Beitrag: Arbeit für Spielefirmen zum Legislaturende
Alles neu macht das Ende der Legislaturperiode: Was Gamesunternehmen angesichts der Reformen bei Kauf- und Gewährleistungsrecht künftig alles beachten müssen. Ein Beitrag von game-Justiziar Dr. Christian-Henner Hentsch.
Der Bundestagswahlkampf nimmt bereits Fahrt auf, aber vorher muss noch die laufende Legislaturperiode zu Ende gebracht werden. Und das bedeutet in der Regel, dass auf den letzten Metern noch einige wichtige Vorhaben den Bundestag passieren - darunter auch wichtige Gesetze für die Gamesbranche. Neben der großen Urheberrechtsreform und der Novelle des Jugendschutzgesetzes ist dabei ein Vorhaben fast ein bisschen untergegangen: Die Umsetzung der EU-Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen - oder auch Digital Content Directive (DCD). Dabei hat dieses Gesetz Auswirkungen auf alle Anbieter von Games, aber auch auf Entwickler, die Spiele nicht selbst vermarkten. Es geht um ein neues und spezielles Kauf- und Gewährleistungsrecht für digitale Inhalte, also vor allem auch für Games. Flankiert wird dieses von einem neuen Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Waren mit digitalen Elementen sowie diversen Gesetzen zur Stärkung des digitalen Verbraucherschutzes.
Das neue Recht gilt grundsätzlich für alle digitalen Inhalte und Dienstleistungen, also sowohl für digital-distribuierte Games auf PC, Konsole und Smartphone als auch für DLCs und weitere virtuelle Inhalte. Neu ist, dass es nicht nur um Verträge geht, bei denen mit Geld bezahlt wird. Auch Verträge, bei denen die Nutzerinnen und Nutzer "nur" mit ihren personenbezogenen Daten zahlen, können unter die neuen gesetzlichen Regelungen fallen. Das neue Gesetz sieht für alle digitalen Produkte spezielle Pflichten vor, die bei Nicht-Vorliegen umfangreiche Gewährleistungsansprüche für Verbraucherinnen und Verbraucher auslösen. Maßgeblich für das Bestehen solcher Ansprüche ist immer, dass das Produkt nicht so funktioniert, wie es versprochen wurde oder jedenfalls wie es die Nutzerinnen und Nutzer erwarten können. Das kann bei Games beispielsweise schon der Fall sein, wenn das finale Produkt nicht einer zuvor gezeigten Preview-Version entspricht.
Am greifbarsten ist sicherlich die neue Update-Pflicht, die nun im BGB verankert wird. Gamesunternehmen werden nun gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Spiele auch an Änderungen bei Plattformen anzupassen, etwa bei neuen Treibern oder anderen rein technischen Veränderungen, die für das Spiel vorausgesetzt werden. Auch Sicherheitsaktualisierungen müssen vorgenommen werden. Wenn Gamesanbieter das nicht tun, ist das Spiel nicht mehr vertragsgemäß und Nutzerinnen und Nutzer können den Vertrag kündigen und zumindest anteilig auch ihr Geld zurückverlangen - wohl auch für In-Game-Käufe. Grundsätzlich sieht das Gesetz keine zeitlich begrenzte Pflicht zur Bereitstellung von Updates vor, sinnvoller Weise muss aber nur das zur Verfügung gestellt werden, was Verbraucherinnen und Verbraucher vernünftigerweise erwarten können. Die Einstellung des Supports eines Titels sollte vor diesem Hintergrund aber künftig auch rechtlich bewertet werden.
Und neben der rechtlichen Ausarbeitung der neuen AGB müssen die Pflichten ja auch im Game-Design beziehungsweise im Vertrieb umgesetzt werden. So sollten Updates zukünftig noch sorgfältiger geplant werden, damit hier keine Rechtsmängel entstehen, die dazu führen, dass Spielerinnen und Spieler ihr Geld und auch ihre Daten zurückverlangen können. Dies betrifft künftig nicht nur die durch die Datenschutz-Grundverordnung geschützten personenbezogenen Daten, also beispielsweise Kundendaten, sondern möglicherweise auch nicht-personenbezogene Daten im Spiel wie Spielcharaktere oder Konstruktionen, die nach Vertragsbeendigung auch rein technisch herausgegeben werden können müssen.
Neben der DCD sind dieses Jahr auch weitere Verbraucherschutzregeln der EU ("New Deal for Consumers") in deutsches Recht umgesetzt worden, so zum Beispiel einheitliche Regelungen zu unlauteren Geschäftspraktiken, zur Kaufabwicklung oder zu Widerrufsrechten. Hinzu kommt das neue Gesetz für faire Verbraucherverträge, das deren Laufzeit beschränkt und eine neue Button-Lösung für Kündigungen einführt. Und auch für den grenzüberschreitenden Warenverkehr gibt es eine neue Richtlinie, die gleichzeitig mit der DCD in deutsches Recht umgesetzt wird. Auch diese Regelungen treten Ende des Jahres in Kraft.
Grundsätzlich ist diese europaweite, sogenannte Vollharmonisierung des Vertragsrechts und des digitalen Binnenmarktes natürlich zu begrüßen. Games werden als digitale Produkte international distribuiert. Einheitliche europäische Regeln für AGB erleichtern den Vertrieb in ganz Europa und stärken letztendlich auch Europa als Games-Standort. Zudem werden die Regeln damit auch verlässlich festgeschrieben und Mitgliedstaaten können im Verbraucherschutz weniger nationale Alleingänge starten. Leider hat der deutsche Gesetzgeber mit dem neuen Kündigungs-Button doch schon wieder eine Sonderregelung geschaffen. Dies sorgt dafür, dass viele Anbieter zwar nicht mehr die AGB, aber dafür die Gestaltung des Angebots für Deutschland wieder speziell anpassen müssen.
Zunächst bedeutet die Umsetzung bis zum Inkrafttreten am 1. Januar 2022 also viel Arbeit, denn es ist nicht mit kleineren Anpassungen getan. Darüber hinaus gibt es wie bei allen neuen Gesetzen auch viele unbestimmte Rechtsbegriffe, die erst noch von den Gerichten ausgelegt werden müssen, sodass zumindest in den ersten Jahren doch noch regelmäßige Nachjustierungen erforderlich sein werden. Weil die Rechtsprechung dazu nicht nur in Deutschland stattfinden wird, sondern wie bei der Datenschutz-Grundverordnung auch in anderen europäischen Ländern, müssen auch diese Entwicklungen zusätzlich beobachtet werden. Nach dieser Umstellungsphase dürfte es dann aber in Zukunft deutlich weniger Anpassungsbedarf geben, sodass damit hoffentlich mittelfristig auch weniger Kosten für die Rechtsberatung entstehen werden - dafür gibt es in anderen Rechtsbereichen ja zukünftig auch genug zu tun.
Die vielen Änderungen mögen auf den ersten Blick erschlagend wirken, weswegen wir als game versuchen, unsere Mitglieder bereits frühzeitig über mögliche gesetzliche Änderungen zu informieren und sie bei der Umsetzung zu unterstützen. Schon seit Langem haben wir deswegen immer wieder Zwischenstände zum Gesetzgebungsvorhaben gegeben. Über aktuelle Entwicklungen informieren wir zudem über das Legal Update, den Newsletter zu rechtlichen Themen. Sobald das Gesetz vom Bundestag Ende Juni beschlossen worden ist, werden wir auch zusammen mit Konstantin Ewald von der Kanzlei Osborne Clarke einen Workshop mit Praxistipps anbieten. Im September werden wir dann auch im Rahmen unserer Webinare zu rechtlichen Fragen für Indies ausführlich dazu aufklären. Und auch sonst stellen wir als Hilfestellung für Mitglieder auch Legal Memos und Vertragsmuster im Mitgliederbereich unserer Homepage zur Verfügung. Und im Zweifelsfall helfen wir natürlich auch immer individuell weiter - meldet euch einfach!
Dr. Christian-Henner Hentsch