Vom Kindheitstraum zum Rollenspielhit: Chained Echoes
Sieben Jahre hat Matthias Linda an "Chained Echoes" gearbeitet. Ende 2022 erschien das JRPG schließlich – unter dem Jubel von Fans und Kritiker:innen. Wie entstand der Hittitel? Zur Feier des DCP-Siegs 2023 machen wir das GamesMarkt-Feature für alle verfügbar.
Eigentlich wollte er nie etwas anderes machen: Matthias Linda bezeichnet "Chained Echoes" zu entwickeln als seinen Kindheitstraum, einige der Ideen im Spiel entstanden schon damals. Bereits in seiner Jugend bastelte er Fangames zu "Final Fantasy VI" mit dem RPG Maker, die er nie veröffentlichte. "Die Idee hat sich über viele Jahre entwickelt. Mein Ziel war es, etwas zu erschaffen, was den Spielen aus meiner Kindheit gerecht wird", erklärt Linda.
Bis "Chained Echoes" im Dezember 2022 veröffentlicht und innerhalb kürzester Zeit zum späten Runner-Up auf vielen Jahresendrankings sowie Gewinnertitel für das Beste Spiel beim Deutschen Computerspielpreis 2023 werden sollte, dauerte es jedoch lange. Linda schloß zwei Studiengänge ab: Einen Bachelor of Arts in Modernes Japan & Anglistik und einen weiteren in Kommunikationsdesign. Im Anschluss arbeitete er für mit dieser Spezialisierung für mehrere Agenturen, bevor er sich schließlich selbstständig machte, um "Chained Echoes" Realität werden zu lassen.
"Irgendwann begann ich damit, die Story zu schreiben, die Planung anzugehen. Und dann kam eins zum anderen. Es war relativ unspektakulär, bis ich dann den Kickstarter machte. Ab da ging es dann erst so richtig rund." Schlag auf Schlag: Im Januar 2019 meldete er sein Unternehmen an, im Februar ging der Kickstarter zum Spiel online. Zu diesem Zeitpunkt hatte Linda bereits vier Jahre an "Chained Echoes" gearbeitet. Das sah man der hochwertigen Kampagne an, die mit animierten Screens des Spiels und einem sehr klaren Konzept insgesamt über 160.000 Euro einbrachte und mehrere Stretch Goals erreichte. Kurz darauf nahm sich zudem Deck13 unter dem Spotlight-Label dem Spiel als Publisher an. Der Publisher hatte Linda bereits vor dem Kickstarter kontaktiert und die Gespräche begonnen, nach der Kampagne finalisierten Linda und Deck13 dann den Deal. "Ich kannte Deck13 da schon über CrossCode und einige weitere Freunde und Bekannte und wusste ziemlich genau, worauf ich mich da einlasse. Wir hatten von Anfang an die gleiche Vision im Kopf, es hat einfach gepasst", so Linda über die Kooperation. Der Publisher brachte unter anderem Hilfestellung bei Förderungsanträgen mit und unterstützte Linda bei der Bewerbung auf die Förderung durch die Film- und Medienstiftung NRW. Mit Erfolg: Anfang 2021 erhielt Linda 80.000 Euro aus dem Fördertopf. "Die Förderformulare sind mitunter nicht ganz ohne, da hat mir aber Deck 13 zum Glück geholfen. Aber auch bei der Förderung selbst waren alle sehr hilfsbereit und haben mich, wann immer ich Hilfe brauchte, unterstützt", so Linda. "Ich würde allen Entwickler:innen aus NRW empfehlen, sich an die Film- und Medienstiftung zu wenden. Es bringt Projekte nicht nur finanziell voran, sondern eben auch bei der Planung. Das vergisst man immer gerne."
Für Lindas Traumprojekt fügten sich verschiedene Punkte gut ineinander. Dass "Chained Echoes" über den beachtlichen Zeitraum von sieben Jahren Entwicklungszeit nicht zerfasert ist, hängt vor allem von Lindas genauer Vorstellung für das Ausmaß des Spiels zusammen. "Ich hatte Glück, dass ich eine gute Ausgangslage mit der Planung hatte. Sprich ich wusste immer, welche Features ich einbauen würde, wie die Story verlaufen würde. Das hat das Ganze natürlich leichter gemacht. Wirklich den Blick für das große Ganze habe ich nie verloren, doch hat es auch geholfen, dass ich hinter den Kulissen schon seit Jahren immer wieder Feedback bekommen habe und wir Ideen hin- und herwerfen konnten."
Obwohl er also als Entwickler und Writer im Mittelpunkt der Entstehungsgeschichte steht, betont Linda, dass er das Spiel natürlich nicht alleine auf die Beine gestellt hat. "Am Projekt waren viele und wenige beteiligt, es kommt ganz auf die Betrachtung an. Entwickelt habe ich das Spiel. Mein Composer Eddie hat die Musik geschrieben. Ein Freelancer hat einige Hintergründe gemacht, das Keyart stammt von einem anderen Freelancer. Dann hatte ich natürlich noch Hilfe von Deck13, und von Lokalisierungsstudios, Marketing Agenturen und so weiter."
Herausgekommen ist schlussendlich eines der stärksten RPGs des Jahres. Die Anerkennung, die Chained Echoes in seinen gerade einmal drei Monaten auf dem Markt international erfahren hat, ist beachtlich: Selbst Medien außerhalb der Gamingfachpresse wie Forbes und Bloomberg listen das Spiel aus Nordrhein-Westfalen auf ihren Toplisten zu 2022. Auf Steam rangiert das Spiel mit knapp 2.200 Userwertungen und 91 Prozent positiver Meinung ebenfalls weit oben, insbesondere bezogen auf seine bisher erst kurze Zeit an der Öffentlichkeit. Das liegt an der liebevollen Grafik, die beste Erinnerungen an Klassiker wie "Chrono Trigger" und "Final Fantasy VI" weckt, an der Geschichte, die einen Kontinente umspannenden Politthriller erzählt, aber auch am Gameplay. Anders als viele Hommages an die besagte JPRG-Hochzeit kopiert "Chained Echoes" sein Kampfsystem nicht, sondern baut einzigartige Mechaniken in die das gewohnte und beliebte Korsett der Rundentaktik. Eine Overdrive-Leiste, die je nach genutzten Angriffen steigt oder fällt und entsprechend die eigene Party stärkt oder schwächt, fügt dem System eine komplett eigene strategische Ebene hinzu. Zudem können die insgesamt acht Partymitglieder neben ihren eigenen Besonderheiten Flugrüstungen in den Kampf führen, riesige Mechs, die über einzigartige Fertigkeiten verfügen und auch das Fortschrittssystem modifizieren. An fast jedes System eines klassischen JRPGs hat Linda Hand angelegt und mit mal kleinen, mal großen Änderungen bewiesen, dass er versteht, wie ein gut spielbares Rollenspiel heute aussehen muss. Chained Echoes ist JRPG-Exzellenz — Made in Germany.
Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 03/2023 des GamesMarkt-Magazins.