Kritik am wachsenden Einfluss Saudi-Arabiens im E-Sport

In einem Positionspapier kritisieren Prof. Dr. Jens Junge, Direktor des Instituts für Ludologie und Dr. Timo Schöber, Leiter des Bereichs E-Sport am Institut für Ludologie, Direktor Esportionary, den wachsenden Einfluss Saudi-Arabiens im E-Sport. Es geht um moralische Überzeugung, das schnelle Geld und Sportswashing. Eine Basisbewegung in Europa wird als Gegenpol skizziert.
Das verstärkte Engagement von Saudi-Arabien im E-Sport-Bereich zur Diversifikation der Wirtschaft, beispielsweise durch die Ankündigung der jährlich angelegten E-Sport-Weltmeisterschaft "Esports World Cup" (GamesMarkt berichtete) und vieler weiterer Initiativen, sehen Prof. Dr. Jens Junge, Direktor des Instituts für Ludologie und Dr. Timo Schöber, Leiter des Bereichs E-Sport am Institut für Ludologie, Direktor Esportionary kritisch. Dementsprechend haben sie die jüngsten Entwicklungen in einem öffentlichen Positionspapier eingeordnet und kommentiert.
Junge und Schöber geht es vor allem um die gesamtgesellschaftlichen, weltoffenen, friedlichen und toleranten Aspekte des E-Sports. "Es wird deutlich, dass die staatliche, gesellschaftliche und politische Ausrichtung Saudi-Arabiens unvereinbar mit den Werten des E-Sports ist. Dies betrifft vor allem die Punkte Freiheit, Gleichheit aller Menschen, Toleranz, Frieden und Weltoffenheit", ist dem Kommentar zu entnehmen. "Daraus resultierend lässt sich ableiten, dass Saudi-Arabien den E-Sport vor allem als Macht- und Propagandainstrument zu nutzen gedenkt, ähnlich zum traditionellen Sport. Ein solches Vorgehen ist für repressive und despotische Staaten nicht ungewöhnlich, wenn die entsprechenden finanziellen Mittel vorhanden sind." Demnach sollen Ruf und Ansehen des Landes durch "Sportswashing" verbessert werden. Weiter heißt es: "Die Motive der Personen, die sich aus dem E-Sport heraus mit Saudi-Arabien einlassen, dürften primär ökonomischer Natur sein. Das Land wendet erhebliche Geldmittel auf, um Organisationen und Strukturen zu kaufen. Es bleibt zu vermuten, dass sich dies in Zukunft noch verstärken wird, da Saudi-Arabien die eigene E-Sport Strategie bis zum Jahr 2030 angelegt hat."
"Gesellschaftlich bedeutet das, dass sich E-Sport kontinuierlich ein Stück weit selbst entwertet, soweit es moralische und ethische Aspekte anbelangt. Bemerkenswert ist, dass das saudi-arabische Engagement im E-Sport bei der geplatzten Partnerschaft zwischen Riot Games und NEOM im Jahr 2020 noch zu erheblichem Widerstand der E-Sports Community geführt hatte. Vergleichbarer Widerstand ist bei den jüngsten Entwicklungen ausgeblieben. Auch das kann als Indiz gesehen werden, dass E-Sport in Teilen inzwischen weniger in moralischen und ethischen Werten denkt, sondern eher hinsichtlich monetärer Aspekte", schreiben Junge und Schöber.
Als Schlussfolgerung wird gezogen, dass es einer "Grassroots"-Organisation in Europa bedarf, damit der E-Sport seine Eigenständigkeit behält und sich entwickeln kann - sowie demokratische und freiheitliche Werte verfolgt werden können. Die EU unterstützt im Rahmen des Projektes "European Grassroots Esports" (Website) den Aufbau entsprechender Organisationsformen. In Deutschland findet am 9. November 2023 ab 12:30 Uhr dazu ein Kongress mit dem Titel "Kann Deutschland E-Sport-Breitensport?" in der Moneta der Alten Münze, Am Krögel 2, in Berlin statt.
"Gegen den Versuch der Einnahme und Beeinflussung dieses neuen, zukunftsweisenden internationalen Sportgebiets durch den saudischen Staatsfonds ist eine überzeugende und attraktive Struktur mit europäischen Werten entgegenzustellen", fordern Junge und Schöber.
"E-Sport steht für Gleichheit, Toleranz und Weltoffenheit. Werte, die E-Sport so wertvoll machen und mit denen ich in diesem Sport groß geworden bin. Das, was aktuell passiert, nämlich der Ausverkauf des elektronischen Sports an Diktaturen, ist daher eine Ohrfeige für alle, die E-Sports ehrlich leben - und durch ernsthaftes Engagement dazu beigetragen haben, dass der elektronische Sport wachsen konnte. Der westliche E-Sport muss sich entscheiden: Ethik und moralische Überzeugungen oder das schnelle Geld und ökonomische Erkrankung", sagt Dr. Timo Schöber.
"So wie der FIFA und dem Olympischen Komitee inzwischen bei ihren international bedeutenden Entscheidungen für die Orte ihrer Veranstaltungen eine gravierende Korruption nachgewiesen werden konnten, um neben ökonomischen Interessen unverhohlen einseitige politische Interessen zu verfolgen, so entwickeln sich im internationalen E-Sport-Bereich durch den saudischen Einfluss Strukturen, die einer freiheitlichen und europäisch aufgeklärten Überzeugung fundamental entgegenstehen. Darauf bedarf es einer überzeugenden auf dem Breitensport basierenden europäischen Antwort", erläutert Prof. Dr. Jens Junge.
Die Ambitionen von Saudi-Arabien im E-Sport-Segment, die zur aktuellen Stellungnahme geführt haben, zeichnen die Ludologen so nach: