Beim Urheberrecht wurden zuletzt die massivsten Änderungen seit vielen Jahren beschlossen. Doch was genau bedeutet dies für die Gamesbranche? Ein Beitrag von game-Justiziar Dr. Christian-Henner Hentsch.

Die größte Urheberrechtsreform der vergangenen 20 Jahre ist beschlossen. Das Umsetzungsgesetz zur EU-Richtlinie ist am 7. Juni 2021 in Kraft getreten und das neue Urheberrechts-Dienste­anbieter-Gesetz (UrhDaG) mit den neuen Regeln zur Haftung von Social-Media-Plattformen gilt ab 1. August 2021. Die Gamesbranche und ihre Let's Player und Creator sind von den Änderungen deutlich weniger betroffen als andere Kreativbranchen. Aber einige konkrete Handlungsempfehlungen sollten künftig bei Urheberverträgen oder bei der Gestaltung von Guidelines für erlaubte Nutzungen unbedingt beachtet werden.

Wichtigste Änderung für alle Games-Unternehmen ist sicherlich die neue Auskunftspflicht, wonach Arbeitgeber und Lizenznehmer von Urheberinnen und Urhebern einmal jährlich über den Umfang der Nutzung ihrer Werke und der damit erzielten Erträge und Vorteile informieren müssen. Dies hat auf der Grundlage der üblicherweise vorhandenen Informa­tionen zu erfolgen. Diese Pflicht gilt nur dann nicht, wenn es sich um einen lediglich nachrangigen, den Gesamteindruck wenig prägenden Beitrag zu einem Werk handelt oder wenn der Aufwand für die Auskunft außer Verhältnis zu den Einnahmen steht. Naturgemäß müssen diese unbestimmten Regeln nun ausgelegt, also auf praktische Sachverhalte angewendet werden. Dabei ist wohl klar, dass viele Mitarbeitende in Studios keine Urheberinnen und Urheber sind oder unter die Ausnahmen fallen. Auch Coderinnen und Coder sind gesetzlich vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Werden hingegen Musik oder andere sogenannte vorbestehende Werke extra lizenziert, muss hier in der Regel Auskunft gegeben werden. Diese Pflicht kann übrigens auch in der Lizenzkette den Publisher treffen, wenn das Entwicklungsstudio keine Auskunft geben kann. Bei vielen kreativen Leistungen wird es also bald Diskussionen geben, ob eine Auskunftspflicht besteht oder nicht. Damit handelt es sich bei dieser neuen Pflicht um ein Compliance-Thema, das, je nach Größe des Unternehmens, entsprechend der Kreativleistungen der Mitarbeitenden und Risikobereitschaft des Managements in jedem Unternehmen individuell eingeschätzt werden muss. Es besteht zwar kein akuter Handlungsbedarf, weil die Auskunft erst im Lauf eines Jahres gegeben werden muss. Es empfiehlt sich allerdings für Developer und Publisher, sich vorzubereiten, Urheberinnen und Urheber im Unternehmen zu identifizieren, die erforderlichen Informationen zu sammeln und diese aufzubereiten. Auch in Publishing-Verträgen sollte eine Vereinbarung über die Auskunft und gegebenenfalls auch über die Kosten für die Auskunftserteilung in der Lizenzkette getroffen werden.

Bei der Plattformhaftung, die bei der politischen Diskussion um Uploadfilter und Overblocking im Vordergrund stand, haben die üblichen Guide­lines für erlaubte Nutzungen durch Let's Player, Influencer und andere Creator grundsätzlich weiterhin Bestand. Explizite Erlaubnisse in Form von Lizenzen oder sogenannten Gestattungen werden auf die Platt­formen erstreckt, sodass keine gesonderte Lizenzierung durch YouTube, Twitch und Facebook erforderlich ist. Problematisch sind lediglich Duldungen, die Nutzungen nicht explizit erlauben, sondern lediglich versprechen, von einer Rechtsdurchsetzung abzusehen. Hier sollten für eine rechtssichere Nutzung auf Plattformen, wenn möglich, Änderungen vorgenommen werden. Nach dem neuen Gesetz ist es zwar möglich, der Nutzung auf Plattformen zu widersprechen und eine gesonderte Lizenz zu verlangen. Mit Blick auf die Branchenüblichkeit und den Marketing-Effekt von User Generated Content (UGC) wird dies wohl nicht zu er­warten sein. Auch eine gesonderte Vereinbarung mit einer Plattform ist vor dem Hintergrund der geschilderten Systematik nicht erforderlich. Wenn es auf einer Social-Media-Plattform dennoch zu unerlaubten Nutzungen kommt wie bei einem Pre-Release-Leak eines Games, kann weiterhin im Notice-and-Takedown-Verfahren die Plattform aufgefordert werden, den Inhalt zu löschen. Uploadfilter, wie sie bei Musik, Filmen oder Live-Sportüber­tragungen verwendet werden, sind in der Gamesbranche irrelevant.

Nutzerinnen und Nutzer sind klare Gewinner der Reform. So wird nicht nur die Haftung weitgehend auf die Plattformen übertragen, sondern es gibt auch zahlreiche neue gesetzliche Erlaubnisse, sogenannte Urheberrechtsschranken. Besonders relevant ist die neue Pastiche-Schranke, die insbesondere Memes erlauben soll. Darüber hinaus dürfen Games samt Software nun auch gesetzlich erlaubt im Unterricht an Schulen und an Hochschulen genutzt werden. Und sofern ein Computerspiel vergriffen ist, also nicht mehr aktiv vom Pub­lisher vertrieben wird, dürfen Kultur­erbeeinrichtungen wie das Deutsche Computerspielmuseum oder die Internationale Computerspielesammlung das Spiel kopieren, bearbeiten, dazu auch den Kopierschutz umgehen und es spielbar machen. Sofern Publisher das nicht wollen, können beziehungsweise müssen sie widersprechen. Damit der Widerspruch aber auch für alle Werke in einem Computerspiel gilt, sollten Developer und Publisher darauf achten, dass sie mit den Urhebern einen solchen Widerspruch vereinbaren. Gegebenenfalls empfiehlt es sich, dass sich der Arbeitgeber beziehungsweise das Studio eine Vollmacht geben lässt, nach der Widerspruchsrechte von ihnen ausgeübt werden dürfen.

Beachtenswert ist auch das neue Instrument der Extended Collective License, das es repräsentativen Verwertungsgesellschaften erlaubt, auch die Rechte von Nicht-Mitgliedern wahrzunehmen. Dies ist in den skandinavischen Ländern bereits üblich und führt quasi zu pauschalen Lizenzen über alle Branchen und Rechteinhaber hinweg. Dies kann dazu führen, dass bestehende Verwertungsgesellschaften auch Rechte im Gamesbereich wahrnehmen. Auch hier ist ein Widerspruch möglich und entsprechend sollten in Urheberverträgen Widerrufsklauseln in Kombination mit Vollmachten an den Arbeitgeber oder Lizenznehmer vereinbart werden, damit diese Widerrufe auch von Publishern ausgeübt werden können.

Andernfalls kann die Gema für sich und die anderen Verwertungsgesellschaften bei der öffentlichen Wiedergabe von Games auf der gamescom, im Internet oder bei anderen öffent­lichen Wiedergaben eine Lizenzgebühr verlangen oder sogar abmahnen. Im Ergebnis sind die Änderungen also überschaubar und die Branche ist für die Reform gut aufgestellt. In zahlreichen Stellungnahmen hat der game die besonderen Anliegen der Developer und Publisher immer wieder erläutert und abgesehen von einer Branchen-Ausnahme bei der Auskunftspflicht wurden sie auch berücksichtigt. Direkt nach der Verabschiedung des Gesetzes im Deutschen Bundestag haben sich die Branchen-Juristinnen und -Juristen auch schon in einem Workshop ausgetauscht und auf zwei Seiten konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet, auf denen dieser Beitrag aufbaut. Für eine möglichst einfache und möglicherweise auch gebündelte Ausübung der Widersprüche wird der game nun ein Konzept erarbeiten. Dieses soll auch die Rechtsausübung der Urhe­berinnen und Urheber außerhalb Deutschlands in den Blick nehmen, für die all diese Regelungen auch gelten. Im game wollen wir gemeinsam mit den Mitgliedern noch in diesem Jahr mögliche Lösungen und auch erste Best Practices diskutieren. Dazu laden wir alle Games-Unternehmen jederzeit herzlich ein mitzumachen.

Dr. Christian-Henner Hentsch

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