Als mächtiges, kostenloses Tool ist Unity aktuell ein Mainstay vieler Game-Dev-Studiengänge. Daher laufen auch die Hochschulen Sturm gegen die geplante Runtime Fee: Linda Breitlauch von der Hochschule Trier und Daniel Görlich von der Hochschule Offenburg summieren: Kosten und Vertrauensbruch wären nicht hinnehmbar, ja kaum zu stemmen.

Selten hat ein Thema die globale Gamingbranche so einstimmig vereint wie Unitys geplante Preis- und Modelländerungen, die nun Kosten pro Installation für Entwickler:innen bedeuten würden. Seit der Ankündigung letzte Woche laufen Developer auf der ganzen Welt Sturm gegen die Firma hinter der Engine, von einem Vertrauensbruch ist die Rede, der nicht mehr wettzumachen ist, selbst wenn Unity, die bisher erst verhalten Änderungen versprachen, das neue Modell ganz zurücknähme.

Ein wichtiges Einsatzfeld von Unity, das bisher noch wenig Gehör in der Debatte fand, sind Hochschulen. Als bisher im Lehrbetrieb kostenlos einsetzbares Tool ist Unity eines der Hauptwerkezeuge universitärer Gamedev-Bildung an vielen Ausbildungsinstituten. "Wir nutzen Unity (neben Unreal) in der Lehre, in Projekten, auch in Forschungsprojekten. Da wir die Pro-Version nutzen, trifft uns die neue Situation zwar nicht direkt, dennoch hat der Fall zu Unsicherheit geführt, ob man besser ganz auf Unreal umsteigt in der Lehre, weil man nicht weiß, wie sich das in Zukunft entwickelt. Unsere Gründerteams, die seit Jahren in Unity entwickeln, haben natürlich Bedenken, falls ihr Spiel erfolgreich wäre, dass sie davon kaum noch profitieren." summiert Linda Breitlauch, Professorin für Game Design an der Hochschule Trier, für GamesMarkt das Problem, vor dem ihre Studierenden und Abgänger:innen nun stehen. Auch Daniel Görlich, der im Oktober als Professor an der Hochschule Offenburg einen neuen Games-Studiengang startet, plant bisher, dort Unity zu nutzen. "Wir verwenden Unity an der Hochschule bereits seit Jahren und planen natürlich, Unity auch in unserem neuen Studiengang ‘Virtuelle Welten & Game Technologies’ im Lehrbetrieb umfassend einzusetzen, sowohl in dedizierten Lehrveranstaltungen als auch in Semester- und Abschlussprojekten", so Görlich gegenüber GamesMarkt.

Dabei bringt Unity bereits jetzt Probleme mit, die sich als lästig erweisen, nach Einführung der geplanten Runtime Fee jedoch zu hohen Kosten führen würden: "Tatsächlich stoßen wir jetzt schon auf unnötige Probleme, etwa wenn wir die Unity-Engine einer ganzen Gruppe von Studierenden virtualisiert als Teil eines vorgefertigten Images bereitstellen möchten und die Engine sich daraufhin weigert zu starten. Das Problem: Jeder Start von Unity in einer frisch initialisierten, virtualisierten Umgebung wirkt für die Engine wie eine neue Installation, was bislang auch schon Lizenzierungsprobleme mit sich brachte. Ähnliche Probleme würden auch bei jeglichen Programmen auftreten, die mit Unity entwickelt wurden. Nun mag es großzügig erscheinen, 200.000 kostenlose Installationen zu gestatten, aber wenn ein mit Unity entwickeltes Spiel oder Programm über Monate hinweg mit einer üblichen Anzahl von Studierenden z.B. täglich oder mehrfach täglich gestartet wird, jedes Mal in einer virtualisierten Umgebung, und jeder Start deshalb wie eine Neuinstallation erscheint, dann können 200.000 'Installationen' recht schnell zusammenkommen. Ein kleines Rechenbeispiel: Nehmen wir an, wir entwickeln in Unity eine Lernumgebung, die 250 Studierende jeweils zweimal täglich starten, vormittags und, nach der Mittagspause, wieder nachmittags. Wenn sie das ein ganzes Semester lang tun, jeden Werktag, dann kommen wir auf ungefähr 250 Studierende mal 15 Wochen mal 5 Werktage/Woche mal 2 Starts pro Werktag = 37.5000 vermeintliche Installationen pro Semester. Irgendwann ab dem fünften Semester müssten wir dann zahlen, in dieser Rechnung bei 20 Cent pro Start ca. 7500 Euro pro Semester, allein für diese eine Lernumgebung." Ein Preis, den sich die Hochschule nicht kosten lassen würden, ja gerade die nicht-privaten Institutionen überhaupt nicht stemmen könnten. "Aus Sicht von Unity Technologies mag ein solcher Preis bei einer so hohen Nutzungsfrequenz gerechtfertigt erscheinen, aber kaum eine Hochschule würde ihn bezahlen können. Neben vielen anderen Gründen wie der vergleichsweise leichten Erlernbarkeit und der guten Dokumentation ist einer der Hauptgründe, wieso Hochschulen Unity einsetzen, natürlich dessen Preispolitik. Hochschulen sind zwangsläufig äußerst preissensitiv. Wenn sie Geld ausgeben, dann lieber einmalig als im Abonnement. Auf keinen Fall dürfen die Kosten aus dem Ruder laufen, etwa indem jeweils am Monatsende, so wie Unity Technologies es geplant hatte, eine Rechnung in zuvor unbekannter oder unkalkulierbarer Höhe eintrifft", so Görlich weiter.

Wie soll es also nun weitergehen mit Unity an den Hochschulen? Zunächst bleibt Abwarten, denn der öffentliche Druck ist groß, und es besteht noch ein Quäntchen Hoffnung, dass Unity die geplanten Preismodelle vollständig zurückfährt. Doch der Vertrauensbruch bleibt.  Breitlauch sieht diesen als bleibenden Schaden die Nutzungsquote von Unity beeinflussen: "Ich hörte, dass Unity nochmal an dem Konzept arbeitet und da soll es ja bald eine Ankündigung geben. Vielleicht erledigt sich das Problem dann ja auch. Wird dann dennoch am Vertrauen kratzen – die Investition der Einarbeitung in eine Game Engine ist ja enorm und da überlegt man sich eher schon früh, ob man nicht zu einer anderen Engine wechselt."

Görlich sieht neben der Runtime Fee auch andere von Unity in Zukunft neu erschlossene Einnahmequellen als Gefahr für den Lehrbetrieb an. Anstatt Kosten zu riskieren, würden sich die Hochschulen in der aktuell mit Alternativen gesättigten Engine-Landschaft lieber anderweitig umsehen. "Selbst wenn die Unity-Engine zukünftig nur einen geringen Einmalbetrag kosten sollte, wäre das für eine öffentlich-rechtliche Institution, die mit Steuergeldern arbeitet, bereits ein Grund, sich nach Alternativen umzusehen. Damals, als Unreal-Lizenzen noch hunderttausende Dollar gekostet hatten, hatten sie sich mehrheitlich für die kostenlose Unity-Engine entschieden. Wenn Unity nun nicht mehr kostenlos wäre, gäbe es inzwischen genügend Alternativen wie etwa Godot."

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