Landessportbund NRW: "E-Sport ist kein Sport" - und trotzdem förderwürdig
In einem neuen Positionspapier bewertet der Landessportbund NRW seine Haltung zum E-Sport anders als noch 2018: Zwar sei E-Sport weiterhin kein Sport und berge auch Gefahren, die vorhandenen Potenziale machen den E-Sport jedoch förderwürdig und spannend für Sportvereine. E-Sport solle daher ähnlich wie Schach förderbar und gemeinnützig werden.
Schon beinahe ein Jahr wartet die Branche auf Neuigkeiten zur Einordnung des E-Sport als gemeinnützig, der vielen Vereinen erhebliche Vorteile und Rechtssicherheit schaffen könnte. Im November 2022 war der Status des E-Sports noch als Verhandlungsmasse im Topf der Bundesregierung, die sich über die Gemeinnützigkeit von diverser Vereine noch uneinig war. Seitdem ist es still um den Punkt in der Bundesregierung, die bis zum Jahreswechsel eigentlich ein Entscheidung getroffen haben will. Weit öfter melden sich Sportbünde, darunter auch das IOC, zu Wort, was eigentlich als E-Sport gelten kann und – oft wichtiger – was nicht.
In einem neuen Positionspapier hat sich nun der Landessportbund NRW (LSB NRW) zum E-Sport zu Wort gemeldet. "E-Sport ist kein Sport", sondern ein eigenständiges Phänomen, will der Bund gleich zu Anfang feststellen und hält damit an seiner Position im 2018 veröffentlichten Papier fest. Jedoch: Das sollte der Einordnung als gemeinnützig nicht im Weg stehen und auch Sportvereine nicht vom E-Sport abbringen. "Aufgrund der besonderen Nähe zwischen Sport und Teilen des E-Sports setzen wir uns für die Ausweitung der für Schach geschaffenen Sportfiktion auf den E-Sport ein. Hierin sehen wir den juristisch einzig sicheren Weg für Sportvereine, die E-Sportangebote schaffen wollen, dass sie diese ohne erhebliche bürokratische Hürden auch umsetzen können", betont Sportjugend-Vorsitzender und LSB-Vize Jens Wortmann." Denn dann müssten Sportvereine nicht ihren Vereinszweck und damit die Satzung ändern, sondern könnte auf die vorhandene, für Schach eingeführte sogenannte ‘Sportfiktion’ zurückgreifen, die das Brettspiel in den Status eines Quasi-Sports im Sinne der Vereinsarbeit erhebt. Das soll auch für den E-Sport machbar sein, fordert der LSB. "E-Sportangebote haben sich als Motor für Kooperationen vor Ort erwiesen, beispielsweise mit Schulen und Einrichtungen der Jugendhilfe, aber auch mit Wirtschaftspartnern. Daher birgt E-Sport fraglos Potenziale für die Vereinsentwicklung, E-Sportangebote sind aber kein Selbstläufer und erfordern erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen", resümiert der Landessportbund, der seinen rund 17.500 Sportvereinen allerdings keine Empfehlung abgibt – weder zur Etablierung noch zur Vermeidung entsprechender Angebote.
Ein zentraler Punkt, warum E-Sport laut dem LSB NRW kein Sport sein kann, geht auf aktuelle Problemfelder in der Gamesindustrie und -kultur zurück. "Digitale Spiele beinhalten oft spielzeitverlängernde oder glücksspielähnliche Mechanismen und sind mit interaktiven Gefahren wie ‘Hate Speech’ oder ‘Cyber Grooming’ verbunden. Deshalb sind die von der Unterhaltungsmedienselbstkontrolle (USK) empfohlenen Altersvorgaben für die unterschiedlichen E-Sport-Titel aus Sicht des LSB NRW zwingend einzuhalten." Auch vor einer "drohenden Verminderung von Sozialkontakten" durch das Spielen will der Bund warnen – wenn diese oft beschworene Gefahr auch durch aktuelle psychologische und soziologische Studien nicht mehr gedeckt wird. Dennoch sieht der LSB NRW die sozialen Potenziale von E-Sport: "Demgegenüber stehen förderwürdige Aspekte wie die Schaffung von sicheren Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche beim begleiteten Spielen, wichtige Beiträge zur Medienbildung durch qualifizierte Engagierte oder die mögliche Öffnung für jugendkulturelle Szenen, die von traditionellen Sportvereinen eher selten erreicht werden." Auch Bewegungsmangel als mögliche Gefahr spricht der LSB an, dem durch Ausgleichstrainings in der E-Sport-Vereinsarbeit vorgebeugt werden soll. Im Gegenzug sieht der LSB auch die Möglichkeiten, wie E-Sport Chancen für die Inklusion bedeutet," da Menschen mit und ohne (insbesondere körperliche) Behinderung gemeinsam miteinander spielen und in Wettstreit treten können".
Generelle Bedenken bringt der LSB gegen ein ganzes Genre vor, namentlich Shooter. "Schließlich bestehen nach wie vor moralische Bedenken gegenüber digitalen Spielen des Genres Shooter - in Sportvereinen sehen wir für diese keinen Platz. Gleichwohl verstehen wir, dass E-Sportorganisationen auf diese nicht verzichten wollen und werden, schon allein aufgrund der Bedeutung dieser Titel in der E-Sport-Community", so das Papier. Es legt jedoch keinen spezifischen Vorschlag zur Überbrückung dieses Gegensatzes vor. Als generelles Werkzeug gegen die vom LSB ausgemachten Risiken sieht der Bund jedoch das begleitete Spielen, das im Vereinsrahmen stattfinden würde und "die zuvor beschriebenen Risiken erheblich vermindern" könnte.
Ein Zugeständnis in Richtung bestimmter E-Sportarten als möglicherweise doch dem Sport nahe findet sich im neuen Positionspapier dann doch noch. Vereine, die für eine bestimmte Sportart als gemeinnützig eingestuft sind, könnten von der Sportfiktion im E-Sport nicht ohne weiteres Gebrauch machen – ein Fußballverein kann sich nicht einfach für Schach fördern lassen, also auch nicht für E-Sport. "Im Falle eines enger gefassten Vereinszwecks, beispielsweise ‘Förderung des Tennissports’, wäre eine rechtliche Betrachtung im Einzelfall notwendig. Je nach konkreter, handwerklicher Umsetzung der Gemeinnützigkeit des E-Sports können hierunter zumindest die jeweiligen ‘virtuellen Sportarten’ subsumiert werden - also die Computerspielversionen der jeweiligen Sportart", gibt das FAQ zum Positionspapier wieder. Hier greift der LSB also als möglichen Anker die Position des IOC auf, das nur die digitalen Varianten ‘echter’ Sportarten als förderungswürdig sieht.
Wenn eine Förderung des E-Sports als gemeinnützig kommt, dann brauche es außerdem mehr Fördermittel für beide Bereiche, den Sport und den E-Sport. "In Bezug auf die in den vergangenen Jahren entstandene Konkurrenz um knappe Ressourcen darf es eine Verlagerung von Sportfördermitteln in den E-Sport nicht geben", so LSB-Vize Wortmann.