Mimimi Games und der Weg zum Self-Publishing
Die Ankündigung, dass Mimimi Games die Segel streicht, hat die deutsche Gamesbranche wahrlich überrascht. Im Vorfeld des Releases von "Shadow Gambit: The Cursed Crew" hatte GamesMarkt noch ausführlich über das Münchner Vorzeigestudio auf ihrem Weg zum Self-Publishing berichtet. Diesen Artikel veröffentlichen wir heute auf der Online-Website.
Anmerkung: Dieser Artikel ist in der GamesMarkt-Ausgabe 08/2023 erschienen, noch vor der Veröffentlichung von "Shadow Gambit: The Cursed Crew" und auch vor der Bekanntgabe der Auflösung des Studios (GamesMarkt berichtete). Beim damaligen Interview mit Johannes Roth war die Geschäftsaufgabe, um das Wohlergehen und die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden zu schützen, noch nicht absehbar. Der Artikel erscheint in inhaltlich unveränderter Form.
Eigentlich sollte erst das nächste Spiel von Mimimi Games unter eigener Self-Publishing-Fahne veröffentlicht worden. Doch die Bedingungen waren so gut, dass das Münchner Studio früher loslegen konnte, dank Förderung, Kowloon, "Desperados III" und viel Expertise.
Nach "Shadow Tactics" und "Desperados III" bringt Mimimi Games aus München ihr drittes Spiel im nischigen Echtzeit-Taktikgenre am 17. August 2023 auf den Markt. Gemeint ist "Shadow Gambit: The Cursed Crew", das bekanntlich als Projekt Süßkartoffel in Produktion war. Der Codename stammt aus Desperados-Zeiten. Johannes Roth, Mitbegründer und Managing Director von Mimimi Games, erklärt die Codenamen anhand der Fruchtfolge. So trug "Desperados III" damals den Namen Kartoffel, denn das Studio musste noch geheim halten, dass sie an der Marke von THQ Nordic arbeiten und das Nachtschattengewächs kam ihm als Erstes in den Sinn: "Als wir wussten, dass wir danach noch einmal etwas in dem Genre machen wollen, war das dann die Süßkartoffel. Das nächste Projekt ist dann Mangold, weil das ist Fruchtfolge, wie ich bei Google erfuhr", sagt Roth, der ganz nebenbei den Codenamen des nächsten Projekts nach "Shadow Gambit" enthüllte. Was genau "Mangold" wird, wollte er nicht sagen, weil derzeit alles im Entstehen begriffen sei. Es könnte sogar sein, dass sie ihr angestammtes Echtzeit-Taktik-Territorium verlassen, letztendlich dürfte auch der Erfolg von "Shadow Gambit: The Cursed Crew" die Weichen für das nächste Game stellen.

Mimimi Games jedenfalls wollte nach "Desperados III" noch ein weiteres Spiel in dem Genre machen, weil sie viel Expertise gesammelt hatten und wussten, was funktioniert und was nicht. Trotzdem sollte sich auch etwas ändern. Johannes Roth: "Nach "Desperados III" war uns klar, dass wir an einer neuen, eigenen Marke arbeiten möchten. Nicht, weil wir Desperados nicht mochten und es gab auch keine Frustration auf der Markenebene. Vielmehr hatte ich so einen Moment, in dem ich realisiert habe, wie lange wir mittlerweile an solchen Spielen arbeiten und dass es limitiert ist, wie viele Games wir noch in unserem Leben faktisch entwickeln können." Es sollte also etwas Eigenes sein, auch wenn Mimimi Games den bisherigen Publishingpartnern, namentlich Daedalic Entertainment und THQ Nordic, sehr dankbar ist.
Gerade dem Desperados-Deal ist zu verdanken, dass das Studio überhaupt noch existiert, denn nach dem Release des von Kritikern gefeierten "Shadow Tactics: Blades of the Shogun" sah es kurz sehr finster aus. Aber der österreichische Publisher hatte eine Marke in seinem Portfolio, die wie die Faust aufs Auge passte. So wurde damals in Rekordzeit ein Vertrag geschlossen, die Produktion begann und Mimimi konnte weiter bestehen. Roth: "Ich finde, dass wir in jedem Spiel mindestens eine Stärke hatten, auch wenn "The Last Tinker: City of Colors" nicht so der Bänger war, aber es war an einigen Stellen schon gelungen. Bei "Shadow Tactics" haben wir eine eigene Marke und eigene Welt aufgebaut, wobei Daedalic und wir uns da die Markenrechte teilen. Bei "Desperados III", der THQ-Nordic-Marke, haben wir auch viel Wert in diese Marke reingegeben, obwohl wir in dem Sinne nicht so stark partizipieren, trotzdem bekamen wir einen guten Deal." Der Mitbegründer und Managing Director ist der Ansicht, dass das Spiel trotz der bekannten Marke eher nischig war und der IP-Multiplikator keinesfalls an einen Titel mit Hogwarts im Namen rankommen würde. Dennoch war ihnen stets wichtig, die Kontrolle über die IP zu haben, aber der Weg zum Self-Publishing ging schneller als erwartet. Über diese Pläne sagt Roth: "Wir hatten das schon immer als Ziel, aber gedanklich eher bei Projekt Mangold verortet und weniger bei der Süsskartoffel.
Wir dachten, es dauert einfach noch ein ganzes Spiel". Sie hatten zwar schon Gespräche mit Publishern geführt, die teilweise sehr fortgeschritten waren, bis sie mit den Verantwortlichen des Indie-Games-Fund Kowloon Nights ins Gespräch kamen. Dabei wurde klar, dass der Start eines neuen Projekts und der Release von "Desperados III" genau die richtigen Punkte für den Aufbruch in das Abenteuer Self-Publishing waren. Warum? Die Ausgangslage war einmalig: THQ Nordic hatte die mehr als dreijährige Entwicklungszeit von "Desperados III" durchfinanziert und dank "Shadow Tactics" kamen immer wieder Einnahmen rein, die sich läpperten, weil Daedalic als Publisher einen guten Job machte. Dann kam die Computerspieleförderung des Bundes in Höhe von 2.025.942 Euro dazu, der höchste Betrag im ersten Jahr der Förderung und aktuell der siebthöchste Betrag, der einem Unternehmen der Gamesbranche vom Bund zugesagt wurde.

Zusätzlich schloss Mimimi Games ein Co-Finanzierungsabkommen mit Kowloon Nights, wobei der Fund natürlich einen Anteil vom Kuchen abhaben möchte, aber die Konditionen seien fair und trotzdem würde Kowloon gut verdienen, wenn das Spiel läuft, heißt es. Kurioser Zufall: Johannes Roth hatte auch mit League of Geeks über ihre Erfahrungen beim Self-Publishing gesprochen, die ebenfalls in dieser GamesMarkt-Ausgabe vorkommen und ebenso von Kowloon Nights co-finanziert werden. Über die Zusammenarbeit mit Kowloon Nights sagt Roth: "Es ist ganz anders als bei einem klassischen Publishing-Deal, dafür übernehmen sie auch kein Marketing, keine QA und so weiter. Aber sie stellen Finanzen und Know-how zur Verfügung. Es hilft schon sehr viel, wenn man fragen kann, ob es gerade Game-Pass-Deals gibt oder an welchen Ansprechpartner man sich bei den Konsolenherstellern wenden kann." Sie gaben auch Hinweise über Strukturen im Unternehmen, zum Beispiel mit Head-of-Positionen in den Departments oder berichteten über Erfahrungen bei der Trennung von Kreativanteil und Management. "Solche Sachen waren einfach super wertvoll", heißt es. Zudem hebt Roth die professionelle interne Kommunikation bei Kowloon Nights hervor, denn die Gründung des Publishers Kepler Interactive wurde Partnern vorher mitgeteilt.
Finanziell gesehen war die Lage bei Mimimi Games ideal, um den eigenen Publishing-Weg zu gehen, ergänzt von der Tatsache, dass sie mehrere Spiele aus dem eigenwilligen Echtzeit-Taktik-Genre rausgebracht hatten und über die notwendige Fachexpertise verfügten. "Wir wissen, dass wir das Genre beherrschen. "Shadow Tactics" war kein One-Hit-Wonder. Wir kennen die Daten", so Roth, der sich bei den bisherigen Publishern nachträglich bedankt, dass sie die Verkaufsdaten mit ihnen geteilt hatten. Sie bei Mimimi seien der Ansicht, dass sie die Zielgruppe grundlegend verstehen würden. Zugleich hätten sie Ideen, was im Marketing noch ein bisschen nuancierter gemacht werden könnte. "Vom ursprünglichen Plan ohne Self-Publishing unterscheidet eigentlich nur, dass ich beim Thema Publishing-Strategie mit drin bin und dass wir halt noch eine zweite Kommunikationsstelle geschaffen haben", erklärt Johannes Roth die strukturellen und personellen Veränderungen im Studio, die eher organisch gewachsen seien.

Eine der ersten neuen Stellen war Matthias Kraut. Der PR-Manager kam als Communications Lead nach München. Die Unternehmensleitung war der Ansicht, dass sich auch im Studio jemand mit dem Thema Kommunikation auskennen müsste, der eine Schnittstelle nach innen sowie außen bilden würde. Zumal Mimimi Games als Firma gerne selbst Dinge kommunizieren wollte. Später folgte Elena Schulz als kommunikative Verstärkung. "Wir haben zum Beispiel beim Producing noch eine zweite Stelle geschaffen, was sich jetzt im Nachhinein als absolut essenziell herausgestellt hat. Die Stelle hätten wir aber so oder so schaffen wollen. Unser Ansatz war eher: Wir wollen es nicht übertreiben. Wir wollten schon immer bei der QA eine zweite Person haben, unabhängig, ob wir Self-Publishing machen oder nicht. Wir wollen eben auch nur dieses eine Spiel publishen. Wir haben für das Thema Self-Publishing nicht so viel am Headcount geändert und an der Struktur, sondern es eher intern unterstützt. Es ist dann so gekommen, dass bei den Producern jetzt viele Dinge wie Store Management, Plattform Management, die Submissions und so dazu kommen. Gleichzeitig gibt es diese plötzlichen Spitzen mit. Man wird da auch reviewen müssen, ob das vielleicht sinnvoll wäre, da noch eine Stelle zu schaffen."
Natürlich werden einige Mitarbeitende nach der Hochphase zu Release etwas weniger ausgelastet sein. Das sei aber kein Grund, um zum Beispiel eine eigene Publishing-Division für Indie-Partner aufzubauen. Mimimi möchte keine Spiele von anderen Leuten verstehen und rausbringen. Das würde zwar mehr Umsatzströme generieren, aber es sei nicht klar, dass sie sich von der Konkurrenz absetzen könnten. Roth: "Also, ich würde es nicht leichtfertig machen. Ich verstehe, warum andere es tun und ich glaube, es kann sehr viel Spaß machen und sehr erfüllend sein. Aber ich habe einen Riesenrespekt davor, vor allem vor allen, die das da so gut hinkriegen. Wirtschaftlich ist das vielleicht nicht die klügste Entscheidung, aber auf der anderen Seite waren wir immer eher Sniper als Shotgun — wenige Sachen sehr gut machen, anstatt zu versuchen, alles zu machen." Sie würden also nicht versuchen, die Pressearbeit bei 20 Agenturen weltweit aufzuteilen, weil dann bräuchten sie wieder mehr Cash und neue Leute, die all das verwalten. Lieber gezielt als großflächig ist die Devise, da werden schon mal die Metacritic-Reviewer:innen ihrer letzten Games direkt angeschrieben. Die glückliche Ausgangslage mit Förderung, Partnern und Self-Publishing hat auch dazu geführt, dass "Shadow Gambit" umfangreicher ausgefallen ist, als ursprünglich geplant. "Es ist jetzt nicht so, dass ich mir denke, das hätte man weglassen können. Im Gegenteil: Für mich ist es mit Abstand unser bestes Spiel. Ich habe den meisten Spaß. Da sitzt für mich jede Mission. Wir müssen jetzt noch das Releasedatum schaffen. Ich bin milde optimistisch eingestellt, aber fest steht, ohne Förderung wäre es nicht dieses umfangreiche Werk geworden", sagt Johannes Roth.

Apropos Förderung. Dieses Thema liegt dem Managing Director besonders am Herzen. Er stellt klar, dass sie ohne das Geld vom Bund wahrscheinlich einen Publisher hätten an Bord holen müssen, was mit Kompromissen, vielleicht bei den Markenrechten, verbunden gewesen wäre. Grundsätzlich sagt Roth zur Computerspielförderung des Bundes: "Als allererstes hätte ich gerne, dass die Förderung nicht so lange pausiert ist. Das ist einfach super kritisch für alle, weil ich die Förderung sehr gut fand. Ich verstehe die Kritikpunkte, die es gibt. Man kann sicherlich immer Dinge verbessern. Kritiker sagen vielleicht: Warum wird jeder Mist gefördert? Aber wer kann das vorab einschätzen? Wir haben bei allen Plattformen und Stores von Steam über den Nintendo E-Shop gelernt, dass sie sich öffnen müssen, weil niemand weiß, welcher Titel wirklich erfolgreich wird. Niemand hätte "Minecraft" zum Beispiel vorhersehen können. Ich bin großer Fan davon, auch große Studios und nicht nur kleine oder mittlere Unternehmen zu unterstützen, um die Blockbuster-Produktionen herzuholen." Das würde seiner Ansicht nach auch Nachwuchs anziehen, da die Möglichkeit bestehen würde, an einer großen Marke zu arbeiten, die man zum Beispiel als Jugendliche:r feierte. Roth selbst habe Gamedesign nur studiert, weil er als Jugendlicher gezockt hatte.
Des Weiteren hilft die Förderung dem nachhaltigen Aufbau der Branche und von Expertise, selbst wenn dabei zunächst nicht so "gute" Produkte entstehen, aber alle Geförderten machen sukzessive Erfahrungen, die sie in zukünftigen Projekten einbringen können. Roth würde lieber neue Leute einstellen, die etwas Erfahrung mitbringen. Juniors könnte man seiner Ansicht nach finden. Bei Leuten mit fünf Jahren Erfahrung oder mehr werde es schwieriger, besonders wenn sie nach München umziehen sollen. Letztlich sei es wichtig, dass auch Blockbuster-Titel in Deutschland entstehen, abseits gewisser Ubisoft-Titel. Das würde dem deutschen Gamesstandort Stabilität bringen und mehr Fachleute. Zumal es bei diesen AAA-Produktionen auch Positionen geben würde, bei denen vielleicht vermeintlich langweilige Tätigkeiten gemacht werden müssten, etwa 500 Grashalme zu modellieren. Aber so können neue und interessierte Personen in die Branche kommen - Leute, die unter Umständen später an anderen Titeln oder mehreren Themen arbeiten wollen und zu anderen Studios in Deutschland stoßen. Mimimi Games setzt auf Beständigkeit bei der Belegschaft. Johannes Roth erklärt: "Unser Anspruch ist, die Mitarbeitenden zu halten, auch nach dem Projekt, und nicht nur für ein Projekt anzustellen. Wenn man die Filmbranche betrachtet, dann gibt immer Projektgesellschaften ohne Ende. Das ist halt auch eine andere Art und Weise zu arbeiten." Nichtsdestotrotz musste das Unternehmen einige Abgänge nach der Covid-19-Zeit verkraften, auch in leitenden Positionen, was etablierte Arbeitsabläufe beeinflusste. Das war für alle Beteiligten neu, dennoch gelang es, die Ausfälle abzufangen und ein Produkt auf die Beine zu stellen, das komplexer als die Vorgänger ist.

Zurück zur Förderung. Auch die vielfach diskutierten Steuererleichterungen hält Roth für hilfreich, sieht sie aber nicht als den heiligen Gral an, schließlich müsse man vorher viel in Vorleistung gehen, bekommt jedoch später definitiv etwas raus. Viel wichtiger sei es jetzt, dass sich bei der pausierten Bundesförderung etwas tue. Es sei zwar ein gutes Zeichen, dass die Förderung weiterbestehe, jedoch gebe es Luft nach oben. Ebenso wichtig seien die regionalen Maßnahmen. So hätte Roth gerne eine Förderung vom FFF Bayern bei der Süßkartoffel dabei gehabt, "aber wir hätten es nicht sinnvoll einreichen können. Wir waren ja eines der allerersten Bundesförderungsprojekte. Es war da gar nicht geklärt, wie man Projekte kumulieren kann und wenn man kumuliert, dann darf nur x-Prozent des Budgets aus der Regionalförderung bekommen. Also, es hätte sich einfach nicht gerechnet." Der Mimimi-Managing-Director, der auch Vorstandsvorsitzender im Games Bavaria Munich e.V. ist, ergänzt noch, dass um die lokale Förderung stets gekämpft werde. "Auch, dass die hiesige Produktionsförderung nicht wegfällt, weil man sich ja denken könnte, dass das vom Bund kommt. Zum Glück haben wir das noch in Bayern."
Bei "Shadow Gambit" kann Mimimi Games nun alles selbst entscheiden und so ist Roth froh darüber, dass sie das Spiel nicht mehr auf PlayStation 4 und Xbox One bringen müssen. Die spielerischen Einschnitte aufgrund der betagten Hardware wären zu heftig gewesen. Generell würden sie versuchen, die Abhängigkeiten von anderen zu verringern, abseits der Unity-Engine, auf der das Spiel basiert. Externe Unterstützung haben sie sich für Keyart, Logo, Trailer, Lokalisierung und QA geholt. Roth erklärte, dass sie extra emotionale Komponenten wie Keyart und Logo outgesourct hätten, damit sie sich nicht intern an den Themen aufreiben würden. Clever!
Speziell für die Veröffentlichung in Fernost würden sie mit Partnern zusammenarbeiten, die dieses Marktsegment verstehen. Allen voran China sei wichtig, denn dieser Markt ist für die Spiele von Mimimi Games der drittgrößte, jedoch sei der Zugriff sehr schwierig. Sie würden mit einer Agentur zusammenarbeiten, die sich um die Kommunikation kümmert, denn in China ist die Steam-Community gesperrt und somit fällt ein zentraler Austauschplatz für die dortigen Spieler: innen weg. Oftmals sieht man das auch daran, dass pragmatische chinesische Nutzer:innen die Userreviews als Kommunikationsort zweckentfremden. Mithilfe der Agentur könnten sie die Nutzenden an anderer Stelle erreichen, zum Beispiel auf der Video-Sharing-Website Bilibili. Einen immens wichtigen Marketing-Beat entfaltete die Demo, die beim Steam Next Fest im Juni 2023 angeboten wurde. Die Steigerung bei den Wunschlisten-Platzierungen gilt als eine gut messbare KPI. Johannes Roth: "Das Steam Next Fest ist die Chance, abseits der normalen Marketing-Beats mehr auf Steam zu generieren. Natürlich dann auch nur Steam. Und deshalb hatten wir unseren Presse-Preview-Beat sozusagen kurz davor gelegt. Das war alles nicht einfach, mit "Diablo IV" und dem ganzen Pseudo-E3-Zeug. Es war sozusagen alles darauf eingestellt, möglichst viel Traffic vor dem Steam Next Fest auf unser Game zu kriegen, viel Coverage zu bekommen und viele Content Creators zu bewegen, die Demo zu spielen - und hoffentlich viele Leute zu erreichen." Insgesamt schaffte es "Shadow Gambit" unter die Top-20-Spiele des Fests und zum Launch auf Platz 11. Letzteres war besonders wichtig, um bei den Popular Upcoming Games auf der Startseite gelistet zu sein.
Im Nachhinein kam die Demo gut an, obgleich sie gewohnte Steuerungsmechaniken zur Interaktion mit der Umgebung im Vergleich zu ihren anderen Titeln verändert hatten, was Fans ihrer letzten Games natürlich auffiel. Roth ergänzt, dass sich die Gamepad-Steuerung, mit der man die Spielfiguren selbst durch die Welt lenken kann, immer mehr auf PC durchsetzen würde. Auch wenn die Mehrzahl der PC-Spieler: innen auf die klassische Keyboard-und-Mouse-Methode setzen würden, gebe es immer mehr, die zum Gamepad greifen, nachdem sie es einmal ausprobiert hätten. Gleichermaßen würde die steigende Anzahl von isometrischen Titeln auf Konsolen zeigen, dass diese Games dort problemlos funktionieren, wenn sie gut an eben jene Steuerungsmodalitäten angepasst wurden.

Etwas Sorge bereitet Mimimi Games der übervolle Releasekalender in der zweiten Jahreshälfte, gerade das auf den 3. August vorverlegte und sehr umfangreiche "Baldur's Gate 3". Bei "Atlas Fallen", von Deck13 und Focus, das am 10. August aufschlägt, dürfte die Zielgruppenüberschneidung nicht so groß sein. Ein anderes Problem wiegt aber schwerer und das dürfte eine Herausforderung für das Marketing sein, nämlich die Art des Spiels möglichst gut zu veranschaulichen. "Viele Leute denken immer, es ist nicht das Spiel für sie. Wenn sie es dann spielen, finden sie es plötzlich ziemlich gut. Sogar Leute, die fast gar nicht zocken, können in diese Games reinkommen, was eigentlich absurd ist, weil es halt kein einfaches Spiel ist. Das liegt am Pausieren und Speichern, weil man es immer wieder probieren kann. Man wird ja eigentlich nicht wirklich bestraft, sondern es wird respektvoll mit der Zeit umgegangen, sofern man eben speichert. Genau deswegen haben wir Reminder eingebaut", sagt Roth.
Mindestens genauso kniffelig ist es, die Zielgruppe dazu zu bewegen, sich das Spiel anschauen. "Wie kriegen wir die Leute dazu, sich zu trauen es auszuprobieren, selbst mit einer kostenlosen Demo? Wie viel muss man runterladen? Habe ich die Zeit? Brauche ich das jetzt? Also eigentlich ist meine Netflix-Liste unendlich, meine Tabs sind unendlich. Wie können wir halt unser Nischenthema größer und breiter aufstellen?", diese Fragen stellt sich Roth in diesem Kontext und nennt praktischerweise einige Maßnahmen, auf die sie bei "Shadow Gambit" gesetzt haben. Dazu zählt ein möglichst attraktives, selbsterklärendes und anziehendes Szenario, hier inspiriert von Monkey Island und Fluch der Karibik. Zudem stehen Accessibility-Themen bei ihnen ganz oben auf der Liste, ohne das Spiel zu leicht zu machen, schließlich muss es gleichermaßen den langjährigen Fans Spaß bereiten und sie entsprechend herausfordern. "Ich glaube, das ist uns wieder ganz gut gelungen", so Roth. "Wir versuchen das auch über Marketing. Unser größtes Marketingziel war es, den Leuten zu erklären, was das für ein Genre ist. Viele denken an Age of Empires und erwarten keine Story. Andere hatten Commandos gespielt und kämpfen mit der Steuerung. Da sind viele Misconceptions, die wir versuchen zu lösen. Alles mit dem Ziel, irgendwie mehr Leute in das Spiel zu bekommen."
Alles in allem bleibt Mimimi Games nur zu hoffen, dass sie es mit ihrem qualitativ hochwertigen Titel schaffen, möglichst viele Käufer:innen zu überzeugen und einen Hit zu landen, der sich - wie die anderen Titel aus dem Genre auch - über lange Zeit verkauft. Doch bei "Shadow Gambit: The Cursed Crew" spielt noch mehr mit rein: Ein kommerzieller Erfolg eines Titels, der von Computerspieleförderung des Bundes profitiert hat, würde auch den Entscheider:innen in der Politik plakativ zeigen, wie wichtig es ist, die deutsche Gamesindustrie besser zu unterstützen - und "Shadow Gambit" ist nun mal einer der ersten großen Titel, der im Millionen-Maßstab gefördert und damit als ein Gradmesser für den Erfolg der Förderung herangezogen werden dürfte. Das GamesMarkt-Team drückt jedenfalls alle verfügbaren Daumen für einen Erfolg, einerseits für Mimimi Games, andererseits für den ganzen Spielstandort Deutschland!
2016 - "Shadow Tactics" Im Dezember 2016 wurde "Shadow Tactics: Blades of the Shogun" veröffentlicht. Es entstand, weil Dominik Abé, Mitbegründer und Creative Director bei Mimimi, Fan der Commandos-Reihe war und das Genre lange Zeit weitgehend brach lag. Es wurden mehrere Szenarien diskutiert und schlussendlich fiel die Wahl auf ein fernöstliches Setting mit Ninjas. Unterstützung erhielt der Schauplatz, weil Ninjago als Lego-Marke auch sehr stark war. Das alles überzeugte Carsten Fichtelmann und so war Daedalic Entertainment an Bord. Im Dezember 2021 folgte noch die Stand-Alone-Erweiterung "Shadow Tactics: Aiko’s Choice".

2020 - "Desperados III" Die hervorragenden Wertungen, die "Shadow Tactics: Blades of the Shogun" von der internationalen Presse und von Spieler:innen bekommen hat, war der Türöffner für den Deal mit THQ Nordic - und ohne diesen Publishing-Deal hätte Mimimi Games in der damaligen Situation wohl die Pforten schließen müssen. "Desperados III" erschien Mitte Juni 2020 und zeigte eine deutliche Steigerung der Production Value im Vergleich zum Vorgänger, auch wenn Mimimi Games minimalen, kreativen Einflüssen der Marke unterworfen war.
2023 - "Shadow Gambit" Bei "Shadow Gambit: The Cursed Crew" hat Mimimi Games die Production Values noch weiter angezogen. Auch spielerisch gehen sie neue Wege im Genre. Sie brechen die lineare Struktur auf. Das gewählte Piratenszenario, die Inselwelt und das Schiff als Hub-Treffpunkt sind dafür ideal. Sogar die stärkere Einbindung von magischen Elementen ergibt Sinn, da diese mit der genrebekannten Quicksave/Quickload-Mechanik verbunden wurde, schließlich hat das Geisterschiff die magische Kraft, die Zeit anzuhalten. Clever verknüpft.