Das iPhone, so scheint es, realisiert derzeit die Wolkenschlösser, die Entwickler von Handyspielen ihrem Geschäft immer prophezeit haben. Michael Schade, CEO Fishlabs, mit einem Blick hinter die Kulissen des Boomsektors Mobile Games und der neuen Handheldkonkurrenz.

Herr Schade, Mobile Games, oder besser gesagt: Spiele auf dem Handy unterteilen sich in vor und nach dem iPhone. Wie hat sich das Apple-Handy auf das weltweite Geschäft ausgewirkt? Apple hat jüngst sein erfolgreichstes Quartal außerhalb einer Weihnachtssaison vermeldet, mit 5,2 Mio. verkauften iPhones und 10,2 Mio. verkauften iPods. Damit sind seit dem iPod Touch der ersten Generation und dem ersten iPhone gut 50 Mio. Endgeräte auf dem Markt, auf die ihre Nutzer die verschiedenen Applikationen und Games, mittlerweile über 75.000 aus dem App-Store, herunterladen können. In etwas mehr als einem Jahr waren das über 1,8 Mrd.Downloads. Das heißt, im Schnitt hat jeder einzelne iPhone- oder iPod-Touch-User 33 Applikationen heruntergeladen und installiert. Davon sind andere Handyhersteller wie Nokia, Sony Ericsson, Samsung oder die Betriebssystemhersteller Microsoft und Google mit ihren mobilen Marktplätzen noch Lichtjahre entfernt.

1,8 Milliarden App-Downloads in einem Jahr sind eine Menge. Aber natürlich muss man fragen, wie viele davon kostenpflichtige Downloads waren und wie viele Spiele? Auch wenn die Zahl der bezahlten Downloads deutlich geringer sein dürfte - nach unseren Erfahrungen im einstelligen Prozentbereich -, ist sie immer noch äußerst beeindruckend. Laut einer jüngsten Umfrage laden iPhone-Nutzer im Schnitt zehn Apps pro Monat herunter, von denen circa ein Viertel bezahlte Downloads sind. Beim iPod ist die Nutzung sogar noch höher, der Anteil der bezahlten Downloads jedoch um einiges niedriger.

Und wie waren die Auswirkung dieser Entwicklung auf Fishlabs? Eigentlich können wir für Apple jeden Tag eine Kerze anzünden, denn innerhalb von nur einem Jahr macht der Umsatz mit iPhone-Games bei uns gut 60 Prozent aus. Das beinhaltet sowohl bezahlte Downloads unserer eigenen Spiele als auch Auftragsproduktionen. Welches Land hat welchen Anteil am Gesamtmarkt/an den Fishlabs-Downloads? Mit gut 50 Prozent stammt der größte Anteil der Downloads aus den USA. Das spiegelt auch ungefähr die installierte Basis wider. Danach folgt UK mit 13 bis 15 und Deutschland mit etwas über zehn Prozent, was mehr als der installierten Basis entspricht. Überraschend ist, dass unter den Top-10-Ländern auch Japan, das Land von PSP und DS, ist. Hier sehen wir sogar das stärkste Wachstum. Was sich ändern dürfte, wenn das iPhone in China und Indien demnächst verfügbar ist.

Warum haben iPhone, iPod und der App-Store so eingeschlagen? Weil die Bedingungen eigentlich ein Paradies für Entwickler von Games und Applikationen sind: eine direkte Geschäftsbeziehung mit Apple ohne Zwischenhändler, weltweite Distribution auf Knopfdruck, eine technisch weit überlegene mobile Plattform und die berühmte 70:30-Teilung der Einkünfte, bei der 70 Prozent an den Hersteller und 30 an Apple gehen.

Warum sagen Sie "eigentlich"? Eines der großen Alleinstellungsmerkmale war bisher, dass man mit einer Version eines Programms auf einen Schlag 50 Mio. potenzielle Endkunden erreichen konnte. Leider unterläuft Apple diesen Vorteil gerade aus freien Stücken, indem sie neue Versionen der Hardware und des Betriebssystems auf den Markt bringen. Im Juli hat Apple das iPhone 3GS und die neue Firmware OS 3.0 vorgestellt. Neben neuen Funktionen bietet das 3GS vor allem mehr Geschwindigkeit, das "S" steht für "Speed". Mit dem neuen OS 3.0 lassen sich neue Geschäftsmodelle wie Abos oder kostenpflichtige In-Game-Items aus dem Spiel heraus realisieren. Das bedeutet auf der einen Seite viele neue Möglichkeiten. Auf der anderen Seite fragmentiert aber auch der Markt. Das stellt auf lange Sicht eine ernsthafte Bedrohung für die Entwicklercommunity und den Erfolg des App-Stores dar. Wie sieht momentan die Verbreitung der einzelnen Geräteversionen aus? Es gibt fast keine verlässlichen Daten darüber, wie viele welcher Geräte im Einsatz sind. So müssen wir uns hier eines Umwegs bedienen. Das kostenlose Werbespiel "Barclaycard Waterslide Extreme", das im Zuge einer kultigen Wasserrutschenanzeige von Barclaycard nach dem Konzept von Dare Digital von Fishlabs entwickelt wurde, hat innerhalb von einer Woche über 2,5 Mio. Downloads generiert. Da das Spiel zudem für eine recht breite Zielgruppe konzipiert wurde, erhält man damit einen guten Überblick über die derzeit installierten Geräte und Betriebssysteme. Als Entwickler will man natürlich wissen, wie viel potenzielle Kunden man verliert, wenn man bei Anwendungen einen Teil des Hardwareportfolios optimiert. Das Ergebnis ist, dass iPhone 3G, iPhone 3GS und iPod Touch der zweiten Generation mit zusammen 90 Prozent die beliebtesten Geräte sind. Insbesondere in der Spieleentwicklung, wo es nicht selten auf das letzte Quäntchen Rechenleistung ankommt, empfiehlt es sich, für dieses Leistungsniveau zu optimieren. Mit 12,7 Prozent Anteil des 3GS wäre es für uns noch zu früh, eine High-End Version eines vorhandenenSpiels herauszubringen, die sich nur am Speed des 3GS orientiert. Und ein komplettes Spiel, das die exklusiven Features des 3GS vo-raussetzt, wäre noch kritischer.

Wie aufwendig ist es, eine weitere Grafik-version eines Spiels zu erstellen? Ein Spiel für andere Mobilfunkgeräte wird doch häufig für sehr viel mehr Geräte umgesetzt ... Als Handyspieleentwickler ist man zwar Kummer gewohnt, was das Portieren für unterschiedliche Geräte angeht. Aber bisher stellte die Vielzahl der Geräte mit vergleichsweise geringen Unterschieden in Auflösung, Speichergröße und Tastenbelegung eher eine Fleißaufgabe dar. Vieles kann weitgehend automatisiert werden. Wenn es jedoch um die Nutzung von Shadern in OpenGL 2.0 geht, erhöht sich der Aufwand immens, nicht nur in der Programmierung. Es müssen sämtliche Grafiken von Grund auf für diese neue Technologie optimiert werden. Das Ergebnis kann sich dann allerdings wirklich sehen lassen. Und wenn einmal genug Geräte mit dem neuen 3-D-Chip im Markt sind, wird es sich durchaus lohnen, in bessere Qualität zu investieren. Die Entwickler sind begeistert von den neuen Funktionen des OS 3.0. Es ermöglicht In-Game-Einkäufe, Push Notification oder Bluetooth-Multi-player. Aber ab welcher Verbreitung des Betriebssystems decken sich die Kosten mit dem Nutzen dieser Features? Wer eine Anwendung mit den neuen OS-3.0-Funktionen herausbringen will, kann dafür mit rund 60 Prozent der gesamten potenziellen Kundschaft rechnen. Aber es wird schon schwierig, in die wichtigen Top-10-Listen zu kommen, wenn man seine Zielgruppe im Vergleich zu OS 2.2.1-Anwendungen um 40 Prozent beschneidet.

Gehen wir in medias res: Was macht - unabhängig von der Größer der potenziellen Zielgruppe - ein erfolgreiches iPhone-Spiel aus? Natürlich die Qualität, wie im Konsolen- oder PC-Markt auch. Durch die enorme Vielfalt an Spielen und den Aufbau des App-Store kommen jedoch noch besondere Faktoren außerhalb des Spiels hinzu. Der App-Store operiert mit Toplisten. Über die gesamte Angebotspalette gibt es eine Top-25-Liste sowie auch in verschiedenen Untergenres. Die Top 5 sind jeweils sofort auf dem Gerät zu sehen. Eine Anwendung, die derart prominent dort erscheint, macht den Entwickler fast automatisch reich. Die Vergabe der Plätze ist aber streng an Popularität oder Userbewertung geknüpft. Apple weigert sich, Platzierungen wie Google zu verkaufen. Auch wenn ich mir sicher bin, das dafür höchst lukrative Angebote zustande kämen. Aber gerade diese strikte Kundenfokussierung macht einen guten Teil des Erfolgs vom App-Store aus. Die Listen werden also zum Großteil von einer sehr aktiven Community mit geformt. Dazu stehen wir - und auch ich persönlich - in engem Kontakt zu unseren Spielern. Da werden konkrete Verbesserungsvorschläge für Spiele diskutiert und von uns umgesetzt, oft auch per Update nach Erscheinen des Spiels. Man kann sagen, zu 50 Prozent ist die Spielqualität entscheidend, die anderen 50 Prozent sind Community-Arbeit. Was war bisher das erfolgreichste Fishlabs-Spiel, und was kommt noch? Mit "Galaxy on Fire" (GOF) sind wir, aufgrund seiner für Handyspiele ungewöhnlichen Spieltiefe und herausragenden 3-D-Grafik, auch international bekannt geworden. Das war Ende 2005, als unsere Wettbewerber mit 3-D im mobilen Bereich eigentlich noch gar nichts am Hut hatten. Auch auf dem iPhone führt "GOF" die Umsatzkurve deutlich an. Wir gehen jedoch davon aus, dass "Rally Master Pro", das Mitte Oktober für iPhone kommt, "GOF" als Spitzenreiter ablösen wird.

Das iPhone wurde von Steve Jobs selbst gerade in direkte Konkurrenz zu Nintendo DS und PlayStation Portable gesetzt. Wie sehen Sie das? Er hat recht. Sowohl im Casual-Segment - eher die Domäne von NDS - als auch im Core-Segment der PSP wird das iPhone sich durchsetzen. Im Casual-Bereich gibt es auf dem iPhone wahnsinnig innovative und erfolgreiche Spielkonzepte, bei denen der DS weder preislich noch qualitativ mithalten kann. Die PSP hat zumindest qualitativ noch die Nase vorn, aber mit dem neuen 3-D-Chip, der jetzt auch im jüngsten iPod Touch verfügbar ist, wird die PSP über kurz oder lang auch hier das Nachsehen haben. Und vom Preis her kann man schon jetzt kaum mehr rechtfertigen, dass das nahezu identische "Need for Speed" von EA auf der PSP gut das Zehnfache der iPhone-Version kostet.

Aber gibt es wirklich iPhone-Spiele, die, wie "Mario Kart DS", über vier Jahre in den Charts bleiben und begeistern, oder sind alle iPhone-Spiele letzten Endes sehr gut aussehende Casual Games? Bei dem unglaublich reichhaltigen Angebot an iPhone-Games und dem äußerst niedrigen Preisen gibt es kaum ein Spiel, das sich länger als vier Wochen in den Charts hält. Dafür ist jedoch der sogenannte Long Tail zumindest für Spiele, die sich von der Masse abheben, wie z. B. "Galaxy on Fire", erstaunlich lang. Auch durch virales Marketing, Preisaktionen und andere Marketingmaßnahmen können Verkäufe immer wieder angeregt werden, gerade weil jeden Monat Zigtausende von neuen potenziellen Nutzern hinzukommen. Die Spielregeln auf dieser Plattform sind ganz anders als beim klassischen Einzelhandel, und das macht es so spannend, besonders für kleine, unabhängige Entwickler und Publisher wie Fishlabs.

Mit dem Jahr 2009 endet der Exklusivvertrieb des iPhone über die Telekom. Welche Auswirkungen erwarten sie? Zur Markteinführung war es ein hervorragender Schachzug von Apple, das iPhone pro Land exklusiv nur über einen Telekommunikationsanbieter zu vertreiben. Jetzt, mit entsprechender Bekanntheit und breiter Nachfrage, macht es Sinn, über mehrere Partner den Markt zu befriedigen. Wir gehen davon aus, dass Apple 2010 weitere 50 Mio. iPhones und iPod Touch verkaufen wird. Das werden harte Zeiten für Nintendo und Sony.

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