Mit bayerischer Förderung in die Geschichte Bayerns

Das Anfang 2022 gegründete Studio Active Fungus aus München hat für “Totgeschwiegen – A Bavarian Tale” von der Konzeptförderung des FFF Bayern profitiert. Ein Rückblick über den Ablauf der Förderung und wo es Verbesserungspotenzial für kleine Start-ups gibt.
Ein Studio zu gründen und ein Spiel zu veröffentlichen, ohne vorheriges Renommee und ohne Publisher, das ist hart. Der Fakt hat es geradezu zur Binsenweisheit in der Gamingindustrie geschafft. Ein Faktor, der dem entgegenzuwirken versucht, ist die Gamesförderung. Ob vom Land, vom Bund oder der EU, Förderung auf unterschiedlichen Produktionsebenen — bei der Konzeption, der Entwicklung oder für einen bereits präsentablen Prototypen — hilft Erstlingsprojekten wie etablierten kleinen Firmen, ihre Spieleprojekte zu verwirklichen.
Eine dieser Firmen ist Active Fungus Studios. 2021 erhielt das Münchner Team 20.000 Euro Konzeptförderung vom FilmFernsehFonds (FFF) Bayern für sein Debütprojekt "Totgeschwiegen — A Bavarian Tale". Das erste Kapitel des Detektiv-RPGs im Bayern des 19. Jahrhunderts war da schon im Early Access spielbar, mittlerweile steht der Release kurz bevor. Für die Förderung bewarb sich Active Fungus mit dem zweiten Kapitel bereits zum zweiten Mal. "Gerade als Newcomer ist der Einstieg alles andere als einfach. Man muss überall — bei Publishern, Förderinstitutionen und natürlich Spieler:innen — regelmäßig unter Beweis stellen, dass man überhaupt ein Spiel produzieren kann. Wir hatten uns bereits mit dem ersten Kapitel auf eine FFF-Förderung beworben, da hatte man uns die Umsetzung unseres Vorhabens aber wohl nicht zugetraut", legt Jakob Braun, CEO von Active Fungus offen. "Das haben wir dann aus eigener Kraft und aus eigener Tasche gestemmt." Erst mit dem zweiten Kapitel hat es geklappt — vorweisen zu können, was das Studio bereits auf die Beine gestellt hat, war also integral für die erfolgreiche Förderbewerbung. Das ist einerseits verständlich: Neben der Verbesserung des eigenen Wirtschaftsstandorts sind Gamesförderung auch Prestigeprojekte für die Länder, und damit diese wirken, müssen sie Ergebnisse zeigen. Die sichert man am ehesten, zumal die Förderungen ja auch bei einem Scheitern der Spieleentwicklung nicht zurückgezahlt werden müssen, indem man jene Studios fördert, die verlässlich vorzeigbare Erfolge erzielen.
Eine abgelehnte Bewerbung auf Prototypenförderung kann nicht noch einmal eingereicht werden. Für kleine Studios kann dies das Aus bedeuten, wenn ein Sicherheitnetz fehlt.
Die Kritik daran ist jedoch klar: Vielversprechende Neu-Studios mit einzigartigen Konzepten kommen ohne Erstförderung vielleicht überhaupt nicht so weit, wenn ihnen die wirtschaftlichen Voraussetzungen fehlen und die Förderinstitutionen ihnen keinen Vertrauensvorschuss gewährleisten. Active Fungus hat es zwar mit eigenen Mitteln geschafft, schlägt aber ein explizites Start-up-Programm im Fördertopf für kommende Generationen an Nachwuchs vor. „Worüber wir uns sehr freuen würden, wäre beispielsweise ein eigener Fördertopf für Game-Start-ups, den man an Beratungsangebote koppelt. Wir haben uns von Anfang an enorm über Beratung und Hilfestellung von unterschiedlichen Seiten gefreut. Konkretes Feedback und Änderungsvorschläge zum Beispiel in der Konzeptförderung können ein frisches Gamestudio unglaublich voranbringen — erst recht, wenn man bei der Umsetzung dann auch Unterstützung anbietet‘‘, so Braun. Positiv hebt er hervor, wie gering die Hürden seien, sich beim FFF überhaupt zu bewerben. „Was uns sehr positiv aufgefallen ist, war nicht nur das super Onlineportal der FFF, das die Abgabe der Bewerbung stark vereinfacht, sondern auch die wirklich reibungslose Abwicklung im Anschluss.“
Wie weit kommt man als kleines Studio mit 20.000 Euro Zuschuss, wenn man es einmal geschafft hat, die erste Hürde zur Förderung zu nehmen? Laut Merkblatt des FFF Bayern ist das Geld für eine Entwicklungszeit von vier Monaten angelegt. Active Fungus, die mittlerweile aus vier festen Angestellten und neun weiteren, in unterschiedlichen Kapazitäten neben eigenen Vollzeitjobs mitarbeitenden Entwickler:innen bestehen, schätzen das für ihre Größe realistisch ein. Vor allem, da sie sich für das zweite Kapitel von “Totgeschwiegen” auf viel Vorarbeit aus dem ersten stützen können, da die technische und systemische Basis die gleiche bleibt. „Die Förderung hat uns vier Monate Arbeit am Konzept für den zweiten Teil ermöglicht — dabei konnten wir neue Features erarbeiten und testen. Unser Fokus liegt nach wie vor auf den Dialogen. Diese bringen bei uns idealerweise die Spannung, die in anderen Spielen durch Kämpfe erzeugt wird,“ so Braun. Bis zum Release reicht das natürlich dennoch nicht. Da braucht es entweder zusätzliche Förderung oder private Partner aus der Industrie. Braun versteht, dass nicht alle Projekte, die sich bewerben, auch einen der höheren Förderbeträge erhalten können. „Mit unserem fertigen Konzept haben wir uns dann auch auf die Prototypen-Förderung der FFF beworben. Mit einer derartigen Unterstützung im Rücken könnten wir den zweiten Teil unter deutlich stabileren Bedingungen als den ersten produzieren. Unser Antrag für diese Förderung hat es aber leider nicht geschafft. Dabei können wir klar nachvollziehen, dass etablierte Studios ganz andere Erfolgsaussichten mitbringen.“ Er sieht jedoch auch Verbesserungspotenzial an der Art, wie wiederholte Einreichungen auf die mit 100.000 Euro Zuschuss plus genau- bis doppelt soviel zinslosem Darlehen hochdotierte Prototypenförderung beim FFF Bayern gehandhabt werden: „Schade ist, dass ein Antrag zur Prototypenförderung kein zweites Mal eingereicht werden kann. Für uns bedeutet das konkret, dass wir die Förderfähigkeit für unseren nächsten Titel jetzt praktisch ‚verbrannt‘ haben. Für viele neue Studios ist ein Misserfolg bei der jeweiligen Förderung ohne Frage ein sehr frühzeitiges Aus. Da wäre es doch schöner, man könnte diesen Studios mit der richtigen Unterstützung zu Marktfähigkeit und Erfolg verhelfen. Dann hätten am Ende alle gewonnen.“ Leider hat die Förderung durch die Länder bisher auch noch nicht unbedingt den gewünschten Werbeeffekt, zumindest bei den kleineren Beträgen. „Soweit wir wissen, hat die Förderung selbst aber bisher noch keine weitreichende Aufmerksamkeit für unser Studio oder unser Projekt gebracht. Vielleicht war die Konzeptförderung dafür schlicht nicht groß genug, die Prototypenförderung hätte möglicherweise schon mehr Eindruck hinterlassen.“ Hier könnten die Förderfonds möglicherweise auch selbst mit proaktiver Werbung für ihre Projekte Aufmerksamkeit sichern, denn auch hier gilt der Griff zurück zum Argument Prestigeprojekt: Eine landesgeförderte Investment-Kooperation reflektiert auch positiv auf den Fördergeber zurück.
Active Fungus Studios hat es schlussendlich ohne die Prototypenförderung geschafft, sich eine Zukunftsperspektive aufzubauen. Für die Zeit nach “Totgeschwiegen — A Bavarian Tale” haben die Indies einen Kontakt mit Remote Control Productions hergestellt, auch andere Partner haben Interesse, das historische Detektiv-Format von “Totgeschwiegen” auf andere Settings zu übertragen. „Verschiedene Gesprächspartner hatten auch die Idee, überregional zu werden. Auch andere Regionen würden ihre Geschichte offensichtlich gerne spielbar sehen. Und wir wollten unseren Protagonisten eh mehr als einen Ort erleben lassen. Praktischerweise sind wir als Studio sehr flexibel — unser Team hat sich schließlich während der Pandemie gefunden und arbeitet daher komplett remote.“ Auch das Deutsche Museum in München, eines der größten Wissenschafts- und Technikmuseen der Welt, ist auf Active Fungus aufmerksam geworden, das Team entwickelt derzeit zusätzlich zum eigenen Game ein Escape-Room-Spiel, „in dem man durch die Zeit reist und so die Geschichte des Gebäudes und des Deutschen Museums an sich erspielt.“
Ist die Förderung durch den bayerischen Landesfonds also Stand jetzt nur etwas für diejenigen Studios, die sowieso schon auf festen Beinen stehen? Mitnichten. Der Kritik zum Trotz und mit Hinweis darauf, was auch jetzt schon gut läuft, empfiehlt Braun, den Förderantrag auf jeden Fall zu wagen, wenn man ein spannendes Projekt hat und sich vorher ordentlich in die „Förderwelt“ eingelesen hat. „Wenn man weiß wo man hin möchte, ist es einfacher den Weg zu sehen. Dann würden wir sagen: Traut euch! Wer ein spannendes Projekt hat, sollte sich nicht scheuen, damit raus in die Welt zu gehen. Erfolg oder Misserfolg eines Förderantrags sollten niemals die einzigen Parameter für das eigene Projekt sein. Wenn der Antrag nicht geklappt hat, heißt das nicht, dass das ganze Projekt nichts wert ist. Aber wenn der Antrag klappt, sollte man schon ein paar Leute zum Feiern organisiert haben.“
Dieser Beitrag erschien zuerst in der GamesMarkt-Ausgabe 08/2022.