Europas Gamesmärkte: Serbien

In einer neuen Serie porträtieren wir in jeder GamesMarkt-Ausgabe die Gamesbranche eines europäischen Landes. Auf Italien folgt nun in der Ausgabe 09/2020 Serbien.
Ein Wunschtraum. So wirkte das Unterfangen von Milan Jovovic' und seinen Kollegen, als sie vor knapp zehn Jahren Nordeus gründeten. Jovovic' und das restliche Gründerteam traten vor etwa 11 Jahren die Rückreise von Dänemark an, wo sie lukrative Jobs bei Microsoft besetzten, um eine Gaming-Karriere in Belgrad anzustreben. Und das zu einer Zeit, in der die Rahmenbedingungen alles andere als fruchtbar waren. Doch der harte steinige Weg sollte sich bezahlt machen. Heute ist Nordeus das größte Gaming-Unternehmen Serbiens und sogar europaweit eines der wachstumsstärksten. Und das gänzlich ohne externe Fördermittel.
"Es ist eine sehr interessante Phase in der Entwicklung der serbischen Entwicklerszene", führt Kristina Jankovic, Managerin der Serbian Game Association aus. "Es gibt mehrere Firmen, die seit fast oder mehr als einem Jahrzehnt gibt, mit erstaunlichen Teams und Projekten. Aber wir sehen auch immer mehr Startups und Indie-Teams entstehen. Spieleveranstaltungen finden regelmäßig statt, was vor etwa fünf Jahren noch nicht der Fall war, und ich glaube, das zeigt nur, dass die Szene reift. Es gibt ein starkes Gefühl der Dynamik und Aufregung."
Starkes Fundament
Dass die ältesten Spieleunternehmen Serbiens erst ihren 10. oder 11. Geburtstage feiern können, zeigt, wie jung der Sektor dort noch ist. Jedoch ist das Fundament auf dem die Gamesbranche dort aufgebaut wird, ein unglaublich stabiles. Angetrieben durch heimische Vorreiter der Physik und Technik wie Nikola Tesla, Mileva Maric' oder Mihajlo Pupin besitzt das Land eine starke IT- und Technologie-Szene. Geschätzt wird der Wert des IT-Marktes in Serbien sogar auf etwa 550 Millionen Euro. Diese Fachgebiete spielen auch in den lokalen Universitäten eine tragende Rolle.
"Serbien hat einen deutlich überdurchschnittlichen Anteil an Studenten der Natur- und Ingenieurwissenschaften", erzählt Jovovic'. "Es gibt hier einen großen Pool an Ingenieurtalenten, und über 93% unseres Entwicklungsteams hier bei Nordeus wird von lokalen Universitäten eingestellt, und über 80% unserer Mitarbeiter sind lokale Talente."
Auf diese Talente greifen auch ausländische Unternehmen zurück. Diese investieren nämlich bereits seit vielen Jahren in diese Sektoren Serbiens und profitieren so einerseits von dem Bildungsstandard der serbischen Mitarbeiter, andererseits von den Subventionen und unterdurchschnittlichen Löhnen des Landes. Zu diesen Konzernen zählen unter anderem Microsoft, IBM und Intel die Zentren in Serbien bedienen und dafür lokale Mitarbeiter beschäftigen. Aber auch Google hat sich in den letzten Jahren vermehrt für Serbien interessiert.
Mobile-Experten
Unter den gänzlich lokalen Spieleunternehmen ist, wie bereits anfangs erwähnt, Nordeus eine Art Vorreiter und das größte Studio seiner Art. Bekannt ist der Entwickler vor allem für sein Fußballgame TopEleven, das mit rund 200 Millionen registrierten Usern eines der weltweit erfolgreichsten Sportspiele für mobile Endgeräte ist. Mobile ist hier ein entscheidendes Stichwort. Es mag auf den starken IT-Hintergrund zurückgehen, aber Serbiens Spielebranche hat vor allem in Mobile-Games ihr Metier gefunden. Neben Nordeus spezialisieren sich auch andere größere Entwickler wie Cofa Games, Peaksel oder Two Desperados auf Handy- und Tabletgames. Und das mit augenscheinlich großem Erfolg. Allerdings ist das serbische Portfolio großteils mit Casual Games gespickt, während Premium Spiele noch stark in der Unterzahl sind.
Woran es außerdem mangelt ist staatliche und politische Unterstützung. Zwar gibt es Beispiele, wie eben Nordeus, die es gänzlich ohne externe Zuschüsse geschafft haben, doch das ist nicht der Standard. Jovovic selbst sagt, dass die großartige praktische, technische Ausbildung für Programmierer der Hauptgrund dafür ist, dass die Spielebranche so schnell in Schwung gekommen ist. "Um die Spieleszene aus dem Nichts anzukurbeln, braucht man talentierte Programmierer", so der CCO. Doch wirtschaftlicher Erfolg sollte nicht komplett auf dem Rücken dieser Talente und Mitarbeiter liegen. Aktuell können sich Spieleentwickler und -studios lediglich beim Serbischen Innovations Fund für Zuschussprogramme bewerben, eine dedizierte Förderung für Games gibt es nämlich nicht.
Die Serbian Games Association setzt sich dafür ein, das Gespräch zwischen Branche und Politik zu intensivieren und so das Verständnis für die Eigenheiten und Potenziale der Gamesbranche zu vertiefen. Jovovic' ist zuversichtlich: Hoffentlich werden wir im nächsten Jahr die ersten game-spezifischen Investitionsfonds in Serbien sehen. Diese werden dem kreativen Feuer den dringend benötigten Treibstoff hinzufügen. Unser 5-Jahres-Ziel ist es, ein nachhaltiges Spiel-Ökosystem zu schaffen, das neue erfolgreiche Teams "züchtet", mit einem Gesamtwert der Branche von über 100 Millionen Dollar."
Die ganze Geschichte finden Sie in der aktuellen Ausgabe GamesMarkt 09/2020.
Text von Melita Halilovic.