Inflexion-CEO Aaryn Flynn über "Nightingale", Tencent und den deutschen Markt
Der Release von "Nightingale" steht vor der Tür. Passend dazu spricht Aaryn Flynn, CEO von Inflexion Games, im Interview über die zahlreichen Verschiebungen des Titels, die Umstellung auf die Unreal Engine 5, die Partnerschaft mit Tencent und wie sie den deutschen Markt angehen.
Nach langer Entwicklungszeit und zahlreichen Verschiebungen wird Inflexion Games aus Kanada am 20. Februar 2024 ihr erstes Game "Nightingale" für PC via Steam und im Epic Games Store auf den Markt bringen. Eigentlich sollte es am 22. Februar erscheinen, aber der Release ist vorgezogen worden, damit das Team etwaige Launch-Probleme vor "dem sicherlich arbeitsreichen Wochenende" lösen kann, sagt Aaryn Flynn, Geschäftsführer von Inflexion Games. Die Vorverlegung ist ein Resultat des offenen Stresstests, an dem 48.000 Spieler:innen am 2. Februar 2024 teilgenommen hatten.
Vor dem Early-Access-Launch des Open-World-Survival-Crafting-Abenteuers, das mit viktorianischem Artstyle, modifizierbaren Fantasy-Realms und Koop-PvE-Multiplayer auftrumpft, konnte GamesMarkt mit Aaryn Flynn sprechen, CEO des 2018 gegründeten Studios, das ehemals Improbable Edmonton hieß. Zuvor war Flynn über 17 Jahre bei BioWare, von der Tools-Programmierung bei "Baldur's Gate II" über Director of Programming bei "Mass Effect 2 und 3" bis zur Projektleitung von "Mass Effect Andromeda". Seit 2011 und "Dragon Age II" war er auch Studio General Manager. Ein Jahr vor Release von "Anthem" (2019) verließ er BioWare. Flynn ist außerdem Board-Chair-Mitglied bei The A100, eine Vereinigung von kanadischen Technologie- und Innovationsführern, Gründern und Investoren.
GamesMarkt: Das letzte Mal hatten wir über Inflexion Games Anfang 2022 und über die Entwicklung von "Nightingale" berichtet. Was hat sich seither bei Inflexion Games verändert?
Aaryn Flynn: "Das Studio hat sich in dieser Zeit nicht allzu sehr verändert. Wir haben einige neue Mitarbeiter:innen eingestellt, aber die Struktur und die Art und Weise, wie wir unser Business betreiben, sind unverändert. Die größte Veränderung in dieser Zeit war, dass wir begonnen haben, geschlossene Tests mit der Community durchzuführen - das war eine aufschlussreiche und erfüllende Erfahrung für das Team. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir bei der Entwicklung von "Nightingale" die Community in den Mittelpunkt stellen wollen - und der Testprozess hat es uns ermöglicht, mit unseren Spieler:innen in Kontakt zu treten und ihr Feedback zu nutzen, um das Spiel zu gestalten und weiterzuentwickeln. Das war sehr zufriedenstellend."
GamesMarkt: Im August 2022 wurde "Nightingale" auf die erste Hälfte des Jahres 2023 verschoben, bevor der Launch weiter und weiter nach hinten verlegt wurde, hauptsächlich wegen der Umstellung auf die Unreal Engine 5. Welche Kopfschmerzen und Herausforderungen bringt dieses Upgrade mit sich? Dass die Umstellung viel Zeit in Anspruch nimmt, zeigten auch Coffee Stain bei "Satisfactory" oder Rockfish Games bei "Everspace 2".
Aaryn Flynn: "Es war nie eine Frage, ob wir auf die Unreal Engine 5 umsteigen sollten, sondern eher eine Frage wann. Da "Nightingale" ein Live-Service-Game wird, wenn es im Early Access veröffentlicht wird, trafen wir die schwierige Entscheidung, das Spiel zu verschieben, um diese Umstellung vor dem Launch vorzunehmen, da dies praktikabler ist, als zu versuchen, es zu tun, sobald das Spiel live ist und eine aktive Community hat. Letztendlich haben wir von der frühen Umstellung profitiert, da wir einige hervorragende Funktionen nutzen konnten, insbesondere die visuellen Verbesserungen, die durch die Kombination von Lumen und Nanite möglich wurden. Auf diese Weise hat das Game von Anfang an einen Next-Generation-Look und unsere Devs konzentrieren sich darauf, das Gameplay und das Spielerlebnis zu verbessern, wenn es live ist."

GamesMarkt: Um bei der neuen Engine zu bleiben: Was erhoffen Sie sich von dem Upgrade auf die Unreal Engine 5, abgesehen von dem Grafik-Sprung?
Aaryn Flynn: "Die visuellen Fortschritte sind ein großer Teil davon, und ich hoffe, dass wir uns als Early Adopter der Unreal Engine 5 von anderen [Games] abheben können, wenn wir in den Early Access gehen. Der andere große Vorteil sind die vielen Verbesserungen, die wir bei den Workflows sehen, wenn es um Open-World-Systeme, Asset-Management und allgemein die Produktivität geht."
GamesMarkt: Was war, abgesehen vom Engine-Upgrade, die größte Herausforderung bei der Entwicklung?
Aaryn Flynn: "Ich glaube, dass die Entwicklung von Games immer eine Herausforderung ist. Bei "Nightingale" mussten wir den Details des Survival-Craftings viel Aufmerksamkeit schenken. Das Genre hat eine sehr spezifische Ökonomie und so haben wir viel Zeit damit verbracht, die richtige Balance zwischen unseren Survival-Systemen, dem Sammeln und dem Freischalten von Rezepten zu finden und zu erkennen, was das richtige Maß an Friktion ist - das ist eine Menge Feinarbeit, um einen zufriedenstellenden Rhythmus für den Spielfortschritt zu finden und sicherzustellen, dass alle verschiedenen Systeme miteinander harmonieren. Hier waren die Tests mit der Community von unschätzbarem Wert, da wir diese Entscheidungen validieren und präzise Iterationen vornehmen konnten, die darauf basierten, wie sich die User:innen bei der Auseinandersetzung mit den Mechaniken verhalten haben."
GamesMarkt: War es schwierig, Tencent als wichtiger Anteilseigner von den Termin-Verschiebungen zu überzeugen?
Aaryn Flynn: "Tencent ist ein Hauptinvestor von Inflexion Games, besitzt das Unternehmen aber nicht. Auf diese Weise haben wir unsere operative und kreative Unabhängigkeit bewahrt. Aber sie haben unsere Entscheidung, das Spiel zu verschieben, voll und ganz unterstützt und können sehen, wie die zusätzliche Zeit dem Gesamterlebnis für unsere Spieler:innen zugutekommt. In den fast 25 Jahren, in denen ich Games entwickle, waren Tencent der hilfsbereiteste, großzügigste und rücksichtsvollste Partner, mit dem ich je gearbeitet habe."
Hintergrund Inflexion Games: Was einst bei Improbable Edmonton als Gaming-Präsentationsprojekt für SpatialOS begann, wurde zu einem eigenständigen Vorhaben, ohne die wenig erfolgreiche Cloud-Technologie. Von daher passte Inflexion Games nicht mehr zum britischen Tech-Start-up Improbable. Tencent ließ sich die Chance nicht entgehen und investierte in das Studio des Ex-BioWare-Managers Aaron Flynn. Bei Inflexion Games sind rund 100 Mitarbeiter:innen beschäftigt. CEO Flynn lobt den Standort und die vielen Talente in der kanadischen Region. Von staatlichen Förderprogrammen würden sie nicht profitieren, dennoch würde er sich aktiv für Unterstützung des Studios und die lokale Community einsetzen.
GamesMarkt: Wie wichtig war der gamescom-Auftritt für Inflexion Games? Und warum haben Sie diese Veranstaltung gewählt, um den neuen Veröffentlichungstermin anzukündigen?
Aaryn Flynn: "Die gamescom war ein enorm wichtiges Event für uns. Es war das erste Mal, dass wir auf einer physischen Veranstaltung öffentlich präsent waren, und deshalb wollten wir die Gelegenheit nutzen, etwas Spaßiges zu machen, das all den Hunderttausenden von Spieler:innen, die die Messe besuchen, auffallen würde. Wir hatten die Idee, ein Portal auf dem Messegelände als Foto-Spot zu errichten - und das Endergebnis übertraf unsere Vorstellungen bei weitem. Die Kombination aus dem unglaublichen Design des Event-Teams und unseren fantastischen Puck- und Lady-in-Red-Cosplayern machte es zu einem wirklich einzigartigen Spektakel unter all den anderen Ständen auf der Messe."
"Was die Bekanntgabe des Releasetermins angeht, so war es der beste Zeitpunkt dafür. Nach früheren Terminverschiebungen wollten wir die Community beruhigen und ihnen für ihre Geduld danken. Die gamescom ermöglichte uns all diese Berührungspunkte - das Fotoportal und die Demo hinter verschlossenen Türen für die Presse - also wollten wir all diese Aktivitäten mit der Bekanntgabe des Datums verbinden, damit alles, was wir auf der Messe machten, auf diesen Zielpunkt ausgerichtet war."

GamesMarkt: Wie wichtig ist der deutsche Markt für ein Game wie "Nightingale"?
Aaryn Flynn: "Deutschland ist sehr wichtig für uns. Auch wenn wir das Spiel im Early Access veröffentlichen, wollten wir sicherstellen, dass "Nightingale" für ein deutsches Publikum lokalisiert wird. Außerdem haben wir unsere Spieltests frühzeitig auf europäische Gebiete ausgeweitet, darunter auch Deutschland, da wir wissen, dass wir in dieser Region auf großes Interesse treffen werden. Das war ein weiterer Grund, warum die gamescom eine so wichtige Messe für uns war, da sie uns direkt in das Herz der lokalen Spielergemeinschaft brachte."
GamesMarkt: Im Februar 2024 erscheinen viele starke Games. Wie zuversichtlich sind Sie in Bezug auf den Early-Access-Release von "Nightingale"?
Aaryn Flynn: "Wir hoffen einfach, dass das, was wir geschaffen haben, bei den Spieler:innen gut ankommt. Wenn wir es im Early Access veröffentlichen, ist das nicht das Ende der Entwicklung - Erlebnisse dieser Größenordnung leben vom Feedback und Early Access gibt uns die Möglichkeit, direkt mit den Spieler:innen zusammenzuarbeiten, während wir "Nightingale" weiter verbessern, weiterentwickeln und ausbauen. Aber wir behandeln den Early Access auch wie den Launch eines jeden Spiels, an dem wir gearbeitet haben - wir stellen sicher, dass es zufriedenstellend, robust und qualitativ hochwertig ist und die Erwartungen erfüllt."

GamesMarkt: Wie wichtig ist der Koop-Aspekt von "Nightingale"? Ist das ein starkes Alleinstellungsmerkmal, abgesehen von der kreativen Fantasy-Welt?
Aaryn Flynn: "Meiner persönlichen Meinung nach sind Games fast immer besser, wenn man sie gemeinschaftlich spielt. Wir haben "Nightingale" von Anfang an als ein "Shared-World"-Survival-Crafting-Spiel beschrieben, was bedeutet, dass die Spieler:innen sich dafür entscheiden können, das Universum von "Nightingale" gemeinsam zu erleben. Wir unterstützen bis zu sechs User:innen in einem einzigen Realm und in Tests haben wir gesehen, dass Spielende zusammenarbeiten, um riesige Anwesen zu bauen, Apex-Kreaturen zu erlegen und die Grenzen der Realms gemeinsam zu erkunden. Ihr könnt das Game natürlich auch alleine von Anfang bis Ende spielen, aber wir wissen, dass der Koop-Modus sehr wichtig ist und wir freuen uns darauf, zu sehen, was die Spieler:innen tun, wenn sie zusammenarbeiten (und wir werden auch neue Wege finden, dies im Spiel zu ermöglichen)."
GamesMarkt: Konzentriert sich Inflexion derzeit nur auf "Nightingale" oder sind bereits Konzepte für neue Spiele in Arbeit?
Aaryn Flynn: ""Nightingale" ist unser Fokus für die absehbare Zukunft. Wie ich bereits sagte, ist Early Access nur der Anfang unserer Reise. Wir haben also noch lange Zeit viel Arbeit vor uns, um "Nightingale" zu der lebendigen, aufregenden virtuellen Welt zu machen, die es sein kann."
