Geräte.

GM: Haben Sie denn schon einmal eine Konsole oder ein PC-Game gespielt?

Stiefel: Nein, das ist alles nichts für mich. Das sollen meine Kinder oder Enkelkinder machen. Ich nutze meine Freizeit anders. Ich lese lieber ein Buch oder halte mich in der Natur auf.

GM: Wann hört für Sie die Firma auf?

Stiefel: Immer dann, wenn ich sie verlasse. Ich trenne ganz bewusst und klar Freizeit und Geschäft. Wer fünf oder sechs Tage volle Leistung bringen will, muss ein oder zwei Tage zur Regeneration haben. Meine Freizeit ist mir heilig.

GM: Herr Stiefel, wir bedanken uns für das Gespräch.

Zur Person: Leopold Stiefel

Geschäftsführer und Gesellschafter der Media Saturn Holding GmbH mit Sitz in Ingolstadt

Geb. am 10.02.1945 in Braunau am Inn, seit 1951 in Ingolstadt, verheiratet, 3 Kinder.

1959-1964: Lehre als Einzelhandelskaufmann, anschließend Verkäufer bei Fa. Dreyer & Schnetzer

1964-1968: Verkäufer bei der Fa. Fröschl

1968: Verkäufer bei der Fa. FEG

1979: Geschäftsführer und Gesellschafter der Fa. FEG

1979: Vision eines Großflächenelektrofachmarkts gemeinsam mit Erich Kellerhals, Gründung der Fa. Media Markt

1988: 13 Fachmärkte in Deutschland

1989: Beginn der Auslandsexpansion in Frankreich

1998: 200 Fachmärkte in Europa

Heute: Europas Branchenführer, vertreten in zehn Ländern mit ca. 390 Fachmärkten, 28.000 Mitarbeitern und einem Nettoumsatz von ca. zehn Mrd. Euro im Jahr 2002.

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