Der Einsatz von KI im Arbeitsleben wird dank "ChatGPT" offen diskutiert. In seinem neuen Autorenbeitrag blickt Dr. Christian-Henner Hentsch auf rechtliche Fragen beim Einsatz von grafikgenerierenden KI-Anwendungen in der Spieleentwicklung.

Seit die neueste Version vom dialogbasierten Chatbot "ChatGPT" der allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung steht, hat die Debatte über die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz (KI) stark an Fahrt gewonnen. Die Gamesbranche setzt KI-Anwendungen zwar schon seit Jahren routiniert ein und hat somit einen gewissen Erfahrungsvorsprung. Allerdings stellen sich durch neue Anwendungen wie "Stability AI" oder "Midjourney" für die Erstellung von Gra­fiken auch neue urheberrechtliche Fragen. Sind KI-generierte Inhalte urheberrechtlich geschützt? Braucht es einen eigenen Leistungsschutz? Wem soll der Schutz zugerechnet werden? Dürfen urheberrechtlich geschützte Werke durch KI-Programme überhaupt verwendet werden? Diese Fragen hat der game im Februar in einem Webinar zusammen mit Patrick Mitsching und Benjamin Sach von InnoGames und Christian Rauda von Graef Rechtsanwälte diskutiert und eine erste Einordnung versucht.

Bei Künstlicher Intelligenz handelt es sich — zumindest bisher — vor allem um Anwendungen für maschinelles Lernen. Es werden also anhand eines Daten-Corpus Muster und Schemata abgeleitet, um auf einen Eingabebefehl (Prompt) hin eine Lösungsvariante anzubieten. Je nach Einsatzgebiet werden bereits teils erstaunliche und durchaus verwert­bare Ergebnisse erzielt. In der Gamesbranche können KI-Anwendungen beispielsweise bei der Bildgenerierung eingesetzt werden, um die Vorlagen für die Gestaltung einer neuen Spielewelt zu erarbeiten. Hier kann die Arbeitszeit einer Designerin oder eines Designers für eine Grafik perspektivisch von mehreren Tagen auf wenige Stunden ohne merklichen Qualitätsverlust reduziert werden. Solche KI-Anwendungen können also bei der Gamesentwicklung dazu beitragen, diese zu beschleunigen und auch zu verbessern und gleichzeitig die Kosten zu senken. Damit bietet der Einsatz solcher Programme für den deutschen Entwicklungsstandort eine große Chance, gegenüber Niedriglohnländern international wettbewerbsfähiger zu werden. Ob sich diese Chance realisieren kann, hängt unter anderem davon ab, ob und wie der urheberrechtliche Rahmen für den Einsatz von KI ausgestaltet ist.

Rechtlich ist vor allem zwischen der Frage, wer Rechte an den KI-erzeugten Inhalten erhält (Output-Frage) und wer die Rechte an den Inhalten besitzt, mit der die KI trainiert wird. Nach bislang wohl vorherrschender Meinung kann es keinen Urheberrechtsschutz für von einem Programm erstellte Inhalte und Grafiken geben, weil die Urheberschaft Ausdruck des persönlichen Werkschaffens eines Menschen ist. KI-Anwendungen sind aus der Erfahrung der Gamesbranche letztendlich lediglich Werkzeuge, die es Kreativen erlauben, rein handwerkliche und teils repetitive Tätigkeiten zu automati­sieren und sich damit wieder auf den Kern künstlerischen Schaffens zu konzentrieren - die individuelle und originelle Werkschöpfung. Insofern könnte die Verbreitung von KI-Anwendungen durchaus dazu führen, dass es weniger Urheberinnen und Urheber gibt und viele am kreativen Schaffensprozess Beteiligte ohne Urheberrechtsschutz blieben. Es würde stärker zwischen originär werkschöpfenden und weniger kreativen und eher assistierenden Tätigkeiten unterschieden - wobei erstere wegen ihrer Originalität zu Recht über die urhebervertragsrechtlichen Regelungen am Auswertungserfolg parti­zipieren, letztere hingegen lediglich für ihre Arbeitszeit so wie alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach den Vorgaben der Tarifverträge auf Stundenbasis vergütet würden. Mit Blick auf das urheberrechtliche Schöpferprinzip, das die persönlichen, geistigen Beziehungen an einem Werk schützen soll, wäre dieses Ergebnis durchaus logisch. Denn wer lediglich eine Maschine betätigt, wird wohl gerade keine "seelische Verbindung" zu dem Ergebnis aufbauen. Die KI-Debatte zwingt uns also, uns ehrlich zu machen und eine klare Grenze zwischen Werkschöpfungen und einem technischen Prozess zu ziehen. Alles andere wäre auch nicht fair gegenüber den Urheberinnen und Urhebern, die trotz oder gerade wegen KI-Anwendungen weiterhin wichtig sind, um die Corpora der KI weiterhin mit neuen Werken füttern zu können.

Das heißt aber nicht, dass die Ergebnisse dieses Schaffensprozesses keinen urheberrechtlichen Schutz genießen. Denn sofern sie in einem Computerspiel verwendet werden, greift in der Regel das Herstellerleistungsschutzrecht — so wie auch beim Filmhersteller. Zumindest Spiele-Entwickler haben damit ausreichende Rechte, die sie über einen Publishing-Vertrag zur weiteren Auswertung einem Publisher übertragen können und auf die sie sich auch für die Rechtsdurchsetzung berufen können. Für die einzelnen Grafiken oder andere Teile kann teilweise auch markenrechtlicher Schutz beantragt werden und auch ein wettbewerbsrechtlicher Schutz aus dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ist denkbar. Ein gesonderter, über den bestehenden urheberrechtlichen Rahmen hinausgehenden Schutzbedarf gibt es im Gamesbereich also derzeit nicht.

Ganz im Gegenteil - würde für jeden KI-generierten Inhalt ein urheberrechtlicher Schutz bzw. ein Leistungsschutz geschaffen, gäbe es eine Flut an Schutzrechten, die die Rechteauswertung erschweren und aufgrund des Urhebervertragsrechts mit seinen zwingenden Vorgaben zu unüberschaubaren Risiken führen würden. Insofern spricht aus Sicht der Entwickler und Publisher von Games sehr viel dafür, den urheberrechtlichen Rahmen für KI-generierte Grafiken zu belassen, wie er ist.

Zu der Frage nach dem Input, also ob vorbestehende Werke zum Trainieren der KI verwendet werden dürfen, gibt es in den USA bereits erste Sammelklagen, insbesondere gegen die Anbieter "Stability AI", "Midjourney" und die Kunstplattform "DeviantArt". Die klagenden Designerinnen und Designer machen geltend, dass ihre Kunstwerke ohne deren Zustimmung genutzt worden seien und verlangen daher Schadensersatz. In Deutschland ist dies grundsätzlich erlaubt. Denn mit der letzten Urheberrechtsreform 2021 wurde eine neue urheberrecht­liche Ausnahme geschaffen, die die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digita­lisierten Werken erlaubt, um daraus Informationen und Muster zu gewinnen. Auch wenn es hier noch keine einschlägige Rechtsprechung gibt, spricht auch aufgrund der zugrundeliegenden EU-Richtlinie und der Gesetzesbegründung viel dafür, dass diese Norm auf KI-Anwendungen anzuwenden ist. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die durch die KI verwendeten Werke rechtmäßig zugänglich gemacht worden sind und es keinen maschinenlesbaren Vorbehalt gibt. Bei den bekannten grafikgenerierenden KI "Stability AI" und "Midjourney" wurde das Programm insbesondere mit von Game-Designerinnen und -Designern erstellten Grafiken trainiert, die ihre Werke freiwillig dort eingestellt haben, um in einschlägigen Kreisen darauf aufmerksam zu machen - wie eine digitale Kunstmappe. Nur wenn sie dabei ihre Rechte vorbehalten haben, dürfen diese Kunstwerke also nicht von der KI-Anwendung genutzt werden. In der Praxis wird es schwer zu beweisen sein, ob und mit welchen Werken das Programm gefüttert wurde und auch für die Ausgestaltung und Reichweite des Vorbehalts gibt es noch Rechtsunsicherheit.

Alles in allem lässt sich aus urheberrechtlicher Sicht festhalten, dass sich zumindest die Herausforderungen für grafikgenerierende KI wohl durchaus mit dem geltenden Rechtsrahmen bewältigen lassen könnten. Zumindest für die Gamesbranche sind derzeit auch keine Verwerfungen und daher auch kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf erkennbar. Neben dem Urheberrecht stellen sich aber natürlich auch ganz andere, teils fundamentalere Fragen beim verstärkten Einsatz von grafikgenerierenden und anderen KI-Anwendungen. Daher wird der game demnächst in einem Round Table mit seinen Mitgliedern die ethischen, gesellschaftlichen und unternehmerischen Herausforderungen durch KI diskutieren, um dieses Thema ganzheitlich erfassen und Chancen und Risiken noch besser abwägen zu können.

Kurzvita

Dr. Christian-Henner Hentsch ist Leiter Recht & Regulierung beim game - Verband der deutschen Games-Branche. Daneben ist er Professor für Urheber- und Medienrecht an der TH Köln.

Share this post

Written by