Kojima schadet uns allen
Hideo Kojima provoziert mit einem Tweet über eine "Metal Gear Solid V"-Actionfigur mit knetbaren Brüsten. Alles nur ein harmloses Späßchen oder bedenkliche Manifestation einer von Sexismus durchzogenen Branche? GamesMarkt-Redakteur Daniel Raumer kommentiert den aktuellen Skandal um den japanischen Gamedesigner.
Hideo Kojima ist ein Meister des Verwirrspiels und des Affronts. Der "Metal Gear Solid"-Schöpfer beherrscht die Klaviatur der bewussten Provokation wie kaum ein anderer in der Gamesbranche. Das geht soweit, dass viele Fans selbst die öffentlichkeitswirksame Trennung von Konami und das damit einhergehende Ende von "Silent Hills" () für einen PR-Stunt halten, der nur eine weitere von Kojimas wirren Ideen ist. So liegt nun der Verdacht nahe, dass auch das aktuelle Fettnäpfchen, in das der japanischen Gamedesigner mit Ansage trat, kalkulierte Provokation ist.
Was ist passiert? Für "Metal Gear Solid V: The Phantom Pain" erdachte Kojima die dralle und lächerlich zart bekleidete Scharfschützin Quiet. Zur Veröffentlichungen wird es auch Sammelfiguren der Spielcharaktere geben. Das ist für Games nichts Unübliches, ungewöhnlich daran ist eher, dass die Quiet-Plastikpuppe mit quetsch- und drückbaren Silikonbrüsten versehen wurde. Die Tatsache, dass Kojima mehrere Fotos der Quiet-Figur über Twitter verbreitete und sie mit einem pubertären "LOL" kommentierte - die im Netzjargon gängige Abkürzung für "Laughing out loud" -, sorgte prompt für Empörung im Netz.
Nun kann man unterstellen, dass sich Kojima der Wirkung seines Tweets wohl durchaus bewusst war und mal wieder die kalkulierte Provokation übte. Und als Gamesmagazin kann man darüber eine News schreiben, wahlweise mit dem Brustton der Empörung oder mit einem süffisanten Unterton. Man kann die Sache mit einem "Ach, Kojima eben wieder. Was soll's." und einem Schulterzucken abtun. Doch das wäre zu kurz gedacht!
Wir haben uns bewusst gegen eine News-Berichterstattung zu dem Thema entschieden, obwohl diese zweifelsohne ein großes Interesse auf sich gezogen hätte. Auch haben wir uns dagegen entschieden, hier ein Bild der besagten Action-Figur zu zeigen oder die Fotos gar als Klick-Galerie aufzubereiten.
Denn es sind Aktion wie diese, die weiterhin der unerträglichen Tatsache Vorschub leisten, dass sich Frauen von der Spiele-Branche nicht ernstgenommen, ja stellenweise zu tumben Sexobjekten degradiert fühlen. Es hat den Anschein, als ob die Publisher da draußen für ein Publikum produzierten, das so nicht existiert, wahrscheinlich gar nie existierte: Männliche minderjährige Pubertierende, die allen Ernsten bei quietschenden Plastikbrüsten an einer Actionfigur verschämt kichern müssen. Oder vielleicht sogar grölend zum Geldbeutel greifen.
Es wird mit Sicherheit Frauen geben, die sich an der Darstellung von Quiet und ihrer Figur nicht stören. Allein das ist aber noch lange kein Grund für den Rest der Öffentlichkeit und der Industrie, sie gutzuheißen. Denn es gibt mit Sicherheit genauso viele Frauen, die gute Miene zum bösen Spiel - im wahrsten Sinne des Wortes - machen, um nicht als Spielverderber oder Spaßbremse zu gelten. Das ist verbale Nötigung; die Schere im Kopf, die einsetzt, bevor überhaupt Kritik geäußert wird. Und wer diese äußert, wird von einer johlenden Internetöffentlichkeit als "Femnazi" oder "White Knight" angepöbelt - je nach Geschlecht.
Kojimas Dummheit ist Wasser auf die Mühlen jener Idioten, die die Branche auch mit Aktionen wie "Gamergate" im Würgegriff halten und vor sich hertreiben. Kojima schadet nicht nur sich, er schadet uns allen: Kunden, Presse und Industrie. Und wer solche Aktionen für witzig und harmlos hält, der sollte sich ernsthaft fragen, was in seiner Erziehung eigentlich schief gegangen ist. Oder überlegen, ob er auch seiner Mutter eine Quiet-Figur zum Muttertag am vergangenen Sonntag geschenkt hätte.
Daniel Raumer, Redakteur GamesMarkt