Sonys lehrbuchreifer Marketing-Coup "PlayStation Plus"
"PlayStation Plus" begeht seinen fünften Geburtstag. Das Bonusprogramm ist eine Erfolgstory und Musterbeispiel für einen gelungenen Marketing-Coup, der aus Konsumentensicht nachteilige Neuerungen geschickt und ohne größere Widerstände im Markt durchsetzte, wie GameMarkt-Redakteur Daniel Raumer meint.
In diesen Tagen feiert Sony Computer Entertainment den von "PlayStation Plus". Und der Konzern hat auch allen Grund zum Feiern, denn "PlayStation Plus" ist rückblickend ein derart ausgeklügelter und geschickter Marketingschachzug, dass man ihn in BWL-Vorlesungen an Universitäten als Musterbeispiel lehren sollte.
Rückblende: Ende des vergangenen Jahrzehnts, zur Blütezeit der PlayStation 3, stand man bei den Japanern vor einem handfesten Problem. Das Konsolenflaggschiff hatte sich zwar vom schwierigen Markstart mit einem sehr hohen Preispunkt und großer Verspätung auf die Xbox 360, den direkten Konkurrenten von Microsoft, einigermaßen erholt, aber ein offensiv beworbenes Feature der PS3 war zum Bumerang geworden. Millionen Gamer nutzten die Online-Dienste der Konsole, zahlten aber keinen Cent dafür. Während Microsoft für sein "Xbox Live" genanntes Pendant schon von Beginn an zur Kasse bat. Also musste die Sony-Plattform auflaufende Kosten für Betrieb, Wartung und Support an anderer Stelle einspielen. Was tun? Beispielsweise hätte Sony einfach ankündigen können, dass sie wie Microsoft verfahren und das PSN ebenfalls kostenpflichtig machen. Den zu erwartenden Shitstorm möchte man sich wirklich nicht ausmalen. Ein echtes Dilemma!
Als Lösung heckten die Verantwortlichen bei Sony das auf der "PlayStation Plus" aus. Das Bonusprogramm war optional, bot aber für Abonnenten jeden Monat ein bis zwei kostenlose Spiele zum Download und Rabatte im Online-Store. Da es kein Zwang war und mit rund 50 Euro im Jahr auch moderat bepreist ausfiel, wurde "PlayStation Plus" mit einer Mischung aus Anerkennung und Gleichgültigkeit aufgenommen. Später wurde das Angebot noch um Spiele für Vita ergänzt.
Vollends zum echten Marketing-Coup mutierte "PlayStation Plus" dann mit der Vorstellung der PlayStation 4 auf der E3 2013. Auch dank Microsofts unrühmlicher Xbox-One-Vorstellung avancierte die neue Sony-Konsole sofort zum Liebling der Massen. Im allgemeinen Jubel und vor lauter Vorfreude auf die lang erwartete neue Hardwaregeneration platzierte Sony ebenso clever wie geschickt die Ankündigung, dass Mehrspieler-Funktionen auf der PS4 nun ein "PlayStation Plus"-Abo voraussetzen würden. Gestört hat das bei aller Euphorie niemanden. Weder auf der Messe in Los Angeles, noch später beim Verkaufsstart der Konsole. Da sich viele User bereits an den Service gewöhnt hatten, und der Geldbeutel beim Launch neuer Gaminghardware ohnehin lockerer sitzt, schlossen viele PlayStation-User das Abo ohne Murren direkt mit dem Kauf der Konsole ab. Das belegt auch die Zahl, die man Anfang des Jahres aus Japan vernahm: Fast elf Millionen Menschen zahlen für "PS+". Das wäre auf die PS4 bezogen nahezu jeder zweite Besitzer.
Es hat zwar gute drei bis vier Jahre gedauert, aber es ist Sony durch die Hintertür gelungen, seinen Online-Service kostenpflichtig zu machen, ohne Murren oder Kritik aus der Kundschaft. Viel glatter hätte man diese für Kunden eigentlich nachteilige Neuerung kaum einführen können. Wenn dies wirklich bereits drei Jahre vor Launch der PS4 von langer Hand so geplant war, dann wäre dies ein Marketing-Geniestreich. Sollte es "nur" ein nachträglicher Geistesblitz im Jahr 2013 gewesen sein, bleibt es trotzdem ein Coup.
Fakt ist: Heute ist "PS+" längst auf breiter Basis akzeptiert - auch von der Branche, die das Programm zum Beispiel als Marketinginstrument nutzt, um vor dem Start neuer Serienteile mit dem kostenlosen Vorgänger die . Und Konkurrent Microsoft? Der musste längst nachziehen und bietet seinen zahlenden Kunden mit "Games with Gold" ebenfalls kostenlose Spieledownloads als Abo-Extra an. Und wer hätte je gedacht, dass Microsoft im Online-Bereich einmal etwas von Sony lernen würde?
Daniel Raumer